Der letzte Tag im Gasthaus Bär

1 Min
Die alte Gaststube "beim Bär” war eine Art Wohnzimmer für die Stammgäste. Christa (Dritte von rechts) und Heinz Leidhardt (rechts) hatten sie alle eingeladen. Foto: Evi Seeger
Die alte Gaststube "beim Bär” war eine Art Wohnzimmer für die Stammgäste. Christa (Dritte von rechts) und Heinz Leidhardt (rechts) hatten sie alle eingeladen.  Foto: Evi Seeger

Mühlhausen — "Ein Gefühl der Beklemmung und der Leere befällt mich", klagte Herbert Hirschmann. Der Tag habe "etwas Ultimatives". Eine Ära gehe zu Ende. "Zi...

Mühlhausen — "Ein Gefühl der Beklemmung und der Leere befällt mich", klagte Herbert Hirschmann. Der Tag habe "etwas Ultimatives". Eine Ära gehe zu Ende. "Zico" (Hirschmann) war nicht der Einzige, der darum "traurig" war. Auch wenn viel gelacht wurde an diesem Abend, dem letzten im Gasthaus Bär am Mühlhäuser Marktplatz.
Die Wirtsleute Christa und Heinz Leidhardt hatten an Gründonnerstag ihre Stammgäste sozusagen zum letzten Zapfenstreich geladen. "Time to say goodbye" für die beiden gastronomischen Urgesteine, die 35 Jahre hinter dem Tresen standen und jetzt die Pforten ihres Traditionsgasthauses schließen.


"Beim Bär" das Karteln gelernt

Nicht nur Herbert Hirschmann, der "seit dem Ende seiner Schulzeit beim Bär verkehrte", fühlte sich bei Leidhardts "aufgehoben und geborgen". Obwohl seine "Trauerrede" sehr humorvoll gehalten war - wer es hören wollte, hörte dennoch einen etwas schmerzhaften Unterton heraus. "Hier haben wir diskutiert und auch das eine oder andere Mal das deutsche und das internationale Liedgut bemüht", erinnerte sich Hirschmann. Hier habe man Skat, Sechsundsechzig und Schafkopf gedroschen, ja das Karteln überhaupt erst gelernt. Christa und Heinz dankte er "für die Fürsorge, die etwas Familiäres hatte, die eine Berufung und für uns alle ein Glücksfall war".
An diesem letzten Abend war die alte Gaststube, ja selbst "des Kabinettla", voll besetzt. Und natürlich war auch "der älteste Stammgast" mit dabei: Georg Huber, "im 82. Lebensjahr", wie er selbst sagte. Der als "billiger Jakob" im weiten Umkreis bekannte Mühlhäuser erinnerte sich: Seit seinem fünften Lebensjahr kenne er das Haus. Wenn seine Eltern nach dem Krieg 1946/47 übers Wochenende mit dem Zug wegfuhren, kam er zur damaligen Wirtsfamilie Bär. Huber erinnerte sich auch lebhaft der besonderen Gäste, die 1945 beim Bär ein- und ausgingen: Offiziere der amerikanischen Besatzungsmacht. Er selbst habe seit seinem 20. Lebensjahr seinen Stammtisch beim Bär. "Mir tut es weh, dass es diesen Stammtisch nun nicht mehr gibt." Dennoch "harrt" Huber auf die "Wiederauferstehung" des Gasthauses, die von der neu gegründeten Kultur-Gemeinschaft ja ins Auge gefasst wird. Denn es wird dünn auf dem gastronomischen Sektor in Mühlhausen: Wie zu hören war, hat auch das Gasthaus Hertlein seinen Betrieb eingestellt.