1919 haben Schüler erstmals das Recht erhalten, über Schulereignisse mitzubestimmen. Dabei war die Jugend in der damaligen Zeit nicht hoch angesehen und es gab zahlreiche Beschwerden.
Der Kultusminister und spätere bayerische Ministerpräsident Johannes Hoffmann (1867-1930) hat vor 100 Jahren nicht nur die geistliche Schulaufsicht in den Volksschulen beendet, sondern auch versucht, an den Universitäten und den Höheren Schulen Mitwirkungsrechte für Studenten und für Schüler und Eltern einzuführen. Es war der erste Versuch zur Demokratisierung der Schulen in Bayern, scheiterte aber schon 1920, als sein Nachfolger Gustav von Kahr (1862-1934) mit der Auflösung der Arbeiter- und Soldatenräte diese Ansätze wieder zunichte machte.
Johannes Hoffmann, der selbst Volksschullehrer war, rief am 1. Dezember 1918 mit einer Bekanntmachung dazu auf, in den Höheren Schulen Schülerausschüsse einzurichten. Sie sollten das Recht haben, "wohlbegründete Bitten, Wünsche und Beschwerden im Namen einzelner Schüler oder der Gesamtheit beim Anstaltsvorstand vorzubringen, bei der Vorbereitung von Schulfesten oder Wanderungen mitzuwirken und Schülervereinigungen zur Pflege der körperlichen und geistigen Ausbildung zu gründen."
Das Forchheimer Progymnasium ging damals nur bis zur sechsten Klasse, nach heutiger Zählung also der zehnten Jahrgangsstufe. Danach musste man die Oberstufe und das Abitur an einem Gymnasium absolvieren.
In Forchheim konstituierte sich erstmals ein Schülerausschuss am 11. Januar 1919 "nach wiederholt stattgefundener Versammlung der Schüler der 5. und 6. Klasse" - und zwar "in geheimer Wahl" und "nach Belehrung durch den Anstaltsvorstand". Vorsitzender des Schulausschusses wurde Otto Endres, 16 Jahre alt und Sohn eines Forstwirts in Forchheim. Er, sein Stellvertreter und der Schriftführer kamen alle aus der Abschlussklasse, die der Rektor Franz Joseph Wittig selbst als Klassleiter führte.
Die Einrichtung des Schülerausschusses im Januar 1919 war für Forchheim revolutionär, denn auf die Jugend war man gar nicht gut zu sprechen. Ein halbes Jahr zuvor hatte Bürgermeister August Reinhard die Rektoren, die geistlichen Schulinspektoren und Lehrkräfte zusammengerufen und über die "Verwilderung der Jugend" und ihr "freches, aufdringliches Benehmen" geklagt.
Die Liste der Beschwerden war lang: "reihenweises Auf- und Abplanieren der Jugend namentlich in der Hauptstraße vor den militärischen Unterkunftsgebäuden und am Bahnhof, das Herumstreunen der Schuljugend in später Abendstunde, der Unfug des Rauchens seitens der Schüler, der rohe Ton mache sich geltend in den frechen Reden und anstößigsten Liedern, die ungeniert und öffentlich vorgetragen werden und in der Missachtung polizeilicher Vorschriften; Anlagen und Gärten fänden keinen Schutz vor Beschädigung; ungeniert reiße man die Rosen ab, werfe überall Düten [!] voll Kirschkerne auf die Trottoirs, Papier auf die Straßen und Anlagen, benütze dieselben als öffentl. Bedürfnißanstalten. ... Dagegen müsse eingeschritten werden im Interesse der öffentlichen Zucht und Ordnung, der Erziehung und des Schutzes der Jugend." Der Bürgermeister forderte auf, "derartige Vergehen schonungslos" bei der Polizei anzuzeigen und in den Schulen "auf die Einhaltung von Zucht und Sitte" anzumahnen.
Forderungen der Schüler
Ob zu den hier kritisierten Jugendlichen auch Schüler des Progymnasiums gehörten, geht aus dem Versammlungsbericht nicht hervor. Immerhin nahm an der Versammlung auch Franz-Joseph Wittig als Anstaltsleiter zusammen mit einem Kollegen teil. Und jetzt sollten Jugendliche über einen Schülerausschuss an seinem Progymnasium Mitwirkungsrechte erhalten?