Es wird viel über, aber selten mit Betroffenen gesprochen. Zum Holocaust-Gedenktag wagt der Fränkische Tag einen anderen Weg und stößt dabei auf Hindernisse, die alarmierend sind.
Zig Telefonate und über 80 Mails waren nötig, um zwei jüdische Menschen zu finden, die bereit sind, öffentlich über ihr Leben in Bamberg zu sprechen. Ein Zeichen der Zeit, das deutlich macht, wie wichtig die Kernbotschaft dieses Gedenktags ist: Nie wieder!
Am heutigen Holocaust-Gedenktag geht es um die tödliche Kälte der Winter im Vernichtungslager, es geht um die unzähligen Menschen, denen Nummern auf die Unterarme tätowiert wurden, es geht um auseinandergerissene Familien und um jedes einzelne Leben, das von den Nationalsozialisten auf die unmenschlichste Art ausgenutzt, gepeinigt und ausgelöscht wurde.
Doch viel Floskelhaftes wohnt den Berichten und Veranstaltungen zum Holocaust-Gedenktag alljährlich inne. Betroffene Politikerstimmen, medienwirksame Gesten, aber wenig wirksames Gedenken. Der rituelle Reigen, so scheint es, dient in mancher Ausführung mehr einer Routine als dem Gedenken an die über sechs Millionen Juden, die industriell ermordet wurden.
Verstummte Vielfalt
Teil dieses Rituals ist es etwa, dass jüdischen Menschen eine Stimme in den Medien erhalten. Dabei kommen jedoch vor allem nur solche Personen zu Wort, die öffentliche Ämter bekleiden. Der Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland wird diese punktuelle Aufmerksamkeit nicht gerecht. In steigenden Fallzahlen ist diese Vielfalt wieder das Ziel von Hass, Hetze und antisemitischen Angriffen. Zuletzt sogar der Terroranschlag in Halle, bei dem zwei Menschen getötet wurden.
Dabei könnten die Medien die Vielstimmigkeit jüdischen Lebens so leicht sichtbar machen und Menschen zu Wort kommen lassen, die jüdische Alltagskultur hierzulande leben und prägen. Elisaveta Kogan ist so jemand. Die 31-jährige Bambergerin ist atheistische Jüdin. Im Gespräch mit ihr wird deutlich, dass jüdische Identität nicht an Religion gebunden ist. Die Redakteurin in einer Medienagentur empfindet sich dagegen als Jüdin, da es ein Teil ihrer familiären Identität ist. Dass sie sich zu einem Gespräch bereiterklärt hat, macht sie zu einer absoluten Ausnahme in Bamberg.
Auf Interviewanfragen wurde zwar stets lobend und angenehm überrascht geantwortet, doch zugleich jedes Gespräch aufgrund von Ängsten abgelehnt. Eine Jüdin, die anonym bleiben möchte, schickte sogar eine E-Mail mit einer Liste antisemitischer Erfahrungen, die bis in Lehrveranstaltungen der Universität hineinreichen. Auch die beiden jüdischen Gemeinden in Bamberg sowie verschiedene Vereine vermelden die unter ihren Mitgliedern weit verbreitete Scheu, öffentlich als jüdischer Mensch in Erscheinung zu treten.
Die Tatsache, dass Bamberger sich bei dem Gedanken unwohl fühlen, öffentlich über ihren Alltag zu sprechen, ist beschämend und alarmierend. Man stelle sich nur einmal vor, wie befremdlich es wäre, von einem Christen zu hören, er habe Angst davor, über sein Leben in der Welterbestadt zu sprechen.