Die Dichterin Nora Gomringer trat am Mittwochvormittag am Meranier-Gymnasium Lichtenfels auf. Das dürfte so schnell niemand vergessen.
Die Frau ist eine Urgewalt. Tut Nora Gomringer den Mund auf, staunt ihre Zuhörerschaft. Vielleicht ist diese manchmal auch verwirrt, verstört, aber kalt gelassen wird sie wohl nie.
"In einem guten Buch sind mehr gute Gedanken, als ein Autor hineinzulegen gedacht hatte", erklärte Direktor Stefan Völker dem Auditorium der Oberstufenlesung der Dichterin am Meranier-Gymnasium. Da saß es im Halbrund der Aula, wohl an die 300 Köpfe stark, bestehend aus Schülern der 10. bis 12. Klassen, Vertretern der Fachschaft Deutsch und weiteren Menschen, die der Schule aus diversen Gründen verbunden sind.
Vor ihnen stand ein Tisch, bestimmt für die Frau aus Bamberg, die mit Eugen Gomringer einen im deutschen Sprachraum prominenten Dichter zum Vater hat, die auch über einen der interessanteren Lebensläufe verfügt. Mehrere Umzüge, Schulaufenthalt in den USA, Studium der Germanistik, Anglistik, Amerikanistik und Kunstgeschichte, Gewinnerin einer deutschen Poetry-Slam-Meisterschaft, Lyrikerin, Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin, preisüberhäuft überhaupt, Buchautorin und derzeitige Leiterin des Bamberger Künstlerhauses "Villa Concordia" mit der Verpflichtung zu weltweiten Reisen.
Die Literatur lebt!
Nun war sie also hierher angereist, erstmalig ans Meranier-Gymnasium, und sie bewies, dass die Literatur nicht tot ist. Denn was Gomringer kann, ist das vielfältige Beleben. Ihre eigenen Gedichte trug sie sprachgewaltig vor, durchstreifte ihren Sinn und den Klang der Worte, legte etwas in sie hinein: Stimme, Betonung, Interpretation, Analytik also. Die 38-Jährige lebt ihre Kunst, begnügt sich nicht mit dem reinen Sprechen, denn sie verhilft ihren Gedichten auch durch Gestik und Mimik zum Ausdruck. Im Grunde ist sie auch Schauspielerin. Zwischen überschäumender Freude und resignativer Nachdenklichkeit legte sie eine expressive Gemütsbandbreite, die ihr Markenzeichen geworden ist, zur Schau und ans Ohr. "Die Frau ist ein Phänomen", sagte eine leise gehaltene Stimme aus dem Zuhörerraum zu sich selbst. Immer wieder ließ die 38-Jährige auch zu sich und in ihr Gemüt blicken. Das befasst sich unter anderem mit dem kulturellen Phänomen des Horror- und Monstergenres und kann dank humanistischer Bildung auch derlei Phänomene vergnüglich in Deutungen betten.
So geschehen, kurz bevor es zu dem versprochenen letzten Punkt des Vormittags kam: der Fragestunde für Schüler mit der Adressatin Nora Gomringer.
Ausführlich geantwortet
Was bedeutet ihr Tattoo? Empfiehlt es sich, Germanistik zu studieren? Unterliegt ihr Schreiben einem bestimmten Prozess? Lange nahm sich Gomringer Zeit zur Beantwortung, in aller Ausführlichkeit und mit Witz.