Was das Leben so angeht

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Das Leben ist ein eigenwilliger Ort. Es macht keinen Unterschied, ob man das aus den Weltnachrichten erfährt oder aus dem lokalen Geschehen. Und während man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht, suc...

Das Leben ist ein eigenwilliger Ort. Es macht keinen Unterschied, ob man das aus den Weltnachrichten erfährt oder aus dem lokalen Geschehen.

Und während man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht, sucht man doch eigentlich die Lichtung. Diesen Satz wiederum verstehe wer will, denn er ist im Grunde ein zutiefst lebendiger Satz. Wir sitzen alle im selben Boot und rudern an Moden entlang in surrealer See auf Fragezeichen. Zwischen Lichtenfels-Mitte, Schwürbitz-Süd und Honolulu-West.

Immer wieder notiere ich dazu stichpunktartig Vorfälle, die man mal zu einer Betrachtung oder Geschichte fügen kann. Ein Beispiel: Da sagte doch kürzlich in Lichtenfels ein Azubi zu seinem Ausbilder, dass dieser ihm "gar nichts zu sagen" habe. Versteht das wer? Aus Bad Staffelstein hingegen erfuhr ich von einem Unternehmer, dass er neuerdings mit sehr interessanten Bewerbungsunterlagen zu tun hat. Sie enthielten zwar weniger Lebensläufe und Schulzeugnisse als früher, dafür aber mehr Selfies von jungen Männern in BMW oder Audis, die als Referenz dienen sollen.

Und neulich ging am Wandertag ein hiesiger Schulausflug zu den Erlanger Arkaden, in ein Einkaufszentrum also. Früher ging man ja in den Wald, zu Sportereignissen, in den Zoo, zu Museen, zur Kultur, an historische Stätten oder zu sonstigen Sehenswürdigkeiten. Aus irgendwelchen Gründen kann ein Schulausflug im 21. Jahrhundert aber auch - vorbei an inhabergeführtem Einzelhandel - zu den Tempeln des genormten Konsums führen. Versteht das noch jemand?

Aber was jammere ich, gestern erst habe ich erfahren, dass außer der Lebensmittelchemiebranche niemand davon überzeugt sei, dass Waldmeistergeschmack eine grüne Farbe besitzt. Die meisten meiner Verwandten sagten mir immer: "Werd' erst mal so alt wie ich, dann reden wir weiter!" Dabei sprachen sie über das Leben und setzten einen wissenden Blick auf. Ich war mir als Kind nie sicher, ob dieser wissende Blick wirklich etwas zu sagen hatte, seine Glaubwürdigkeit schien mir zumindest behelfsmäßig, denn das Wort Frustration kannte ich ja noch nicht. Neulich nun kam ich am Wallenstadter Baggersee vorbei und sah den Gitterzaun, der dort den Steg gegen Badegäste abriegelt. Jemand könnte von ihm aus ins Wasser hineinfallen, sich verletzen oder sein Leben verlieren. Dann steht eine Stadt in der Haftungspflicht, weil das nach Ansicht eines maßgeblichen Gerichtsurteils von 2017 mit einer Verletzung von Aufsichtspflichten in Verbindung steht. Im 20. Jahrhundert war das noch kein Thema, aber das Niveau, auf dem wir uns mit unserer Sterblichkeit oder Selbstverantwortlichkeit nicht abfinden wollen, scheint ein bürokratisches geworden zu sein. Wer versteht das schon. Das Leben ist schwer begreiflich und nutzt einen ab.

Ich selbst hoffte mal als Schüler darauf, ein Heilmittel für Menschen zu finden, die Rap-Musik hören. Heute scheitere ich schon an der Frage, ob ich in dieser Woche nun die grünen oder die schwarzen Mülltonnen rauszustellen habe. So ist das Leben und vermutlich schaue ich dann und wann schon wie meine damalige Verwandtschaft aus der Wäsche. Ein Blick auf mein Notizbuch gibt mir zumindest Rätsel auf, denn neulich fand ich folgenden Eintrag: "Zwei Camembert, zehn Eier, eine Gurke, Butter und Kopfsalat" stand dort geschrieben. Keine Ahnung, was das nun wieder ist, aber es ist sicher nix Gescheites.