Hinter meiner Gartentür Ein Schlaganfall konnte Elisabeth Heidig nicht davon abhalten, weiter im Garten zu arbeiten. Eigentlich war es sogar anders herum: Die Gartenarbeit hielt die 85-jährige Höchstadterin nach ihrem Schlaganfall am Leben.
von unserem Redaktionsmitglied Sarah Dann
Höchstadt — Bei Oma im Garten gibt es eigene Äpfel, frischgebrühten Kaffee und selbstgebackenen Kuchen. Sandra Ehrlingers Großmutter ist nicht nur für sie die "Oma" - so stellt sich die fast 86-Jährige selbst vor: "Ich bin die Oma." Im Schäfergraben in Höchstadt ist es ein bisschen wie im Märchengarten - vor allem, wenn die Sonne am frühen Morgen oder abends ihr Strahlenkleid überstülpt.
Grün, soweit das Auge reicht: Hinter dem Grundstück von Elisabeth Heidig kommt eigentlich nur noch der Spaziergängerweg und dann die Aisch. "Bei uns gibt es fünf Jahreszeiten: Frühling, Sommer, Herbst, Winter und Hochwasser", sagt die Seniorin. Nach der Schneeschmelze stehe das Wasser schon mal weit in den Garten hinein und flute die Obstbäume.
Den zwölf Apfelbäumen mache das aber nichts aus, im Gegenteil, die gedeihen prächtig. Werden aber in diesem Jahr ein bisschen vernachlässigt. Nicht jeder Apfel, der auf den schweren Ästen hängt, kann rechtzeitig geerntet und verarbeitet werden. Sandra Ehrlinger und ihre Großmutter haben erkannt, dass die körperliche Grenze irgendwann erreicht ist. Deshalb ziehen sie einen "Gedankenstrich" - hinter dem kleinen Teich muss nicht alles zu 100 Prozent perfekt hergerichtet sein.
Krankheit siegt nicht
Erst recht nicht nach einem Schlaganfall. Anfang 2014 hat es Sandras Oma erwischt. Nach einem Krankenhausaufenthalt ging es zur Reha. Lange hat es Elisabeth Heidig dort nicht ausgehalten. Was für die einen wie Urlaub ist, war für die Patientin Heidig immer mit Heimweh - der Sehnsucht nach draußen - verbunden.
Als schließlich die Pfingstrosen zu blühen begannen, wusste die Enkelin, dass sie ihre Oma heimholen musste. Die Blütenpracht daheim war "wie eine Reha-Maßnahme". Wenn Elisabeth Heidig heute auf der Terrasse sitzt, ihren Hund krault und vom Leben erzählt, versprüht sie mehr Energie als manch gestresster Mitdreißiger.
Mittlerweile steht auf der Terrasse nicht nur ein großer Kaffeetisch mit Stühlen und eine kleine Bank, sondern auch ein Bett. Wenn Elisabeth Heidig erschöpft ist, legt sie sich hin. Sie arbeitet nur so viel, wie sie möchte.
Früh, sehr früh, steht sie auf, brüht Kaffee auf und frühstückt mit ihrer Enkelin - und mit "der Oma ihrem Bu", ihrem Hund Leo. Bis vor kurzem wurde das Frühstück auf der Terrasse genossen - dem verlängerten Wohnzimmer der beiden. Jetzt ist es allerdings wieder zu frisch.
Wenn Sandra in den Kindergarten fährt, beginnt auch die Gartenarbeit für ihre Oma. Wobei: "Man darf es nicht als Arbeit ansehen, sonst ist es eine Last", weiß Sandra Ehrlinger, die immer noch ein bisschen was zu werkeln findet auf dem Grundstück.
In den letzten Tagen haben sie und ihre Großmutter den Garten bereits winterfest gemacht. "Immer wieder, alle paar Wochen, sieht es anders aus." - So beschreiben die beiden Damen den Lohn ihrer Mühen.
Ob Apfelblüte, Pfingstrosen oder Zieräpfel - die Frauen leben mit dem Haus, mit ihrem Garten. Statt schöner Handtasche kauft sich die 39-Jährige lieber eine schöne Heckenschere. "Wir haben einen englischen Cockerspaniel und englische Rosen", witzeln die beiden. Viel Lebensmut und noch mehr Zufriedenheit mit dem Alltag kommt bei den beiden dazu. Und bald ein Christbaum auf der Terrasse. Dann zupft Elisabeth Heidig nicht mehr Gräser heraus, sondern backt Plätzchen.