Begeisterung im halbvollen Saal: Der Klaviervirtuose Georgy Tchaidze spielte in Lichtenfels Robert Schumanns Grande Sonate.
Dafür, dass es nur vergleichsweise selten aufgeführt wird, wurde aber doch schon einiges dazu geäußert. Von "zu vielen Noten" oder "virtuoser Überladung" war dann und wann die Rede, kam die Sprache auf Robert Schumanns Grande Sonate. Eben jenem Schumann war am Sonntagnachmittag in der Reihe Weltklassik Georgy Tchaidze besonders zugetan. Der St. Petersburger zog dabei das Publikum in der ehemaligen Synagoge in einen Sog Schumann'scher Aufwühlungen.
Kurios. Während Tchaidze (30) am Piano saß, fielen Sonnenstrahlen durch die Fenster. Kurz vorher dürfte das Wetter noch dafür gesorgt haben, dass sich nicht so viele Besucher zum Ansteuern der Abendkasse entschlossen. Man kann nicht sagen, dass der Romantiker Schumann (1810 bis 1856) jedem bequem ist und dieses Werk schon gar nicht. Aber vom Auftakt an arbeitete der Russe beim Kopfsatz (Allegro) an einer sich nun im Zuhörer ausbreitenden Frage, wieso er etwas für faszinierend halten muss, was er nur schwer fassen kann.
Diese Kombination aus Notenschwall und Tempobeschleuniger beinhaltete so viele Sprunghaftigkeiten, so viele elegische Einsprengsel, so viele Abruptheiten, durch welche dann und wann ein Motiv durchschimmerte und doch wieder von einer neuerlichen Woge mitgerissen wurde. Schon damals, als Schumann diese Tondichtung 26-jährig vorstellte, warf sie auch Fragen auf.
Mit mitleidendem Gesicht
Das galt auch für Thaidze, bei dem man sich fragte, wie man das alles nur im Kopf behalten und ausformen könne. Doch der Mann, der bei mitleidendem Gesicht unter seinen Händen Ausdruck formt, ist auch nicht irgendwer. Stationen seines bisherigen Schaffens: Concertgebouw in Amsterdam, Carnegie Hall in New York. Dass er aus St. Petersburg stammt, nannte der in die Rolle des Conférenciers geschlüpfte Mitorganisator Roberto Bauer später auf der Bühne als Erklärung: "St. Petersburg ist die Schmiede von vielen Weltstars (der Klassik)."
Noch am Vortag hatte der mehrmalige Preisträger Tchaidze, der sich auch auf die Musik Schuberts, Mussorgskys und Prokofjew verlegt hat, im Berliner Konzerthaus gastiert. Zu den erstaunlichsten Leistungen des an Erstaunlichkeiten reichen Programms gehörte auch Tchaidzes Bewältigung des zweiten Satzes Vivacissimo, bei dem sich im Molltonbereich und hintergründig eine Melodie abzeichnete und zu nuancieren war.
Im vierten Satz war es hingegen die drängende Funktion des Basses, die beim Andantino de Clara Wieck begeisterte. Erschöpfung, Ermattung oder nachlassende Konzentration des Pianisten war nirgends zu erkennen. Dafür Bescheidenheit und leiser Humor.
Als Bauer den später von der Bühne gegangenen Mann beispielsweise für eine Zugabe zu sich rief, tat der überrascht und deutete bei fragender Miene mit dem Finger auf sich, und auf der Bühne sollte er Bauer gestisch kurz mal bedeuten, sich doch selbst mal ans Piano zu setzen. Mit Schumanns Carnaval Opus 9 setzte der Russe erneut eine Marke und schuf in aller Präzision und Frische 22 Charakterzeichnungen rund um den Karneval.