Noch vor dem Start und seit dem Ausbruch von Covid 19 scheint der heuer neu gegründete Circus Corona vom Pech verfolgt. Nach einigen Stationen bremst nun der TÜV die Artistenfamilie aus.
Anette Schreiber Im bunten Stallzelt auf dem Festplatz mampfen Pferd, Ponys und Ziegen ihr Stroh. Die Geräuschkulisse vom benachbarten Kinderspielplatz zeugt von munterem Treiben. Und obwohl Luciano auf dem Trampolin nach Belieben Salti vorwärts oder rückwärts springt, ist die Stimmung nicht gut. "Sonst sind wir immer unterwegs, immer woanders." Aber im Moment sieht es nicht so aus, also ob der neu gegründete Familien-Zirkus Corona irgendwohin ziehen würde. Der Anhänger mit der Haut des zusammengelegten Zirkuszeltes steht dröge herum. Daneben Zirkusdirektor Sergio Schmidt. "Das darf doch alles nicht wahr sein", murmelt er düster vor sich hin. Einige Wochen war die Familie unterwegs und jetzt ist sie erneut ausgebremst. Diesmal - noch nicht - von den Corona-Auflagen, sondern durch die fehlende TÜV-Genehmigung.
Doch der Reihe nach. Wie mehrfach berichtet, erfüllte sich die fünfköpfige Artisten-Familie Schmidt mit der intensiv vorbereiteten Gründung des eigenen Zirkusses namens Corona einen langgehegten Wunsch. Dafür wurde auch bei Familie und Kollegen Geld zusammengelegt. Und man wollte es nach und nach dank der Einnahmen zurückgeben. Erste Station überhaupt war im März Oberhaid. Doch noch vor der Premiere kam das Aufführungsverbot als eine der Maßnahmen im Lockdown. Die Familie harrte aus, die Gemeinde Oberhaid startete eine Hilfsaktion. Die Schmidts konnten durchhalten und dann zu der zweiten Station ihrer Tour aufbrechen. Nach Lisberg. Das Auftrittsverbot war aufgehoben, die Zahl der Sitzplätze jedoch stark begrenzt: Im rund 350 Gäste fassenden Zelt durften nur knapp 100 Personen Platz nehmen und Schmidts endlich zeigen, was sie drauf haben. Es gab überaus positives Feedback, gibt Lisbergs Bürgermeister Michael Bergrab wieder, der terminbedingt nicht kommen konnte und dies nun doch sehr bedauert. Nach den Vorstellungen in Lisberg ging es zurück nach Oberhaid, wo man die Dankesvorstellungen gab. Aber wegen der großen Hitze waren kaum Zuschauer gekommen, lässt Sergio Schmidt mit Bedauern wissen.
Aus allen Wolken gefallen
Dann ging es weiter nach Ebelsbach und im Anschluss nach Haßfurt. Und da war dann in der zweiten Septemberwoche auch schon wieder Ende der Vorstellung. Das Bauamt teilte mit, dass man so nicht weiterspielen durfte, sagt Schmidt. Der aus allen Wolken gefallen war und sich auf den Experten verlassen hatte, den ihm Kollegen fürs Zelt empfohlen hatten.
Jedes neue (Zirkus-)Zelt braucht demnach ein sogenanntes Zirkusbuch. In diesem sind alle Details dazu aufgeführt, etwa auch die Statik. Und alle zwei Jahre muss das Zelt vom TÜV abgenommen werden, "ähnlich wie ein Auto", so Schmidt. Der Zeltexperte hätte ihnen ein Schreiben gegeben, mit dem sie sich ausreichend ausgestattet gefühlt hätten. Es hat aber nicht gereicht, weil eben der TÜV-Stempel fehlte, wie sie vom Haßfurter Bauamt erfahren haben. Also fragten sie nach. Der Zeltexperte arbeitet mit dem TÜV in Thüringen zusammen, der die Zeichnungen im Zeltbuch prüfen muss. Erst danach wird das aufgebaute Zelt geprüft, hat Schmidt in der Zwischenzeit recherchiert.
Sogar an der See tauglich
Eigentlich hat er beim Konzipieren seines Zeltes Wert darauf gelegt, dass alles noch stabiler und sicherer ausgelegt ist als vorgeschrieben. Der Zeltexperte habe ihm deswegen versichert, er könne das Zelt sogar an der See aufstellen. Das wollen Schmidts gar nicht. Ihnen wäre schon gedient gewesen, wenn sie wie geplant nach Pommersfelden, Mühlhausen und Hemhofen gekonnt hätten. Aber nach dem Aus in Haßfurt fragten sie bei der Gemeinde Lisberg nach, ob sie nicht wenigstens auf dem dortigen Platz bleiben können, bis die TÜV-Sache geregelt ist.
Bürgermeister Bergrab hilft der kleinen Zirkusfamilie gern und wo es geht. Das fängt damit an, dass keine Platzmiete anfällt und auch für das bisschen Wasser und Strom nichts verlangt wird. Bergrab geht noch einen Schritt weiter. Es besteht Gelegenheit, die Familie finanziell über ein Gemeindekonto (Gemeinde Lisberg, Sparkasse Bamberg: IBAN: DE47 7705 0000 0000 1007 84, Stichwort Hilfe Zirkus Corona) zu unterstützen.
Schmidts hatten fast alle Schulden abgetragen und wollten anfangen, für die Zeit vorzubauen, in der sie nichts verdienen, das ist im Herbst, wenn es kühl wird. Für Weihnachten sind sie in Herzogenaurach gebucht. Und dafür wird nun trainiert. "Die Kinder haben schon Angst, dass sie alles, was sie einstudiert haben, wieder verlernen." Und so sieht man auf dem Spielplatz unterhalb der Burg so allerhand Akrobatik, die hier normalerweise nicht zu sehen ist.
Fein säuberlich zusammengelegt ruhen die Zeltbahnen auf dem Anhänger am Festplatzrand. Normalerweise wird es in der Saison regelmäßig auf- und abgebaut. Jeweils einen Tag sind Sergio Schmidt und seine kleine Familie damit beschäftigt, dafür rund vier Tonnen Gewicht zu bewegen. Dennoch sehnen sie sich danach. Die TÜV-Genehmigung ist nur noch eine Frage der Zeit - leider hat sich ausgerechnet die Sachbearbeiterin noch ein Bein gebrochen. Passt zu all den Widrigkeiten in diesem Jahr. Jetzt hat die Zirkusfamilie aber noch Angst davor, dass die steigenden Infektionszahlen wieder zu so großen Einschränkungen führen, die auch die Weihnachtaufführungen gefährden. "Ich bin langsam am Durchdrehen."
Kontakt
Wer der Zirkus-Familie direkt helfen möchte, erfährt unter Handy 0170/490 93 61, was am nötigsten gebraucht wird.
Wie die Nachfrage beim Landratsamt Bamberg ergeben hat, handelt es sich bei Zelten wie dem Zirkuszelt um einen sogenannten "fliegenden Bau". Eine Woche, bevor so ein Zelt aufgestellt wird, muss es dem Bauamt mitgeteilt werden, damit dieses eine Abnahme vornehmen kann, so Pressesprecher Frank Förtsch. Die Abnahme wird durch einen Stempel im Zeltbuch vorgenommen.