Ohne die Gemeinden geht's nicht

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Bildung  Auf dem Bayerischen Gemeindetag wurde heuer die Ausweitung des Angebots an Ganztagsschulen beschlossen. Der Landkreis ist bislang bereits gut aufgestellt, findet Rupert Kestler vom Schulamt. Mit die größte Last jedoch tragen die Gemeinden.

von unserem Redaktionsmitglied Anja Greiner

Kreis — Hinterm Klassenzimmer geht's weiter. Die Schüler der gebundenen Ganztagsklasse haben einen extra Raum. Zur "Differenzierung", wie es Birgit Gräb, Konrektorin der Volksschule Oberthulba, nennt. Was der etwas sperrige Fachbegriff meint, ist eine Art individuelle Lernzeit. Etwa um neu eingeführten Lernstoff in einer kleineren Gruppe zu üben und so einzelne Kinder besser fördern zu können.
"Ich kann Defizite viel schneller erkennen und ich bekomme sofort eine Rückmeldung", sagt Gräb. Möglich ist das nur, weil den Lehrkräften der Ganztagsklassen Erzieherinnen zur Seite stehen, meist auf 400 Euro-Basis, angestellt vom Träger, die eine Aufteilung der Klasse überhaupt ermöglichen.


Bessere Noten im Ganztag?

Der größte Vorteil der Ganztagsbetreuung besteht für Rupert Kestler, stellvertretender Schulamtsdirektor, in der Zeit: Mehr Stunden an der Schule eröffnen auch Möglichkeiten, um flexibler zu lernen. "Man kann besser auf die einzelnen Schüler eingehen." Außerdem werde der Lernraum durch die Freizeitgestaltung auch zum Sozialraum.
Die Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG) hat über einen Zeitraum von sechs Jahren über 300 Ganztagsschulen untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass die Teilnahme an Ganztagsangeboten positive Auswirkungen auf das Sozialverhalten der Jugendlichen und das häusliche Familienklima hat. Der Haussegen hängt also zumindest nicht mehr wegen der Mathehausaufgaben schief.


Ganztag ist nicht für jeden was

Zum Teil, so die Studie weiter, würden sich, bei ausreichend hoher pädagogischer Qualität der Angebote, auch die Schulnoten verbessern.
Im Landkreis bieten 30 der insgesamt 42 Schulen mindestens eine Form Nachmittagsbetreuung an. Von den insgesamt 3100 Grundschülern im Kreis bleiben 349 auch Nachmittags in der Schule. Bei den Mittelschulen sind es 259 Schüler, bei einer Gesamtzahl von 1800.
Nicht jeder Schüler, sagt Gräb, sei für eine Ganztagsbetreuung geeignet. Manche bräuchten einfach mehr Ruhe, ein ganzer Tag wäre für sie zu anstrengend. Darum findet Gräb, dass das gesetzlich verankerte Wahlrecht der Eltern zwischen Halbtagsschule und Ganztagsangeboten auch weiterhin bestehen bleiben muss. Grundsätzlich gilt, wenn eine Schule sich für eine Ganztagsbetreuung entscheidet, darf dadurch keine zusätzliche Klasse entstehen. Gibt es also beispielsweise drei erste Klassen und es soll eine Ganztagsklasse eingerichtet werden, müssen sich auch genug Schüler finden, um eine komplette Klasse bilden zu können. Für manche Schulen, sagt Kestler, ist das eine Herausforderung.


Ein zäher Beginn

Als Hubert Voll 1996, an der Johannes-Petri-Volksschule in Elfertshausen als Rektor angefangen hat, hatte er bereits über eine Mittagsbetreuung nachgedacht. "Ganze vier Interessierte hatten sich gemeldet." Das Projekt war gestorben. Heute, knapp 20 Jahre später, sind an der Volksschule 78 Schüler im Ganztag untergebracht.
Wenn auch mit einem organisatorischen Kniff: Um auf die nötige Schülerzahl für eine gebundene Ganztagsklasse in der Grundschule zu kommen, und gleichzeitig noch eine Regelklasse anbieten zu können, mussten jeweils die zwei Jahrgangsstufen zusammengelegt werden. Organisatorisch aufwendig, aber, davon ist Voll überzeugt, der Aufwand lohne sich. "Wir halten für die Eltern die Möglichkeit vor, Berufsleben und Kinder unter einen Hut zu bringen."


Herausforderung für Gemeinden

Das sieht auch die Politik so. Auf dem Bayerischen Gemeindetag wurde heuer die Ausweitung des Betreuungsangebots beschlossen. Mehr Bildungsgerechtigkeit sei das Ziel, sagte Gemeindetagspräsident Uwe Brandl. "Für eine familienfreundliche Kommune ist es wichtig, den Eltern eine passgenaue Lösung für die Bildung und Betreuung ihrer Kinder vor Ort anbieten zu können." Und dann in einem Nachsatz: "Für die Gemeinden stellt dies eine gewaltige finanzielle, personelle und organisatorische Herausforderung dar."
Drei Euro müssen die Eltern für das Mittagessen bezahlen, alle anderen Kosten übernimmt der Träger der Schule - in den meisten Fällen also die Gemeinde. So auch in Oberthulba.
"Im vergangenen Haushaltsjahr lagen die Ausgaben für alle drei Ganztagsangebote bei rund 129 000 Euro", sagt Verwaltungsschefin Nicole Wehner. Abzüglich der staatlichen Förderung in Höhe von 68 500 Euro musste der Markt Oberthulba demnach 60 500 Euro selber tragen. Dazu kommen Ausgaben für die Mittagsverpflegung in Höhe von 55 000 Euro, denen Einnahmen lediglich in Höhe von 38 000 Euro gegenüberstehen. Man wolle allen Bedürfnissen der Eltern und Schüler gerecht werden.


Bedarf lässt Platz nach oben

Dass es, wie in den skandinavischen Ländern bereits üblich, nur noch Ganztagsschulen geben wird, das glaubt Rupert Kestler nicht. Der Bedarf sei dafür mittelfristig noch nicht hoch genug. Und dann ist da noch die Uhrzeit. "Unser Schulbeginn ist zum Teil um 7.45 Uhr. In den skandinavischen Ländern fangen sie nicht vor neun Uhr an."