Neulich begegnete ich einem lieben Bekannten. Ein wirklich sehr netter Mensch, und wenn wir uns treffen, haben wir uns auch immer etwas zu erzählen. Er erzählt mir immer, wie sehr das Leben mit den gu...
Neulich begegnete ich einem lieben Bekannten. Ein wirklich sehr netter Mensch, und wenn wir uns treffen, haben wir uns auch immer etwas zu erzählen. Er erzählt mir immer, wie sehr das Leben mit den guten Mächten in Verbindung steht, und ich erzähle ihm das Gegenteil.
Mein Bekannter ist an sich ein überaus seriöser Mensch, diesmal jedoch hatte er so ein Leuchten in den Augen. "Verliebt?", fragte ich ihn kurz und er bestätigte mit einem Lächeln jener Sorte, das auf nüchterne Menschen grenzdebil wirkt. Gut, dass ich schon was getrunken hatte. "Na, dann erzähl mal!", forderte ich meinen Bekannten zur detailreichen Schilderung auf. "Und lass bloß nichts aus!" Nachdem ich also erfuhr, dass die absolut großartigste, schönste, klügste, geheimnisvollste, charmanteste, weiseste, zärtlichste, berauschendste, wunderbarste, spontanste, einfühlsamste, bestküssendste und erotischste (er hat mir noch mehr aufgezählt, aber ich bekomme nicht mehr alles zusammen) Frau westlich des Urals östlich von Lichtenfels wohnt, erinnerte ich mich an die Textzeile eines Musikers, den ich sehr verehre und auf dessen Konzert ich jüngst in Hamburg war.
Er sang davon, dass, wer liebt, ein Verwandter der Sonne sei und im Dunkeln tanze. Normalerweise tappt man ja im Dunkeln, aber als Verliebter tanzt man eben, nicht wissend, ob einen mal der Tod scheiden wird oder schon die Tischsitten. Na, jedenfalls zeigte mir mein Bekannter eine seitenlange E-Mail, die er dieser Frau in Kürze zu senden gedachte. Der Text war eine Lobpreisung, nicht schwülstig, durchaus elegant, in Form und Ausdruck größter Bewunderung, überschäumend mit Komplimenten. Und zu all dem war es wieder da - dieses Lächeln. Diesmal wirkte es aber nicht mehr ganz so grenzdebil, diesmal ging es schon einen Schritt weiter. Ich für meinen Teil wollte dem jungen Glück nicht im Wege stehen und ermunterte meinen Bekannten, sein Mail nur ja sofort zu versenden. Auch weil ich auf die erwähnte Spontanität dieser Frau gespannt war. Was mochte sie ihm wohl antworten? Was würde dieses Zauberwesen wohl zu formulieren imstande sein? Und vor allem: Würde mein Kumpel endlich mal Glück bei den Weibern haben? Doch eine Frage stand über allen: Würde sie überhaupt antworten? Es waren bange Momente, die nun nach dem Absenden vergingen. Wir blickten einander abwechselnd an, er mich mit seinem Lächeln, ich ihn mit meinen Zweifeln.
Dann war der Moment gekommen: Mein Bekannter zündete sich eine Zigarette an (sorry für diesen dramatischen Einschub, aber ich möchte mir die Pointe noch etwas aufsparen). Er rauchte schnell, fast hastig. Und dann ... dann ... steckte er sich eine zweite Zigarette an. Jetzt aber war der Moment wirklich gekommen, sein Handy fiepte melodisch und voller banger Vorfreude blickte er auf die Textnachricht. Es war ganz so, wie mein Bekannter es mir beschrieb. Diese Frau hatte Wissen, sie war spontan und ungewöhnlich, von rätselhafter Mitteilsamkeit und einer wunderbar eigenwilligen Eleganz.
Auf jeden Fall hielt sie sich nicht mit langen Worten auf und kam gleich zur Sache. Sie antwortete: "David Bowie hat heute Geburtstag!" Mein Bekannter und ich sahen einander an, er mich mit seinen Zweifeln, ich ihn mit meinem Lächeln.