Nordhalben — Binnen weniger Tage wurde zu Jahresanfang 1990 aus dem undurchdringlichen Grenzzaun um das im DDR-Sperrgebiet liegende Titschendorf ein vielfach genutzter Fußgängerübe...
Nordhalben — Binnen weniger Tage wurde zu Jahresanfang 1990 aus dem undurchdringlichen Grenzzaun um das im DDR-Sperrgebiet liegende Titschendorf ein vielfach genutzter Fußgängerüberweg zwischen Nordhalben und seiner Thüringer Nachbargemeinde. Mit einem Jubiläumstreffen erinnerten sich nun die damaligen Mitstreiter um die Öffnung an die spektakulären Vorgänge.
Am 7. Januar 1990 fand zunächst ein erstes freundschaftliches Treffen von Wanderorganisationen am nur kurz aufgesperrten Grenztor von Titschendorf statt, wohin sich Nordhalbener und Lobensteiner Bürger mit den Ortsansässigen mit Sondergenehmigung der DDR-Obrigkeiten verabredet hatten. Daraus wurde jedoch binnen weniger Tage eine "Abstimmung mit Füßen" mit weitreichenden Folgen.
Politische Demonstration Bereits vier Tage später traf man sich wieder am Metallzaun unmittelbar am südwestlichen Ortsrand von Titschendorf, diesmal mit einer eindrucksvollen politischen Demonstration. Von beiden Seiten waren in einer gespenstischen Nebelszenerie Fackelzüge gekommen, die lautstark "Macht das Tor auf" forderten. Die verunsicherten DDR-Grenzorgane zögerten nicht lang und zückten den Schlüssel. Die Teilnehmer aus "West" und "Ost" schlossen sich in die Arme und machten sich dann auf ins Dorfwirtshaus. Dabei blieb es jedoch nicht. Gemeinsam wurde eine Petition verfasst, die die umgehende Öffnung des Übergangs forderte, der die beiden Orte ohne lange Umwege verband. Schon am 13. Januar war es dann soweit.
Was bis dahin nur den Sicherungskräften vorbehalten war, war auf einmal auch den zivilen Bürgern aus den noch beiden deutschen Staaten möglich - unbehelligt Zaun und Todesstreifen zu durchschreiten. Bis Mai wurden die Fußgänger amtlich kontrolliert, dann fiel auch das weg. Später wurde die Verbindung - eine einstige Kreisstraße - wieder für Kraftfahrzeuge freigegeben. Heute ist dieser Weg hauptsächlich nur noch ein beliebter forstwirtschaftlicher Waldwanderweg.
Fester Termin Seither ist die Winterwanderung der Nordhalbener Ortsgruppe des Frankenwaldvereins (FWV), die damals von westlicher Seite der Initiator war, zum Jahresbeginn nach Titschendorf ein fester Termin. Und auch die Kollegen vom heutigen Titschendorfer Heimatverein "Zwei Tannen" sind dann zur Stelle. So auch am vergangenen Sonntag, als die 25. "Grenzwanderung" gefeiert werden konnte.
An der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze, wo der schmale Titschenbach heute nur noch das Fränkische vom Thüringischen scheidet, wurden die Nordhalbener von den Nachbarn abgeholt und begrüßt. Anschließend riefen dann in der Gaststätte "Echo" die Vertreter der beiden Vereine das damalige Geschehen in Erinnerung. Titschendorfs Ortsteilbürgermeister Manfred Rank blickte dankend zurück auf die starke Unterstützung Nordhalbener Stellen und Unternehmer, aber auch auf die politischen Schwierigkeiten, die vor allem mit der damaligen Kreisverwaltung von Lobenstein bestanden.
Eine kleine Dokumentation aus Zeitungsberichten jener Tage hatte Michael Wolf, Obmann der FWV-Ortsgruppe, mitgebracht.
Bis heute verbinden den Bundeswehr-Offizier besondere Gefühle mit jedem "Grenzübertritt", aber in Titschendorf fühlt er sich mit seinen Mitgliedern immer gut aufgenommen, bekannte er den interessierten Zuhörern.
Schießbefehl Auch der stellvertretende FWV-Hauptvereinsvorsitzende, Josef Daum, hat lebhafte Erinnerungen an diese aufregenden Tage, die er als Geschäftsleitender Beamter im Rathaus von Nordhalben mitgestalten konnte. "Es war ein großes Glück, dass damals alle ruhig und besonnen reagiert haben", schilderte er die keineswegs unkritische Situation am vorher mit Schießbefehl gesicherten Grenzzaun. Auch nach 25 Jahren gab es beim anschließenden gemütlichen Beisammensein noch viel aus den denkwürdigen Tagen der Wiedervereinigung zu erzählen, die auch ein weiteres Kapitel in der ereignisreichen Nordhalbener und Titschendorfer Grenzgeschichte schrieb. nn