Wie in Forchheim gab es auch auf dem Land Massenquartiere: das größte in Poxdorf-Langensendelbach. Hier hatte auf dem Gelände des ehemaligen Flak- und Luftwaffen-Ersatzteillagers die Regierung von Ober- und Mittelfranken ein "Regierungsdurchgangslager" errichtet, in das 1946 Flüchtlingstransporte aus Ostpreußen, dem Sudetenland und Böhmen vorübergehend untergebracht wurden.
Aus Lager wird eine Gemeinde
Aus dem Provisorium entstanden bis 1948 durch den Einbau von Zwischenwänden und die Installation von Strom und Wasser Wohnungen für 367 Personen. Mithilfe der Joseph-Stiftung Bamberg begann 1950 der Siedlungsbau. Baracken stehen heute keine mehr. Aus dem Lager wurde 1951 die selbstständige Gemeinde Hagenau, die 1978 nach Baiersdorf eingemeindet wurde.
In der Fränkischen Schweiz gab es mehrere Flüchtlingslager. Mit zu den Größten zählte die sogenannte Polizeischule in Ebermannstadt. Bis 1950 wohnten in den beiden Lagerbaracken sowie im Steinbau behelfsmäßig bis zu 170 Flüchtlinge. Meistens teilten sich zwei Familien einen Raum. Da nur drei davon eine Kochgelegenheit hatten, wurde im Keller des Frontgebäudes eine Gemeinschaftsküche eingerichtet. Wie groß die Not war, zeigt das Verzeichnis der Stadt Ebermannstadt aus dem Jahre 1949 über ausgeliehenes Mobiliar. Es reicht von Strohsäcken über Bettgestelle, Tische, Stühle bis hin zu Herden und Öfen.
Über 600 Personen aufzunehmen
Besonders dramatisch entwickelte sich 1946 die Situation in Streitberg. Innerhalb eines halben Jahres musste der Ort über 600 Personen aufnehmen und hatte im Vergleich zu 1939 doppelt so viel Flüchtlinge wie Einheimische. Untergebracht wurden sie in Gasthöfen, Pensionen, Privathäusern und in fünf Holzbaracken der ehemaligen Luftschutzwarndiensthelferinnen-Schule (LSW-Schule), die 1943 unterhalb der Likörfabrik Hertlein errichtet worden war.
Der Tourismus kam vollständig zum Erliegen. Im Oktober 1948 befasste sich der bayerische Landtag mit der katastrophalen Situation und erklärte die Fränkische Schweiz zum Notstandsgebiet.
Sowohl für die Einheimischen als auch die Flüchtlinge bot die agrarische Provinz wenig Arbeitsmöglichkeiten. 1950 waren im Landkreis Forchheim 65,3 Prozent und im Landkreis Ebermannstadt sogar 79,1 Prozent der Berufstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt und das meist in kleinen Familienbetrieben.
Die Arbeitslosigkeit war bis in die fünfziger Jahre groß. Manche Heimatvertriebene versuchten deshalb, sich als Gewerbetreibende den Lebensunterhalt zu sichern. Die Liste ihrer behördlichen An- und Abmeldungen ist lang und führt Gewerbe auf wie Damen- und Herrenschneider, Flickschneider, Näherin, Strickerin, Friseur, Schreiner sowie Handel mit Textilwaren, Tabak, Obst, Gemüse und Lebensmitteln.
Erfinderisch boten manche der Existenzgründer aus der Not geborene Produkte an. So verwandelte zum Beispiel die Muggendorfer "Flüchtlingsfirma H. R. Kiffner" militärische Feldbetten "durch Hinzufügung einiger sinnreich erdachter Einzelteile zu einer geschmackvollen Bettcouch mit Rückenlehne und Armstützen" und das "zu einem konkurrenzlos billigen Preis" - wie 1949 die Zeitung berichtete.
Heimarbeit der Erwerbslosen
Schwieriger war es, für Ungelernte, auf dem Land Arbeit zu finden. Unmittelbar nach dem Krieg versuchte man, die Erwerbslosigkeit mit Heimarbeit zu begrenzen. Auf Dauer war das keine effektive Lösung, schon allein deswegen, weil entsprechend große Unternehmen fehlten und die Entlohnung allein zum Auskommen nicht reichte.
Nach der Währungsreform griff der Staat zusammen mit den Kommunen ein und schuf mit Notstandsprogrammen Arbeitsplätze. In der Fränkischen Schweiz bot sich dazu vor allem der Straßenbau an. Im Mai 1950 begann in Ebermannstadt der Ausbau des - wie Landrat Eberhard beim Spatenstich hervorhob - "jahrzehntelang geplanten" Wirtschaftsweges von Ebermannstadt über Eschlipp nach Drügendorf. Für 15 Monate bot das Projekt für "rund 120 Erwerbslose" eine Beschäftigung.
