Verheerenden Angriff überlebt

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Für Jubilar Willi Scheibel (links) und seinen Sohn Hermann (rechts) ist die Betreuung und Hilfe durch Michael Detterbeck ein Glücksfall. Foto: Werner Reißaus
Für Jubilar Willi Scheibel (links) und seinen Sohn Hermann (rechts) ist die Betreuung und Hilfe durch Michael Detterbeck ein Glücksfall. Foto: Werner Reißaus

Vor 75 Jahren, einen Tag vor seinem 15. Geburtstag, hatte Willi Scheibel einen verheerenden Fliegerangriff zwischen Kauernburg und der Forstlasmühle erlebt. Jetzt konnte der gebürtige Breslauer seinen...

Vor 75 Jahren, einen Tag vor seinem 15. Geburtstag, hatte Willi Scheibel einen verheerenden Fliegerangriff zwischen Kauernburg und der Forstlasmühle erlebt. Jetzt konnte der gebürtige Breslauer seinen 90. Geburtstag feiern.

Dass er im nahen Kauerndorf mit seiner späteren Familie einmal sesshaft werden würde, konnte er damals freilich noch nicht ahnen. Der Flüchtlingstreck war von vier amerikanischen Jagdbombern angegriffen worden, fünf Menschen verloren ihr Leben, drei weitere wurden schwer verletzt.

Dem Jubilar war es wichtig, auch in Zeiten der Corona-Krise und gerade wegen der schrecklichen Erlebnisse während des Krieges seinen 90. Geburtstag im kleinen Kreis zu feiern. Und zwei Personen waren ihm dabei besonders wichtig: Bürgermeister Stephan Heckel-Michel und Michael Detterbeck, der im Hause Scheibel das "Mädchen für alles" ist.

Heckel-Michel würdigte denJubilar im gebotenen Abstand als einen Mann, der sich in Kauerndorf im starken Maße in die Dorfgemeinschaft eingebracht habe. "Unser Willi Scheibel ist wirklich eine treue Seele."

Scheibel überlebte den Angriff der amerikanischen Jagdbomber mit durchschossenen Oberschenkeln. Bereits in den Märztagen 1945 war der Flüchtlingstreck aus Niederschlesien kommend durch Kulmbach gezogen und hatte sogar einen Tag davor in Kauerndorf übernachtet. Danach ging es weiter in Richtung Lichtenfels, in einer Gärtnerei in Strössendorf fanden die Flüchtlinge die nächste Bleibe. Nachdem die Front näher rückte, beschloss man kurzerhand, sich auf den Weg nach Sachsen zu machen, weil dort weitere Flüchtlinge aus dem niederschlesischen Heimatdorf eine Aufnahme gefunden hatten.

Am 9. April 1945 setzte sich der Flüchtlingstreck mit fünf Wagen, die von Pferden und Ochsen gezogen wurden, in Bewegung. Einen Tag später gegen Mittag fand der Zug ein jähes Ende. "Zwischen Kauernburg und der Forstlasmühle tauchten im Westen plötzlich vier amerikanische Tiefflieger auf, die unseren Treck sofort unter Beschuss nahmen." Die Geschosse aus den Bordkanonen hätten gnadenlos Mensch und Tier zerfetzt. Ein Bild wird Willi Scheibel nie vergessen: Er musste mit ansehen, wie sein Vater qualvoll starb. Noch einige Jahre danach waren Erdhügel in den Gräben links und rechts der Straße zu sehen, wo man die erschossenen Zugtiere notdürftig verscharrt hatte. Und noch bis zum Bau der Nordumgehung waren die Einschläge der Geschosse zu sehen.

Willi Scheibel und seine Mutter fanden in Kauerndorf eine neue Heimat. Er absolvierte eine Zimmererlehre und war später über 30 Jahre in der Mönchshof-Brauerei beschäftigt. 1960, im Geburtsjahr von Sohn Hermann, baute sich der Jubilar am Langacker in Kauerndorf ein Eigenheim, in dem er heute noch wohnt.

Die Glückwünsche des Männergesangvereins "Fidelia" Kauerndorf überbrachten ihrem Ehrenmitglied Vorsitzender Stefan Pietruska und dessen Stellvertreter Reinhold Dippold. Willi Scheibel war über viele Jahre aktiver Sänger bei der "Fidelia". Werner Reißaus