Der gebürtige Neubrunner Dieter Reinwand überrascht mit einem Roman mit biografischen Zügen.
Eckehard Kiesewetter
Neubrunn — Aus Neubrunn ist Altbrunn geworden, aus Eltmann Ellenbach und Bamberg heißt Brannenburg. Auch die Menschen, von denen Dieter Reinwand erzählt, wird man in dem Dorf in den heiligen Ländern vergebens suchen. Und doch könnte alles, was der gebürtige Neubrunner in seinem Roman "musiKARLisch" erzählt, vor 50 Jahren tatsächlich so geschehen sein.
Der Autor, Jahrgang 1950, mischt Selbsterlebtes, eigene Bubenstreiche, dörfliche Eigenheiten, nette Anekdoten und eine ebenso anrührende wie zuletzt spannende Rahmenhandlung zu einem gelungenen Stimmungsbild seiner fränkischen Heimat. So oder so ähnlich hat sich Leben in den 1960er Jahren nicht nur in Neubrunn, sondern in vielen anderen Orten Frankens zugetragen. Reinwand geht behutsam vor, verwebt den Leser sachte und in beschaulichem Tempo in ein familiäres Beziehungsgefüge, das zunehmender Problembelastung und schließlich gar tragischen Entwicklungen standhalten muss. Der Autor lässt den Leser Anteil nehmen an den Gedanken und Gefühlen, Freuden und Nöten einfacher Handwerker damals.
Der verheiratete Vater dreier erwachsener Kinder und Opa zweier Enkel schildert die Sorgen der Eltern, den Schabernack und die geschwisterliche Verbundenheit der Kinder; glückliches Familienleben, im nächsten Moment aber auch wieder Ängste und Verzweiflung. Er zeigt auf, wie nahe vermeintliche Behinderung und geniale Gaben beieinander liegen können, schildert das Festhalten und Loslassenmüssen und lässt erleben, wie sehr Musik und Dichtkunst menschliches Zusammenleben bereichern können.
Am Ende steht ein Bekenntnis zur familiären und dörflichen Gemeinschaft, ein Triumph der Liebe und des Duchhaltewillens.
"musiKARLisch" ist ein schönes Überraschungswerk eines als Autor Spätberufenen und ein lesens- und vorlesenswertes Buch, das zum Nachdenken anregt: über eigene Positionen, Vorurteile und Glaubenssätze, über Toleranz und Offenheit und nicht zuletzt über den Umgang mit dem Anders-Sein und mit Behinderung.
Ursprünglich mal als Autobiografie geplant, hat Reinwands Arbeit letztlich über acht Jahre hinweg verschiedene Entwicklungsstadien erlebt: von ersten Notizen und Memoiren über Realitätsrecherchen und die Verquickung mit erfundenen Passagen, Weglassungen und Streichungen bis hin zur Einflechtung der Dialoge. Die Personen "sollten sich und ihre Beweggründe selbst erklären", sagt Reinwand: "Dadurch wurde das Buch lebhafter."
Zu der Mixtur aus Fiktion und Realität sagt der 68-Jährige: "Ich wollte mit meinem Buch ja keine Chronistenpflicht erfüllen, sondern meiner Leserschaft auf unterhaltsame Weise das damalige Leben näherbringen. Ich hoffe, es ist mir gelungen."
So ist eine hinreißende Geschichte entstanden, in einfacher Sprache, oftmals überdeutlich erklärend, aber vielleicht gerade deswegen auch grundehrlich wirkend und anrührend. Stimmungsvoll untermalen Reinwands Fotografien den Text.
Der Buchautor, der heute in Neunkirchen a. Sand (bei Hersbruck) lebt, bezeichnet sich als sehr gefühlsbetonten Menschen und schwärmt von einer "wunderschönen Kindheit" in Neubrunn und von seinem geliebten Franken. Nach der mittleren Reife an der Realschule in Ebern arbeitete er in der Finanzverwaltung, allein 40 Jahre saß er im Steueramt Nürnberg und brachte es bis zum Verwaltungsrat. Ein Nervenzusammenbruch zwang den Buchautor im Jahr 2013 in den vorzeitigen Ruhestand.