Am 26. März gastiert der Bamberger Kinderbuch-Autor mit dem "Schiefe Märchen-Trio" im E.T.A.Hoffmann-Theater. Im Interview erklärt er, wie das Projekt entstand und was er von einer Sams-Ampel hält.
Ein Austauschprinz, ein sprechender Föhn oder ein gestiefelter Skater - das sind die Figuren, die Sams-Autor Paul Maar in seinem neusten Buch "Schiefe Märchen und schräge Geschichten" auftreten lässt. Seit November präsentiert er die Erzählungen und Gedichte daraus zusammen mit den zwei Musikern Wolfgang Stute (Gitarre, Percussion) und Konrad Haas (Querflöte, Saxofon, Keyboard).
Premiere feierte das "Schiefe Märchen-Trio" im ausverkauften Schlossparktheater Berlin, danach trat es in mehreren Großstädten quer durch Deutschland auf. Am Sonntag, 26. März, tritt nun Paul Maar in "seiner Stadt" Bamberg auf, nämlich um 19.30 Uhr im Großen Haus des E.T.A.-Hoffmann-Theaters. Wir führten vorab ein Interview mit dem Schriftsteller, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feiert.
Was hat Sie daran gereizt, Märchen besonders schief und modern zu erzählen?
Paul Maar: Als Kind hatte ich kaum Bücher. Mein größter Schatz war eine illustrierte Ausgabe von "Grimms Märchen". Ich habe sie immer wieder gelesen. Und diese Märchen waren mir in schwierigen Lebenssituationen Trost und Hilfe.
Nicht umsonst tauchen in meinen Büchern und Theaterstücken immer wieder Märchenmotive auf. Manche Theaterstücke sind sogar Märchen im klassischen Sinn, etwa "Die Reise durch das Schweigen" oder "Wasser des Lebens". Und nicht erst seit Bettelheims Buch "Kinder brauchen Märchen" weiß man, wie wichtig die untergründigen Symbole und Botschaften des Märchens sind. Deshalb mag es verwundern, dass ich in "Schiefe Märchen und schräge Geschichten" so unernst und spielerisch mit Märchenmotiven umgehe. Da kann ich als Erklärung nur mit einem Sprichwort antworten: "Was sich liebt, das neckt sich."
Gerade weil ich Märchen so wichtig finde, reizte es mich, sie zu verändern, neu zu erzählen, sie manchmal sogar zu ironisieren.
Ist nicht jede phantasievolle Kindergeschichte - wie zum Beispiel das Sams - ein Märchen?
In der Literaturwissenschaft gibt es ja eine exakte Definition, was als Märchen durchgehen darf: Zeitlosigkeit, schematisch gezeichnete Helden ohne Psychologisierung, Flächenhaftigkeit. Schon aus dieser Kurzfassung ergibt sich, dass die Samsgeschichten keine Märchen sind, sondern als "phantastische Erzählung" bezeichnet werden sollten: Es herrscht keine Zeitlosigkeit, die Geschichte spielt eindeutig in der Jetztzeit, und die Psyche des schüchternen, angepassten Herrn Taschenbier - der heimlichen Hauptfigur der Sams-Geschichte - ist, so hoffe ich doch, glaubhaft dargestellt.
Sie waren "Grimm-Professor" in Kassel. Ihre Antrittsvorlesung lautete "Maar und die Märchen". Können Sie uns eine kleine Zusammenfassung geben?
Das war keine Professur im klassischen Sinn, sie entsprach einer "Poetik-Professur", bei der ein Autor über sein Schreiben Rechenschaft ablegt.
In der ersten dieser Vorlesungen verwies ich auf die offensichtlichen und verborgenen Märchenmotive in meinen Büchern, beginnend mit meinem ersten Kinderbuch "Der tätowierte Hund", in dem die Geschichte vom "bösen Hänsel, der bösen Gretel und der Hexe" erzählt wird. Bezeichnenderweise von einer Hexe, einer Arbeitskollegin der im Backofen verbrannten.
Ich zeigte auch auf, wie sehr ein Autor doch vom Zeitgeist beeinflusst wird und wie ich unter dem Einfluss der 68er Bewegung erst zum Märchenkritiker und dann quasi vom Saulus zum Paulus wurde: Zum glühenden Verteidiger der alten Märchen.
Wie kommt es zu der Zusammenarbeit mit den Musikern Wolfgang Stute und Konrad Haas?
Beide waren als musikalischer Leiter, Komponist und Theatermusiker am E.T.A.-Hoffmann-Theater beschäftigt.
Wolfgang Stute von 1989 bis 1999. Er hat zum Beispiel die Bühnenmusik zu meinem Stück "Papa wohnt jetzt in der Heinrichstraße" komponiert - bei dem ich mich zum ersten Mal auch als Regisseur versuchte.
Konrad Haas von 1999 bis 2016. Ganz besonders gelungen fand ich seine Lieder und die Bühnenmusik zu meinem "In einem tiefen, dunklen Wald". Wir haben uns nie aus den Augen verloren. Und als ich ihnen von meinem Plan erzählte, die schiefen Märchen mit Musik und Liedern zu gestalten, waren beide sofort begeistert.
Wer hat mehr Spaß an diesem Abend: Erwachsene oder Kinder?
Wir bieten ja zwei Versionen unseres Programms an: eine einstündige für Kinder und eine zweistündige Abendvorstellung, mit einer Pause dazwischen, für Erwachsene. Insofern werden die einen wie die anderen dabei ihren Spaß haben.
In der Erwachsenen-Version, die wir in Bamberg präsentieren, erzähle ich sogar eine Geschichte, die nicht im gleichnamigen Buch steht. Ich hatte sie dafür geschrieben, aber der Verlag lehnte sie als "nicht kindgemäß" ab. Es wird in der Abendvorstellung auch einige Lieder geben, die nicht im Buch zu finden sind.
Und damit die Musiker nicht nur dasitzen und auf ihren nächsten Musikeinsatz warten, habe ich ihnen auch Dialogpassagen verpasst.
Es war einmal ein Kinderbuchautor, der 80 Jahre alt wurde. Dem wollte seine Stadt zu seinem Geburtstag eine Freude bereiten und ihm eine eigene Ampel mit seiner beliebtesten Figur schenken ... Klingt das für Sie nach einem Märchen?
Das ist wirklich eine liebenswürdige Idee meiner Stadt. Ich schätze allerdings, dass sie damit nicht beim zuständigen Ministerium durchkommt, weil sonst ein Präzedenzfall geschaffen würde und andere Städte mit dort heimischen Figuren aus Literatur, Sage oder Historie nachziehen wollten.
Die Fragen stellte
Michael Memmel