Markus Häggberg Samir ist ein freundlicher Mensch, von ruhigem und zurückhaltendem Wesen. Ein angenehmer junger Flüchtling, der, obwohl er in seinem jungen Leben viel mitmachen mus...
Markus Häggberg
Samir ist ein freundlicher Mensch, von ruhigem und zurückhaltendem Wesen. Ein angenehmer junger Flüchtling, der, obwohl er in seinem jungen Leben viel mitmachen musste, das Lächeln nicht verlernt hat. Alkohol, so sagt der Muslim und Neu-Lichtenfelser, trinke er nicht. Nur Wodka.
Wir freundeten uns an, da ich einst sein Heimatland besucht hatte und von einem für das Goethe-Institut arbeitenden syrischen Biologen in der Deutschen Botschaft in Damaskus mit den Worten "Der erstbeste Deutsche, der mir unterkommt, wird nach Strich und Faden von mir und meiner Familie verwöhnt" unter die Fittiche genommen wurde. Da fühlt man sich verpflichtet, auch etwas zurückzugeben.
In diesem Fall traf es Samir, dem ich einen Ausflug nach Bamberg anbot. Dort angekommen, streiften wir durch die Altstadt und ich fragte ihn, ob es ihm etwas ausmache, wenn wir ins Schlenkerla gingen.
Es machte ihm nichts aus, denn er erlebte seit langer Zeit das Gefühl von Sorglosigkeit, und kurz vorher fand er zudem Gefallen am Dom, und insbesondere an einem ihm dort ins Auge gefallene Relief, dessen Geschichte in anrührte. Nun wollte er wissen, was Schlenkerla bedeutet. Wie sich herausstellte, ist ihm dieses Wort schon zu Ohren gekommen, wo es sich lustig ausnimmt.
Was nun geschah, zählt zu den charmantesten Kompromissen, denen ich je beiwohnen durfte. Als Muslim keinen Alkohol (außer Wodka) trinkend, hatte Samir nun zwei Interessen. Er wollte seine Neugierde befriedigen, aber gleichzeitig dem Alkohol eine Abfuhr erteilen. Das einzige Getränk, das diese Maßgaben annähernd zu erfüllen in der Lage ist, ist ein Radler.
Doch im Schlenkerla ist das mit dem Radler so eine Sache.
Die Bedienung, die seinen Wunsch aufnahm, trat so burschikos wie kaufmännisch auf und erklärte uns, dass in diesem Haus nicht mit gutem Bier gepanscht würde, sie uns aber gerne zwei Bier und ein Glas Limo brächte. Was wir dann damit täten, wäre unsere Sache. Das ist sehr gewitzt, denn auf diese Weise verkaufte uns die Frau glatt noch ein Glas mehr. Bei Samir fand das Verhalten durchaus Anklang, denn er bewunderte das Auftreten und den Witz der Frau.
Also panschte er bei Tisch und ließ sich sein erstes Schlenkerla schmecken. Nach einem halben Glas begann er zu lamentieren, dass er sich plötzlich so leicht fühle. Dazu muss man wissen, dass Samir wirklich nur aus Haut und Knochen besteht, und ein Suff sich bei ihm dadurch schneller ankündigt. Diese Beschwerde also, dass er hier unter aller Augen trunken zu werden drohe, führte er in spaßigem Ton gegenüber der Bedienung an.
Und er gemahnte im Scherz die Bedienung an ihre Fürsorgepflicht für ihn. Die Frau ließ ihn ausreden, stemmte die Hände in die Hüften und sagte: Horch amal, a Rausch für 2,90 Euro - da hast du echt keinen Grund dich zu beschweren. Und Samir? Er erkannte, dass man das tatsächlich auch von dieser Seite aus sehen könne und begann zu lachen. Neulich traf ich ihn wieder. Was er denn so gemacht habe und wo er so war, wollte ich von ihm wissen. "Im Schlenkerla", so seine gelächelte Antwort.