Ein bisschen mehr Baur für unsere Gesellschaft

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Ralf G. Czapla Foto: Archiv
Ralf G. Czapla Foto: Archiv
Ralf Georg Czapla: "Die ungleichen Geschwister - Der Unternehmer Friedrich Baur und die Tänzerin Claire Baurofff", Piper-Verlag, Mai 2015, 28 Euro ISBN: 978-3-492-05725-7
Ralf Georg Czapla: "Die ungleichen Geschwister - Der Unternehmer Friedrich Baur und die Tänzerin Claire Baurofff", Piper-Verlag, Mai 2015, 28 Euro ISBN: 978-3-492-05725-7
 

Interview  Der Autor und Wissenschaftler Ralf Czapla würdigt die unternehmerische Einstellung des Burgkunstadter Firmengründers und macht neugierig auf das eben erschienene Buch.

Burgkunstadt — Im Vorfeld der mit Spannung erwarteten Vorstellung des Buches über die ungleichen Geschwister Friedrich Baur und Claire Bauroff hatten wir Gelegenheit zu einem Interview mit dem Autor Ralf Georg Czapla. Er ist promovierter Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaftler.

Herr Czapla, Sie haben angekündigt, Ihr Buch werde sehr viel Neues bringen. Was war für Sie selbst die größte Überraschung?
Ralf Georg Czapla: Trotz aller Unterschiede, die es zwischen einem Unternehmer und einer Revuezänzerin gibt, sind sich Friedrich Baur und Claire Bauroff recht ähnlich gewesen, etwa in ihrem Drang nach Unabhängigkeit und Freiheit, in ihrem religiösen Bekenntnis, in ihrem Sinn für das Schöne, in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus und in ihrem positiven Bild vom Menschen. Seit zehn Jahren beschäftige ich mich intensiv mit Claire, seit fünf Jahren nun auch mit Friedrich. Beide haben Außergewöhnliches geleistet, die eine auf dem Gebiet des Tanzes, der andere in der Wirtschaft. Es gibt wenigstens eine Hand voll Lebensbeschreibungen zu Josef Neckermann. Zu Friedrich Baur aber ist dies die erste Biografie, obwohl viele seiner Geschäfts ideen, wie zum Beispiel die Sammelbestellung, die Ratenzahlung und die kostenlosen Retouren, von Neckermann erfolgreich kopiert wurden. Von Claire Bauroff spräche ohne meine Arbeiten heute wohl niemand mehr, obwohl sie zu den Stars der Goldenen Zwanziger gehörte und mit renommierten Schriftstellern wie Hermann Broch befreundet war.

Welcher Leserschaft legen Sie dieses Buch besonders ans Herz?
Das Buch ist für jedermann lesbar. Ich habe auf den zuweilen lähmenden Jargon wissenschaftlicher Arbeiten verzichtet und zahlreiche Passagen erzählerisch gestaltet, freilich nicht ohne alles, was ich schreibe, zugleich auch zu dokumentieren und zu belegen. Das Buch ist ein spannendes Stück Unternehmens- und Wirtschaftsgeschichte, aber auch Bühnen-, Tanz-, Literatur-, Fotografie- und Filmgeschichte.
Zudem ist darin vieles über die Geschichte der Region zu erfahren, was bislang unbekannt war, zum Beispiel über das Schicksal Joseph Weiermanns und seiner Familie, der zur jüdischen Gemeinde Burgkunstadts gehörte und als Begründer der Schuhindustrie im Ort gilt.
Sie räumten ein nicht immer reibungsfreies Arbeiten ein, was zwischen Wissenschaftler und Politiker aber nachvollziehbar sei. Worüber wurde besonders engagiert diskutiert?
Vor allem die Gestaltung des Covers der Biografie [siehe Abbildung] wurde zwischen der Friedrich-Baur-Stiftung und mir kontrovers diskutiert. Neben Friedrich Baur ist darauf Claire Bauroff zu sehen, und zwar in einem Aktfoto der berühmten Wiener Fotografin Trude Fleischmann. Der Einwand, ein solches Cover könne in der Bevölkerung zu Verstimmungen führen, war mir nicht einsichtig, so dass ich auf dem Foto bestand, weil es die Unterschiedlichkeit der Lebensentwürfe der beiden Geschwister kenntlich macht. Claire Bauroff stand in der Regel nackt auf der Bühne. Ihre Fotos erschienen damals in allen namhaften Illustrierten. Nacktheit war dabei Ausdruck der Überwindung von Grenzen. Man suchte nach neuen künstlerischen Ausdrucksformen und nach einem neuen Frauenbild. Claire war eine der Portalfiguren dieser Bewegung. Das heute zu vermitteln, ist nicht leicht.

Sie haben kürzlich gesagt: "Ich glaube, dass nach der Veröffentlichung meiner Biografie die Diskussion erst losgehen wird." Freuen Sie sich auch darüber, eine Diskussion in Gang zu setzen - und mit welchem Ziel?
Friedrich Baur hat als Unternehmer die Balance zu halten versucht zwischen Gewinnmaximierung, die ihm eine Expansion seines Versands erlaubte, und sozialer Verantwortung. Er hat die Angestellten seines Versands immer übertariflich bezahlt und durch ein familiäres Klima für Arbeitszufriedenheit gesorgt. Dieses Denken ist in der Wirtschaft unserer Tage völlig verloren gegangen. Der Mensch tritt fast völlig hinter die Bilanzen zurück. Im Hinblick auf den sozialen Frieden in unserem Land wird man aber umdenken müssen. Friedrich Baur kann dabei ein Leitbild sein, auch wenn sich im Zuge der Globalisierung die ökonomischen Prozesse verkompliziert haben.

Die Fragen stellte Ramona Popp