Mohammad ist wissbegierig

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Hinter dem Haus, in dem Mohammads Wohngruppe lebt, haben die Jugendlichen mit ihren Betreuern einen kleinen Garten angelegt. Gut für den jungen Mann, der gern kocht. Foto: Helke Renner
Hinter dem Haus, in dem Mohammads Wohngruppe lebt, haben die Jugendlichen mit ihren Betreuern einen kleinen Garten angelegt. Gut für den jungen Mann, der gern kocht.  Foto: Helke Renner

Im Quali hat der 18-jährige Syrer einen Durchschnitt von 1,9 erreicht, nun ist sein großes Ziel ein Studium.

Seine Familie, Eltern und Geschwister, hat Mohammad Nour Alsaadi seit fast zwei Jahren nicht gesehen. Zurzeit steht er nur übers Handy mit ihnen in Kontakt. Sie leben in der Türkei. Vor circa vier Jahren waren sie aus Aleppo, der hart umkämpften und stark zerstörten Stadt im Norden Syriens, in die Türkei geflüchtet. Zu Hause ging Mohammad Nour aufs Gymnasium - er war in der 9. Klasse, als er mit seiner Familie das Land verließ. In der neuen Heimat bekam der junge Mann die Chance, seine gymnasiale Ausbildung fortzusetzen, aber: "Meine Geschwister konnten keine Schule besuchen. Deshalb wollte ich mit ihnen nach Deutschland gehen", erzählt er. Doch das war nicht möglich, also ging er allein. Sein Ziel: Er wollte unbedingt das Abitur machen und studieren.


Ankunft im Jahr 2015

2015 kam er nach Deutschland, zunächst nach Passau, dann nach Coburg. Nach dem Aufenthalt in einer Notunterkunft konnte der damals noch minderjährige, unbegleitete Flüchtlingsjunge in eine Wohngruppe im Stadtgebiet umziehen. Dort lebt er seitdem mit fünf anderen Jugendlichen zusammen. Betreut werden sie durch Mitarbeiter der Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (gfi).
Eine von ihnen ist Elisabeth Niestroj. "Wir müssen nicht 24 Stunden vor Ort sein wie in anderen Einrichtungen. Die Jugendlichen hier sind schon selbstständig und brauchen keine Rund-um-die-Uhr-Beaufsichtigung", erzählt sie.
In Coburg angekommen, absolvierte Mohammad Nour erst einmal einen Deutschkurs am Beruflichen Fortbildungszentrum (bfz) - stets sein Ziel vor Augen. Er wollte wieder ans Gymnasium gehen und das Abitur machen. Schließlich kam er ans Alexandrinum. Dort schaffte er drei Monate in der 9. und zwei in der 10. Klasse. Doch dann wurde ihm klar, dass seine Deutschkenntnisse einfach nicht ausreichten, um den Stoff zu bewältigen. "Ich war enttäuscht, weil ich dachte, dass ich nun doch nicht studieren kann."
An dieser Stelle kam Elisabeth Niestroj ins Spiel. Weil sie als Sozialpädagogin an der Rückert-Mittelschule in einer Übergangsklasse tätig ist und dadurch gute Kontakte zu Lehrern und Schulleitung hat, brachte sie Mohammad Nour dort unter. Allerdings nicht in einer Übergangs-, sondern gleich in einer Regelklasse.
"Ich habe alles gut verstanden und hatte keine Probleme", sagt der inzwischen 18-Jährige und lächelt. Er ist zu Recht stolz, denn in diesem Jahr hat er an der Schule die Prüfungen zum Qualifizierenden Hauptschulabschluss mit einem Notendurchschnitt von 1,9 bestanden. Geprüft wurde er in den Fächern Deutsch als Zweitsprache, Mathematik, Projekt (ein soziales), Geschichte, Sozialkunde und Erdkunde. "Mohammad Nour hat ein realistisches und nüchternes Bild davon, wie Schule funktioniert. Er hat ernsthaft gelernt und deshalb einen so guten Abschluss geschafft", betont Elisabeth Niestroj.
Jetzt sind Ferien, eine kurze Zeit zum Verschnaufen. Mit Beginn des neuen Schuljahres wird Mohammad Nour eine Ausbildung an der Staatlichen Berufsschule für technische Assistenten für Informatik beginnen. Ende Juli hat er dort die Aufnahmeprüfung bestanden. Zwar gebe es noch ein wenig Hin-und-Her wegen eines Zeugnisnachweises aus der Türkei. Doch Elisabeth Niestroj ist zuversichtlich, dass die notwendigen Unterlagen rechtzeitig von der Zeugnisanerkennungsstelle zur Berufsschule kommen.
Zwei Jahre wird die Ausbildung in Lichtenfels dauern. Und dann? "Danach möchte ich gern noch studieren", antwortet Mohammad Nour. "Die Jungs leisten sehr viel in kurzer Zeit", sagt Elisabeth Niestroj anerkennend - auch mit Blick auf andere Jugendliche, die in verschiedenen Wohngruppen in Coburg leben. Für sie ist Mohammad Nour aber ein besonders gutes Beispiel, wie Integration gelingen kann. Und weil das Lernen allein für junge Leute nicht erfüllend ist, gibt es für sie in der Stadt eine Reihe von Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Mohammad Nour spielt Fußball bei der Sportvereinigung Wüstenahorn und leistet sich die Mitgliedschaft in einem preiswerten Fitness-Studio. In der Wohngruppe kocht er hin und wieder. Welche Träume hat der junge Mann außerdem? "Ich möchte wieder mit meiner Familie zusammen sein." Er würde sie gern nach Deutschland holen, aber auch wieder zurück nach Syrien gehen, wenn es dort keinen Krieg mehr gibt.