Der Ritter und die Eidechse

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Der Georgsbrunnen auf dem Marktplatz (im Hintergrund das Schloss) war bei seiner Aufstellung sehr umstritten. Unten: Mehrere Entwürfe wurden damals eingereicht. Fotos: Bernhard Panzer, FT-Archiv
Der Georgsbrunnen auf dem Marktplatz (im Hintergrund das Schloss) war bei seiner Aufstellung sehr umstritten. Unten: Mehrere Entwürfe wurden damals eingereicht.  Fotos: Bernhard Panzer, FT-Archiv
 
 
 
 
 

Der 1988 geweihte Georgsbrunnen auf dem Marktplatz hat sich etabliert und erhält inzwischen viel Lob. Anfangs war das kunsthandwerklich gefertigte Stück aber heftig umstritten. Und der Drache wurde verspottet.

Bernhard Panzer Kunst und Kitsch liegen eng beieinander. Und darüber lässt sich trefflich streiten. Kunst ist eben Geschmackssache, und die Bewertung eines Objekts liegt auch immer in der Betrachtungsweise des Kritikers selbst. Sie kann wohlwollend ausfallen oder vernichtend, je nach Ansatz.

Zu spüren bekommen hat das der Georgsbrunnen auf dem Marktplatz. Unterschiedlicher hätten die Meinungen kaum ausfallen können. Die einen spotteten von einem Ritter der traurigen Gestalt, der sich martialisch über einer verkrüppelten Eidechse erhebt. Andere sahen des Positive an der Figur, bewerteten weniger die Kunst, sondern vielmehr das Handwerk. Und sie verteidigten die Wahl des Motivs, denn der heilige Georg hatte durchaus einen geschichtlichen Bezug.

Darauf ging auch Hans Ort ein, damals Erster Bürgermeister, als er im Mai 1988 die Rede zur feierlichen Enthüllung hielt. So befand sich bereits im 13. Jahrhundert im benachbarten Schlossgebäude eine Kapelle, die dem Schutzheiligen geweiht war. Seit 1730 fand jeweils am Georgstag, dem 23. April, eine Prozession statt. Deshalb hat sich der Stadtrat damals auch mehrheitlich dazu entschlossen, den Georg einem Zunft- beziehungsweise Handwerksbrunnen vorzuziehen.

Darauf geht heute noch Klaus-Peter Gäbelein ein, der Vorsitzende des Heimatvereins, wenn er Besuchergruppen durch Herzogenaurach führt. Dann erfahren die Gäste auch, dass die St.-Jörgen-Kapelle im Schloss den evangelischen Christen als Gottesdienstraum diente, bis 1934 eine eigene Kirche gebaut wurde.

Umfrage auf dem Marktplatz

Aber was ist mit der Darstellung? Auch darauf ging Ort damals ein, gab es in der Stadt doch kaum ein Objekt, das umstrittener gewesen war. Es sei üblich, dass der Drachentöter in triumphierender Pose abgebildet werde, sagte Ort. Freilich lasse sich über Geschmack streiten. Der FT hat damals, kurz nach der Weihe, eine (nicht repräsentative) Umfrage unter den Betrachtern auf dem Marktplatz gemacht. Tenor der Aussagen: "Der Georgsbrunnen ist schon in Ordnung." Beispielsweise fand das auch Rainer Malzhacker, damals Vorstandsmitglied der Raiffeisenbank und 39 Jahre jung. Er drückte sich allerdings salomonisch aus: Der heilige Georg passe als historische Figur gut ins Stadtbild.

Weitere Meinungen

Die 25-jährige Sozialpädagogin Andrea Fleissner, damals Leiterin der Arbeitslosenberatung, fand das Kunstwerk zwar handwerklich gut gefertigt, aber ausdrucksschwach. Und die 44-jährige Waltraud Gräwe vermisste bei der Motivwahl den Einfallsreichtum: "Jede zweite Stadt kann sich einen Georg hinstellen." Der 54-jährige Nürnberger Alfred Riedle meinte, dass diese nostalgische Art zum Herzogenauracher Stadtbild besser passe als der Ehebrunnen nach Nürnberg.

Und dann gab es auch noch eine Performance auf dem Marktplatz. Eine Gruppe Jugendlicher hatte sich mit Plakaten bewaffnet und tat ihre Meinung kund. Die Jugend sei nicht gefragt worden, wurde kritisiert. Im Brunnen sahen sie keinen kulturellen Wert, und auch die Motivation des Künstlers vermissten sie. Treibende Kraft der Aktion war der damalige Juso-Vorsitzende Ralf Maier.

Heiß her ging es aber nicht erst, als der Brunnen schon stand, sondern auch im Vorfeld. So war sich auch der Stadtrat quer durch die Fraktionen nicht grün, und die Entscheidung fiel mehrheitlich, aber keineswegs einstimmig. Die CSU begrüßte dieses Werk. Mag da auch die Tatsache mitgespielt haben, dass der Schlüsselfelder Kunsthandwerker einer der Ihren war und außerdem auch noch der Waffenschmied des Papstes, und somit ein durchaus anerkannter Mann?

Entwürfe hatte es mehrere gegeben. Auch Dieter Kleppsch alias Dieter K. Annaberger hatte sich etwas einfallen lassen. Der illustre Künstler, gleichzeitig Lehrer am Gymnasium, konnte sich mit seinem Schuh freilich nicht durchsetzen, kam aber ein paar Jahre später zu städtischen Ehren. Dann stellte er bei einem Jubiläum in der Partnerstadt Wolfsberg aus. Und auch der inzwischen verstorbene Theo Steinbrenner reichte einen Entwurf ein. Damals bildete auch er den Georg ab. Auch Steinbrenner schaffte es Jahre später zu städtischen Ehren. Er durfte den Schusterbrunnen anfertigen, der seither im Schlosshof steht und dorthin nach dem Rathausneubau auch wieder zurückkehren wird.

Wenn Klaus-Peter Gäbelein Gäste führt, dann lauscht er den Aussagen. "Für Nicht-Kunstexperten ist es ein volkstümlicher Brunnen", sagt er. Er höre deutlich mehr Lob als Kritik. Entscheidend sei doch, wie ein Brunnen in der Öffentlichkeit ankommt. Der Georg oder auch Gerch, wie die Herzogenauracher sagen, werde inzwischen gut angenommen.

Von wegen leerer Blick

Und dass die Figur einen leeren Blick haben soll, das lässt sich nicht beweisen. Hatte doch schon bei der Weihe ein Beobachter poetisch-schmunzelnd angemerkt, "dass durstig des in der Siegerpose triumphierenden Ritters Blick in Richtung Heller schweift". Also keineswegs leer in die Ferne.