Schein und Sein am Domberg

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... und die Scheinarchitektur der nach diesem Vorbild gestalteten Front zum Rosengarten Fotos: Ronald Rinklef
... und die Scheinarchitektur der nach diesem Vorbild gestalteten Front zum Rosengarten  Fotos: Ronald Rinklef
Die tatsächlich dreidimensionale Gestaltung der Hauptfront der Neuen Residenzzum Domplatz hin ...
Die tatsächlich dreidimensionale Gestaltung der Hauptfront der Neuen Residenzzum Domplatz hin ...
 

Während die Hauptfassaden der Neuen Residenz mit allen Profilen, Gesimsen und Rahmen tatsächlich dreidimensional sind, handelt es sich bei den neu verputzten Fronten zum Rosengarten hin nur um Scheinarchitektur.

Es war eine große Überraschung, als im Sommer die ersten Gerüste und Planen beseitigt wurden und der Blick aus dem Lesesaal der Staatsbibliothek in der Neuen Residenz auf den Hof mit dem Rosengarten die Fassaden sehr verändert wiederfand.

Bisher sah man die drei Rückseiten nur einfach verputzt, mit wenigen Gesimsen und Fenstergliederungen. Nun sind plötzlich gemalte bauliche Strukturen zu sehen, die - wenn auch nur zum Schein - deutlich dreidimensional sind. Sie entsprechen genau den vertrauten Gliederungen der Hauptfassaden am Domplatz, mit allen Profilen, Gesimsen, Rahmungen und Verdachungen etc. Und man erkennt auch deutlich das Spiel der Schatten an der Wand. Eine Täuschung des Auges also? Nur der lange Hauptflügel der Neuen Residenz hatte bisher schon an seiner Stadtseite eine gemalte Architektur besessen, die die Gliederungen der Hauptfront zum Domplatz nur linear projizierte.

Schon vor Jahrzehnten hörte ich von einem zuständigen Referenten des Landbauamtes Bamberg, dass man an der Hofseite des Gebsattelbaues der Residenz von 1607 Reste einer Architekturmalerei gefunden habe. Eine Entscheidung hierüber zog sich dann lange hin, die Sache schien vergessen. Nun aber, nach langer Zeit, wird der alte Befund ausgewertet und hat zu neuer Gestaltung geführt.

Sachverständige Restauratoren wurden herbeigezogen, eine hoch qualifizierte Kirchenmalerwerkstatt aus Bad Endorf wurde beschäftigt. Über ein Jahr sah man dann zwei Fensterbahnen mit Musterfassungen in zwei Farbabstufungen als Probe zur Begutachtung.

Man rekonstruiert also nach einem kleinen, aber sicheren Befund, wohl einer aktuellen Neigung zu Rekonstruktionen folgend. Gegenwärtig ist die Ausführung noch in Arbeit. Festzuhalten ist freilich, dass hier bauliche Strukturen aus der Zeit um 1700, also aus der Schönbornzeit, auf alle Hoffassaden übertragen werden, also auch auf solche, die rund hundert Jahre älter sind. Das Ergebnis ist sehr eindrucksvoll.

Anfangs mag mancher Betrachter der Täuschung erliegen. Die Hauptblickachse liegt etwa in der Mittellinie des Rosengartens. Zusätzlich erzeugt wurde ein ringsum gemalter Schattenwurf, der aber dem jeweils realen Stand der Sonne, so sie scheint, nicht folgen kann, da er konsequent nach rechts ausgerichtet ist. Die gemalten Schatten werden also bisweilen vom realen Schattenwurf anderer Gebäudeteile überspielt, was aber meist kaum wahrgenommen wird.

Die vermeintliche Kuppel

Gemalte Scheinarchitektur ist in Bamberg nicht unbekannt. Alle Besucher der jetzigen Pfarrkirche St. Martin z. B. kennen den verblüffenden Blick in die vermeintliche Kuppel in der Vierung, 1716 von Giovanni Francesco Marchini gemalt. Der gleiche Effekt findet sich, leider nur den Bewohnern sichtbar, auch im grandiosen Treppenhaus des Marschall-von-Ostheim-Palais in der Karolinenstraße 18.

Das meiste Staunen erregen schließlich die Malereien an den Längsfronten des Alten Rathauses, 1755 von Johann Anwander gemalt und mehrfach erneuert. Sie sind mit reicher Symbolik einem Herrschaftswechsel der Fürstbischöfe von 1753 gewidmet. Die Illusion einer festlichen Architektur, mit kolossalen Säulen, Nischen, Figuren und allegorischen Szenen entfaltet sich in zwei Tiefenschichten. Die gemalte Perspektive aber ist nur über den Blick in der Mittelachse wirksam, wie es der auch in Bamberg geschätzte Tilmann Breuer in seinem so verdienstvollen denkmalpflegerischen Inventarband vor Jahren dargelegt hat. Das Ganze wird zusätzlich durch gemalte Schatten belebt, die der menschlichen Sichtweise folgend von links nach rechts fallen, so auch an der Westseite, dem dort möglichen Sonnenstand aber widersprechend.

Doch es gibt auch neuere Beispiele für die Kunst der gemalten Scheinarchitektur. Wer weiß heute noch, dass die beiden Nachkriegsbauten Obstmarkt/Ecke Grüner Markt mit ihrer ungegliederten Kubatur von dem Bamberger Maler Anton Greiner mit einer sehr abstrahierenden Darstellung dekoriert wurden, eine viel zu wenig gewürdigte künstlerische Leistung in Ergänzung zum historischen Stadtbild.

Die Architekturmalerei ist also Teil einer traditionsreichen Gattung in Bamberg. Wenn man sich im kommenden Sommer im Rosengarten ergeht, kann man sich künftig sicher festlicher gestimmt fühlen.