Menschlichkeit und Pflege

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Emil Schurig bei seinem 90. Geburtstag im Jahr 2014. Zum "Internationalen Tag der Pflege" hat er eigene Erinnerungen. Foto: Alfons Beuerlein
Emil Schurig bei seinem 90. Geburtstag im Jahr 2014. Zum "Internationalen Tag der Pflege" hat er eigene Erinnerungen. Foto: Alfons Beuerlein

Der "Zeiler Schlack" Emil Schurig hat eine sehr persönliche Sicht auf die Dinge, wenn sich die Diskussionen, so wie aktuell, um das Thema Pflege drehen. Er erzählt "a Gschichtla".

Der Zeiler Emil Schurig, geehrt mit dem Titel "Zeiler Schlack", ist ein Mann, der zum kürzlichen "Internationalen Tag der Pflege" ganz eigene Erinnerungen hat. Gelernter Betriebsschlosser, im Krieg Funker, Naturfreund, Betriebsrat, Gewerkschaftler und nicht zuletzt Heimleiter des Hans-Weinberger-Hauses in Zeil besitzt der heute 92-Jährige ein tiefgreifendes Verständnis der sozialen gesellschaftlichen Verhältnisse. Seinem Hobby, dem Schreiben frönend, ließ er unserer Zeitung eine, wie er schreibt, "traurig-lustige Geschichte zum internationalen Tag der Pflege" zukommen.
Schurig: "Die Beobachtung der Menschenwürde ist gerade wegen der demografischen Entwicklung eine Aufgabe der Gesellschaft zu Gunsten der hilflosen Alten und Gebrechlichen. Es gibt eine Menge tausendfacher verschiedener Fallbeispiele. Ich habe eins davon .... eine Geschichte, die wahr ist." Schurig führt aus, "nie habe ich mit anderen davon gesprochen. Jetzt sehe ich Gesprächsbedarf, weil die Pflege akut im Interesse der Diskussion liegt. Auch aufzuzeigen, wie anders man es machen kann, um Erfolg zu haben."
"In einem Pflegeheim, so um das Jahr 1975, ergab sich gegen 23 Uhr eine Störung des Hausfriedens", erinnert sich Schurig. "Der Nachtdienst rief den Leiter des Hauses daheim an. Es war der Abend des zweiten Weihnachtsfeiertages, der Leiter war noch wach. Erstens weil er noch im Erholungszustand seiner am Tag vielleicht ze10 Stunden geleisteten Arbeit gewesen ist. Feiertage gaben einen Mehraufwand an Fürsorge und Aufmerksamkeit, auch für die Leitung der Einrichtung."


Aufregung am anderen Ende

Der hob den Telefonhörer ab und lauschte: "Aufgeregt, öfter laut Luft holend, schreit die Stimme durch den Apparat. ,Herr X macht Randale. Er sitzt im Flur auf dem Fußboden, ist laut und stört die Nachtruhe der übrigen Bewohner.‘ - Man muss wissen, Herr X ist an beiden Beinen amputiert. Zu seiner Fortbewegung, die ja normal nicht funktioniert, rutscht er mit seinem Rumpf entlang auf dem Boden."
So macht sich der Heimleiter auf den Weg: "Beim Eintritt in die Umgebung des Pflegezimmers hörte man nichts. Das war mal ganz beruhigend. Hoffnungsvoll auf seine eigene Nachtruhe spekulierend, trifft er auf den Ruhestörer und die besorgte Altenpflegerin. Warum ist Ruhe eingekehrt? Starke Entlastung der Nerven beim Heimleiter, lassen ihn den am Boden kauernden Herrn X gleich befragen, was passiert ist und warum die Nachtruhe von ihm gestört wurde. Herr X war ein Häuflein Elend. Nichts sagend lallte seine heißere Stimme, und dem Betrachter war klar, woran es liegen kann, in so eine Situation zu geraten. Die Betreuerin bestätigte, was ihm schwante. Mit einem Mal wollte der Durstige aufstehen und äußerte sich wieder laut: ,A Bier will i!‘
Die Helferin noch an Ort und Stelle meldete: ,Er hat schon Bier bekommen, letztendlich ist doch Feiertag.‘ Wieder ein lauter Ruf vom Boden: ,Ich will a Bier!‘" Was tun?


Bitte erfüllt

Schurig erzählt weiter, wie der Heimleiter die Frau bittet, zwei Flaschen Bier zu holen. "Unverständnis bei der Nachtwache ist festzustellen. Nicht aber bei dem Nothelfer. Dieser wandte sich dem Durstigen zu, setzte sich zu ihm auf den Boden und gebrauchte die Anrede ,Du‘ und benahm sich wie ein Saufkumpel seinem Gegenüber.
Immer darauf bedacht, leise zu sein, nicht zu stören. ,Prost, lieber Freund‘, sagte A zu B, stieß des Öfteren mit dem Flaschenboden an und gebrauchte seinen Vornamen und damit die kameradschaftliche Zweisamkeit. Herr X war sichtlich gelöst und übernahm das Kommando für weitere Wohlbekommausrufe."
Schließlich erklärte der Heimleiter: "Weißt was, lieber Freund, du gehst jetzt in Dein Bett und ich gehe mit Dir. Unsere Reste Bier nehmen wir mit. Im Bett trinken wir das Bier dann aus und erzählen uns dabei." Und: Leise sein!


Von Müdigkeit überwältigt

"Als das seinen Fortgang nahm, mimte der Leiter, sehr müde zu sein, er könne nichts mehr trinken: ,Außerdem ist niemand da, uns noch Bier zu bringen,‘ die Nachtwache sei heimgegangen. Schmunzelnd dendet der echte "Zeiler Schlack": "Was noch im Einzelnen geschah, weiß der Erzähler natürlich nicht mehr. Aber halt - morgens so um 6 Uhr hörte der schlaftrunkene Problemlöser, eine Stimme, die da liebevoll an seine Ohren kam! ,Hallo, Herr Schurig, Sie können aufstehen, es ist alles in Ordnung‘. Ein Blick auf meinen ,Beischläfer‘ beruhigte mich, vollends mit seinem Gruß: ,Guten Morgen Chef!‘" red