Kreuzigung Christi dramatisch zugespitzt

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Hervorragende Solisten bereicherten das Konzert (vordere Reihe, von links): Reiner Geißdörfer, Diana Schmid, Silke Herold-Mändl, Tobias B. Freund. Foto: Andreas Welz
Hervorragende Solisten bereicherten das Konzert (vordere Reihe, von links): Reiner Geißdörfer, Diana Schmid, Silke Herold-Mändl, Tobias B. Freund. Foto: Andreas Welz

Lichtenfelser Lorenz-Bach-Chor und Vogtlandphilharmonie aus Greiz/Reichenbach reüssierten in der Martin-Luther-Kirche.

Bei Johann Sebastian Bachs Johannespassion in der Martin-Luther-Kirche setzten Chor und Orchester unter der Leitung von Klaus Bormann am Sonntag die Eigenheiten des johanneischen Christusbildes musikalisch um und pointierten die Erzählung von Leiden und Sterben Jesu.
Mit dem Lichtenfelser Lorenz-Bach-Chor und dem Vogtlandphilharmonie aus Greiz/Reichenbach trat den Zuhörern dramatisch und zugespitzt, gerade in der Auseinandersetzung Jesu mit Pilatus, diese Passion entgegen. Bach machte es sich und den Ausführenden gewiss nicht leicht: komplexe Kontrapunkte, überraschende Harmonie- und Tonartenwechsel sowie vielgestaltige Rhythmik dienten dem Kirchenmusikdirektor dazu, Verurteilung und Kreuzigung Jesu Christi in ein ebenso dramatisches wie differenziertes Gewand zu kleiden.


Gefragte Sänger engagiert

Er hatte bei der Auswahl der Solisten zu regionalen "Kirchenmusik-Stars" gegriffen. Der Tenor Reiner Geißdörfer zählt derzeit zu den führenden Sängern seiner Zunft in der Metropolregion, auch die Sopranistin Silke Herold-Mändl, die Mezzosopranistin Diana Schmid und die Bässe Tobias B. Freud (Pilatus) und Oliver Weidinger (Jesus) sind ausgesprochen gefragte Persönlichkeiten mit viel Erfahrung bei der Interpretation kirchenmusikalischer Werke.


Innere Bewegtheit

Michael Dorn bildete mit dem Continuo das harmonische Gerüst der Barockmusik. Bachs Musik spricht für sich selbst, wie der plastisch ausformulierte Text, der Pilatus' Seelenqualen ebenso beleuchtete wie die Wut des jüdischen Volkes und Petrus' Verrat an seinem Messias. Innere Bewegtheit ersetzte äußerlichen Aktionismus. Die geniale Vertonung des spannenden Passionsgeschehens mit ihren Chören, Rezitativen und Arien beeindruckte und bewegte die Zuhörer auch noch fast 300 Jahre nach der Leipziger Uraufführung 1724. Bach vertonte die Passion nach dem Evangelium des Johannes so plastisch und lautmalerisch, dass sich die Hörer dieser starken Wirkung nur schwer entziehen konnten.
Der Applaus blieb an diesem Passionssonntag aus. Das Leiden und Sterben Jesu bedurfte keiner Beifallsbezeugung. Dekanin Stefanie Ott-Frühwald betonte zu Anfang des Konzerts, dass die Vertonung der Leidensgeschichte Jesus in ihr die großen Fragen berühre: Welche Hoffnung trägt mich? Worin finde ich Halt im Leben und im Tod? In der Johannespassion habe Bach diese Fragen in besonderer Dramatik mit der Vorstellungswelt des Evangelisten verdichtet. Das Johannesevangelium sei nicht nur ein Christuszeugnis der Auseinandersetzung von jüdischen Glaubens innerhalb der Gemeinschaft, die sich im ersten Jahrhundert spaltet und fortan verschiedene Wege geht. Johannes findet in dem Juden Jesus seinen Messias, den Heiland, den Gott seinem Volk versprochen habe. Seine jüdischen Glaubensgeschwister tun dies nicht. Sie halten an der Hoffnung fest, dass Gott dereinst seinen Messias schicken wird. Sie feiern weiter ihre Gottesdienste in der Synagoge und beginnen die Christusgläubigen auszuschließen. Denn durch ihr Bekenntnis zum Messias Jesus geraten diese in Blickfeld der Römer, für der Gekreuzigte ein gefährlicher Aufrührer war. Seine Anhänger werden von der römischen Staatsmacht verfolgt. Als Bedrängte beginnen Johannes und die, die mit ihm an Christus glauben, sich mehr und mehr von den Juden abzugrenzen. Sie lösen sich damit auch von den eigenen Wurzeln. "Johannes schafft in seinem Evangelium ein Gegenüber von Christus und den Juden, das es historisch nicht gegeben hat", stellte die Dekanin fest.


Schwarz-Weiß-Denken?

Für sie als Christin des 21. Jahrhunderts sei es wichtig, um diese historischen Wurzeln und die Denkweise des Johannes zu wissen. "Es bewahrt uns davor, die unselige Geschichte der Judenverfolgung durch die Jahrtausende weiterzuführen", sagte sie. Viele meinen, man dürfe aufgrund dieses Schwarz-Weiß-Denkens im Johannesevangelium die Passion nicht mehr aufführen.
Stefanie Ott-Frühwald war anderer Meinung. Johannes verkündet Evangelium - die gute Botschaft. Sie lautet: "Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eigenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben nicht verloren gehen und das ewige Leben haben." Das bringe die Johannespassion eindrucksvoll zum Ausdruck.