Mit offenen Ohren durch den Banzer Wald: Bernd Flieger erklärt die Laute von Specht, Kleiber und Co.
Vogelwanderung - das sagt sich so leicht. Aber wer an so etwas teilnimmt, der gerät noch in ganz andere Zusammenhänge als in die um Lebensgewohnheiten von Vögeln. So auch jüngst geschehen im Banzer Wald.
Sonntagmorgen, 8 Uhr. Die Sonne hat sich über den Horizont erhoben, aber es wird darum nicht wärmer werden. Wer Bernd Flieger um diese Uhrzeit hier am Parkplatz bei Kloster Banz treffen möchte, der sollte sich warm angezogen haben. Es ist April, es ist noch kurz nach Winter und es ist noch kaum jemand hier. Dann fährt jemand in einem Geländewagen vor, das muss ein Naturbursche sein, einer, der auf Bernd Fliegers Angebot zur Erkundung der Vogelwelt des LIFE-Natur-Gebiets Banzer Wald fliegen könnte. Schwer fällt die Autotür ins Schloss, dann wird klar, dass es den Mann doch eher in Richtung der Hanns-Seidel-Stiftung zieht. Flieger hält dem Sonntag zugute, dass es zu kalt für derlei Exkursionen sein könnte. Bald trudeln aber doch noch drei Teilnehmer ein, die sich mit dem 65-Jährigen hangabwärts auf den Weg in den Wald machen. Hinein ins große Ziziziziziii und ins Vitvitvitvit.
Lautstärke erklärt Distanz
Fernglas. Damit ist man hier ausgestattet und das braucht man auch, denn die Vögel kommen einem wahrlich nicht nahe. Aber in der Handhabung erkennt man den Experten. Es wird an diesem Tag noch oft passieren, dass Bernd Flieger Vögel in Geästen erkennt, die das ungeschulte Auge nie wahrgenommen hätte. Doch mehr noch: Als ein "raues Zizizizi" erklingt, wie Flieger es lautmalerisch beschreibt, kann der Mann durch Abschätzen der Lautstärke auch einigermaßen klar die Distanz zu der Goldammer bestimmen. Dann wartet der Wanderführer mit einer Erstaunlichkeit auf, die Sprachwissenschaftler stumm machen könnte: "Das ist Dialekt. In Norddeutschland ist der Vogel sparsamer mit dem -iii." Zugegeben, von den im Sommer wohl um die 30 zu vernehmenden Vogelstimmen ist man im April noch weit entfernt. Dennoch findet hier im Wald etwas Gesangliches statt. Und etwas, das mit einem selbst etwas macht, denn wann geht man schon mal offenen Ohres durch die Natur.
Gurrendes im Unterton
Wer das erstmalig bewusst tut, könnte auf die Frage verfallen, ob er vormals gegenüber dem hier Stattfindenden taub oder ignorant war. Jetzt ist ein Huhu zu hören. Klar, denkt man sich, das ist doch bestimmt so ein Uhu. Aber Uhus zählen zu den Nachtvögeln und mittlerweile ist es schon 8.45 Uhr, das weiß auch ein Uhu. Zudem liegt so ein gewisser Unterton im dem Huhu, auf den Bernd Flieger hinweist. Die Gruppe beginnt zu verstehen, dass etwas Gurrendes diesen Unterton ausmacht. Man hat es also mit einer Ringeltaube zu tun, die jetzt an der Ostmauer des Klosters entlangfliegt.
Wenig später hört man einen Specht trommeln, aber auch das kann mindestens Zweierlei bedeuten. Vielleicht höhlt er einen Baum aus, vielleicht ist ihm aber auch einfach nur nach Gesellschaft. Wer das genauer wissen wolle, der habe "auf die Frequenz zu achten", wie Flieger erklärt. Hier, zu dieser Gelegenheit, lässt der Mann, der seit vielen Jahren jährlich vier, fünf Vogelwanderungen anbietet und am Landratsamt Fachkraft für Naturschutz war, einen vergnüglichen Satz fallen. Mit "Der Grünspecht lockt nicht", gelingt ihm ein Satz voller Situationskomik und Geschliffenheit, vergleichbar mit Loriots "Das Kind ist tückisch".
Frequenzen sind Teil einer Chiffre, einer Codierung. Solche gibt es im Vogelreich viele und entschlüsseln lassen sie sich mit dem Vogelkundigen. Da wäre beispielsweise die Beobachtung einer Flugbahn einer Ringeltaube, die wellenförmig verläuft. Der Vogel ist nicht auf Nahrung aus, das ist eher Reviererkundung. Ein Vitvitvitvit wird vernehmlich und es führt in schon beinahe in die Sprachwissenschaft.
Das Vitivitivitivit stammt vom Kleiber, der seinen Namen davon hat, dass er sich sein Nest mit Lehm zusammenklebt. Kleber also Kleiber. So gaben die Menschen dem Fink auch seinen Namen, denn was aus seinem Schnabel kommt, klingt wie "fink". Eigentlich, wirft Flieger präzisierend ein, eher wie "pink". Der Mensch tut gut daran, den Fink nach seinem Erstlaut zu nennen. Tatsächlich gibt diese Sperlingsart nämlich noch einen Zweitlaut ab, der eher nach "drrrrrrrrt" klingt.