Bei Beuerfeld und Unterlauter werden Wiesen nur noch extensiv genutzt und sollen wieder zum Lebensraum für eine Vielfalt an Insekten und Vögeln werden.
Der Wind lässt ein Meer aus Großseggen wogen. Ausgedehnte Grasflächen sind hüfthoch hinter einer Übergangsfläche voller Mädesüß aufgewachsen, und dazwischen glänzt hier und da eine Wasserfläche. Die Wiesen westlich von Unterlauter bilden eine Ausnahme in einer ansonsten eher intensiv bewirtschafteten Landschaft. "Die Flächen gehören zu einem großen Teil dem Freistaat Bayern und am Hang in Richtung Bertelsdorf der Stadt Coburg. Sie wurden bewusst extensiviert", klärt Frank Reißenweber auf. Er ist Biologe und am Landratsamt unter anderem für den Biotopschutz zuständig.
Weil intensiv genutzte Wiesen schon sehr früh und übers Jahr sehr oft gemäht werden, kommen dort kaum Pflanzen zum Blühen und die botanische Vielfalt sinkt. Daher finden dort auch Insekten wenig Lebensraum und Vögel wenig Nahrung. Die Wiesen, die als Ausgleich für den Bau des Überleiters von der Lauter zum Goldbergsee angekauft und extensiviert wurden, sollen die Vielfalt ein wenig zurückbringen.
Wer nun aber erwartet, ein Bild zu sehen, wie er es aus Kindertagen im Kopf hat, von Wiesen, über denen es summt und brummt und wo unzählige bunte Schmetterlinge gaukeln, der wird enttäuscht. Bis sich hier wieder mehr Vielfalt zeigt, wird es noch dauern. Und so wie früher wird es wohl nicht wieder. Trotzdem will Frank Reißenweber den Wert der Flächen nicht klein reden. "Es sind magere Flachland-Mähwiesen, die durchaus schon jetzt einen erheblichen Wert besitzen", erklärt er. So kommt hier bereits wieder der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling vor, der auf der Roten Liste der bedrohten Arten steht. Und die bei einer Kartierung entdeckte Schmale Windelschnecke mag zwar unscheinbar sein, aber Frank Reißenweber weiß: "Es ist möglicherweise ihr einziges Vorkommen in ganz Oberfranken."
Vogel mit Seltenheitswert
Während sich der Biologe einen Weg durch die Großseggen bahnt, die im Coburger Land auch nicht eben häufig anzutreffen sind, erwähnt er die Trollblume und die Sumpfdotterblume und betont, dass auch das Großseggenried gesetzlichen Schutz genießt. Dabei spielt sich am Himmel ein Luftkampf ab. Ein Kiebitzpaar attackiert einen Turmfalken. "Das ist interessant. Es lässt vermuten, dass die Kiebitze noch brüten", sagt Frank Reißenweber. Sie sind damit spät dran. Es könnte sich um eine Nachbrut handeln, weil ihr erstes Gelege zerstört wurde. Kiebitze kamen früher an geeigneten Standorten des Coburger Landes in Massen vor. Heute findet jedes einzelne Paar Beachtung. Symptom eines starken Rückganges der Zahl der Wiesenbrüter. Die ausgedehnte Extensivfläche zwischen Stadtrand und Unterlauter bietet da eine erfreuliche Vielfalt, nicht nur an Wiesenbrütern. Neben Kiebitzen, Bekassinen und dem Wachtelkönig, wurden hier auch Neuntöter Wiesenpieper, Braunkehlchen und Blaukehlchen bestätigt. Während die Kiebitze mit dem Falken beschäftigt sind, zieht unbehelligt ein Rotmilan über einer gemähten Wiese Kreise, die an das extensivierte Gebiet angrenzt. "Da kommt er gern zum Jagen hin, der Weißstorch übrigens auch", sagt Frank Reißenweber und erreicht einen kleinen Tümpel im Seggenried. Das ist nur nach einer Trockenperiode wie in den vergangenen Wochen möglich. Sonst wäre es zu sumpfig. "Das Kleingewässer wurde 2017 vom Landschaftspflegeverband Coburger Land angelegt", erklärt er. Über den Verband wurden auch kleine Staustufen in den Lauter-Überleiter gebaut. Er führt nur an wenigen Tagen im Jahr Wasser, wenn die Lauter droht, die Stadt zu überfluten. Die Staustufen halten dann über eine gewisse Zeit kleine Tümpel, damit das Wasser nicht zu schnell aus dem Gebiet verschwindet, das sonst nur vom Kleinbach feucht gehalten wird, der sich unter dem Damm der Autobahn hindurch herüberschlängelt. Unbemerkt hat sich der Rotmilan unterdessen verzogen. Dafür ist sein Verwandter aufgetaucht, der Schwarzmilan. Bei uns ist eines der bedeutendsten Vorkommen des Rotmilan in Europa, erklärt Frank Reißenweber, und es kommen beide Arten vor. Als die Eindringlinge das Seggenried verlassen, zeigt sich wenig später noch eine andere Art. Eine Rohrweihe hatte sich trotz unserer Nähe dort versteckt. Auch sie hat dort wohl ihren Nachwuchs.
Am Kleinbach und dem neuen Tümpel schwirrt eine Vielfalt an Libellen herum. Azurjungfer, Plattbauch und einige weitere Arten zählt der Biologe auf, als er plötzlich eine besondere entdeckt. Es ist die Speer-Azurjungfer. Eine Rote-Liste-Art.
Der Wert der Fläche wird über die Jahre steigen, ist der Biologe sicher. Durch extensive Bewirtschaftung erwartet er einen Ansieg der Vielfalt, beginnend bei den Pflanzen und in der Folge auch bei Insekten und Vögeln. So entsteht ein Refugium, aus dem heraus sich mehr entwickeln kann, wenn sich die Bedingungen einmal insgesamt verbessern sollten. Irgendwann.