Der Bezirksheimatpfleger Günter Dippold gewährte in einem Vortrag einen tiefen Blick in die medizinischen Verhältnisse der Fränkischen Schweiz im 18. und 19. Jahrhundert.
Die medizinische Versorgung der Bürger ist in Bayern flächendeckend sehr gut. Das war nicht immer so und es könnte auch wieder schlechter werden. Der Bezirksheimatpfleger Günter Dippold gewährte in einem Vortrag einen tiefen Blick in die medizinischen Verhältnisse der Fränkischen Schweiz im 18. und 19. Jahrhundert.
Die Situation war stark geprägt von großer Armut in der Bevölkerung und vom Aberglauben, der oftmals als Ersatz für fehlende medizinische Kenntnisse herhalten musste. So glaubte man bis Anfang des 19. Jahrhunderts, dass vier Säfte das Wohlbefinden des Menschen steuern. Mit Aderlass, Brech- und Abführmittel oder durch heftiges Schwitzen wurde das Gleichgewicht der Säfte wiederhergestellt; der Mensch angeblich wieder gesund.
Der Bader war zuständig
Dafür zuständig war damals ein Bader, der nicht nur für die Körperpflege- und Gesundheit verantwortlich zeichnete, sondern auch für die Zahn- und Augenheilkunde. Nebenbei scherte er auch die Haare, um in möglichst vielen Berufen gleichzeitig etwas zu verdienen.
Die Umstellung auf heutige Verhältnisse dauerte sehr lange. Noch bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts gab es auf dem Land die Sitte, den Arzt mit Naturalien zu bezahlen. 200 Jahre früher konnte der Arzt mangels Arbeit theoretisch verhungern, weshalb viele Ärzte gleich gar nicht aufs Land wollten und entsprechende Bemühungen der Regierung von Oberfranken torpedierten. Wie im Falle des Heiligenstadter Arztes Philipp Zenner, der an die Regierung schrieb: "Der Grund dieser untertänigen Bitte ist der, dass ich mich hier nicht länger halten kann. Die furchtbare, alle Begriffe übersteigende Armut verhindert, dass sich die Leute trotz Keuchhusten oder Typhus einen Arztbesuch leisten können."
Weil es daher nur wenige Ärzte auf dem Land gab, kam es oft vor, dass ein Arztbesuch den ganzen Tag dauern konnte. Egloffsteiner oder Affalterthaler liefen meist nach Gräfenberg, wo es dank der Unterstützung durch die Stadt Nürnberg seit 1697 einen Arzt gab. Zwei Stunden dauerte die Anreise zu Fuß, weitere zwei die Behandlung, dann der Gang zum Apotheker zwecks der Medikamente, die jener meist erst herstellen musste, und danach lief der Patient wieder heim, wenn er konnte.
Revierkämpfe
Die ersten Ärzte in Ebermannstadt, Waischenfeld oder Hollfeld gab es erst im frühen 19. Jahrhundert. Mit den Ärzten kamen die Apotheker. Aber auch diese hatten ein "Revier", innerhalb dessen keine andere Apotheke die Zulassung bekam. So wehrten sich Pottensteiner Apotheker lange Jahre erfolgreich gegen eine Apotheke in Betzenstein. Als Grund wurde genannt: "Betzenstein liegt im geraden Wege von Pottenstein zwei Gehstunden entfernt und ist von vier Apotheken in beinahe gleicher Entfernung umgeben", weshalb man dem Antragsteller, einen Arzt unterstellte, "dass nur der verderbliche Wunsch des dortigen Wundarztes durch Selbstdispensieren (Abgabe von Arzneimitteln durch Ärzte), freien Spielraum in der Krankenbehandlung zu gewinnen."
Trotzdem: Wenige Jahrzehnte später setzte sich bei dem Bezirksamt Pegnitz die Erkenntnis durch, dass "ein engmaschiges Netz an Apotheken im Interesse des Publikums liegt". Die Apotheken nahmen zu, die Konkurrenz dadurch auch, so dass sich die Apotheker bald neue Geschäftszweige dazusuchen mussten.