Umzug in die Stadt
Insgesamt jedoch zogen im Jahrzehnt zwischen 1950 und 1960 immer mehr Flüchtlinge vom Land der Arbeit nach in die Stadt. Während die beiden Landkreise Forchheim und Ebermannstadt 7042 Personen verloren, nahm die Stadt Forchheim um 3901 Personen zu. Hier gab es Arbeit nicht nur in den Industriebetrieben, die wie Spinnerei, Weberei, Folienfabrik und Ziegelei bereits vor dem Krieg da waren, sondern auch in drei neuen von Flüchtlingen gegründeten Betrieben: der Schokoladenfabrik Piasten (1948 Anton Hofmann aus Brieg bei Breslau), der Maschinenfabrik Lösch (1949 aus Dresden) und der Papierwarenfabrik Köhler aus Eger und Marienbad).
Die Arbeitsamtsnebenstelle Forchheim meldete Ende 1949 für ihren Amtsbezirk "mit 11 194 Arbeitern und Angestellten einen neuen Höchststand". Aber: "Trotz dieser günstigen Beschäftigungslage ist die Zahl der Arbeitslosen ständig im Anwachsen und von 1804 im September auf gegenwärtig 2220 gestiegen." Das sei nicht konjunkturell bedingt, sondern habe "strukturellen Charakter": 1050 von ihnen seien nämlich Flüchtlinge. Verstärkt werde diese Entwicklung durch arbeitssuchende Familienangehörige, weil der Lohn des Ernährers der Familie nicht ausreiche. Und - das war neu: "Unter den in Beschäftigung Stehenden ist jeder Dritte eine Frau." Und das bedeutete, dass nun auch in Gesellschaft und Politik den Frauen nach dem Krieg eine erheblich größere Rolle zuwuchs.
Kulturelles Leben
Was sich in den Nachkriegsjahren zusätzlich in Forchheim und dem Umland änderte, war das kulturelle Leben. Am deutlichsten zeigte sich das in der Fränkischen Schweiz. Unter dem von den Amerikanern eingesetzten kommissarischen Landrat Georg Mandt, einem umtriebigen Theatermanager, der selbst als Unterhaltungskünstler auftrat, entwickelte sich in Streitberg und Muggendorf ein musisch-schöngeistiger Zirkel. Federführend war der aus Berlin stammende Hans Georg Pfeffer. Er tourte mit seinem Ensemble, das sich "Pfifferlinge" nannte, durch ganz Oberfranken und bekam 1948 von Landrat Rudolf Eberhard den Auftrag zur Gründung eines "Kulturkreises" in Ebermannstadt. Er besteht heute noch, ist jetzt integriert in die Volkshochschule, verstand sich damals aber als ein der "hohen Kultur" verpflichteter Kreis, der selbst Konzerte, Opern- und Operettenabende durchführte und Fahrten zu den Orchestern in Nürnberg und Bamberg organisierte.
In Forchheim verlief die Entwicklung konträr. Im Juni 1947 meldete die örtliche Zeitung den Ausfall mehrerer Veranstaltungen, "weil sich keine Zuschauer einfanden". Offenbar, so der Kommentar, "lehnt sich hier ein gesundes Gefühl gegen die Überfütterung mit Vergnügungen auf. Das Überangebot an Kunstgenuss entwertet denselben".
Kulturgemeinde in der Kritik
Ende der vierziger Jahre geriet der durch die Stadt subventionierte Volksbildungsverein, der sich 1949 in Kulturgemeinde umbenannte, in die Kritik. Im Januar 1950 kam es im Stadtrat zu einer heftigen Auseinandersetzung über eine weitere Bezuschussung. Die SPD hielt dem Verein vor, er bediene mit gelehrten Vorträgen nur das konservative Bildungsbürgertum. Die Bildungsarbeit müsse auf "eine breitere Grundlage gestellt und durch Einbau von Kursen und Arbeitsgruppen nach der Art der Volkshochschulen intensiver gestaltet" werden.
Die Kontroverse zog sich über das gesamte erste Halbjahr 1950 hin und wurde auch öffentlich ausgetragen. Auf der einen Seite verteidigte Sebastian Meixner, Lehrer am Forchheimer Gymnasium und Zweiter Bürgermeister, die Kulturgemeinde, auf der anderen Seite warb der Rechtsanwalt E. Westhoff für die Gründung einer Volkshochschule, an der er aktiv in Nürnberg tätig war.
Schließlich wurde am 23. Oktober 1950 im Rathaus die Volkshochschule Forchheim gegründet. Fast zwei Jahre lang konkurrierten nun Kulturgemeinde und Volkshochschule, bis es nach "langwierigen Verhandlungen" am 26. November 1952 zur Auflösung der Kulturgemeinde und dem Übertritt zur Volkshochschule kam.