Der Körper und wir

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Kunstvereins-Vorsitzende Barbara Kahle in der Villa Dessauer mit einer Keramik von Markus Karstieß Fotos: Matthias Hoch
Kunstvereins-Vorsitzende Barbara Kahle in der Villa Dessauer mit einer Keramik von Markus Karstieß  Fotos: Matthias Hoch
Ein verfremdetes "Ohr" von Heinz Breloh
Ein verfremdetes "Ohr" von Heinz Breloh
 

Der Bamberger Kunstverein hat für seine aktuelle Ausstellung "implicit touch" Werke namhafter, zum Teil international bekannter Künstler in der Villa Dessauer versammelt.

Rudolf Görtler

Der Titel der Ausstellung erschließt sich nicht sofort: "implicit touch"? "Touch", das englische Wort für Berührung, scheint noch einigermaßen plausibel. Aber "implicit", "eingeschlossen"? Kuratorin Notburga Karl erklärt den Begriff als "vorbewusste, aber vom Körper erinnerbare Wissensformen". Von dieser sehr abstrakt klingenden Definition sollten sich potenzielle Besucher nicht abschrecken lassen. Es geht, profaner ausgedrückt, bei der Gruppenausstellung von acht Künstlern und einer bei der Vernissage inszenierten Performance, um Körper, um unser Verhältnis zur Körperlichkeit, "um den Dialog mit den Kunstwerken, der über das Gefühl der Körperlichkeit erfolgt" (Karl).
Das geschieht noch relativ leicht, wenn man den Entstehungsprozess der Skulptur - zu sehen sind überwiegend Skulpturen, aber auch Malerei und Installationen - "Harry und ich" von Heinz Breloh (1940-2001) im Erdgeschoss der Villa kennt. Buchstäblich unter Einsatz seines ganzen Körpers hat der Künstler seine lebensgroße Figur geschaffen. Er warf sich in sein Material, hier Gips, durchwühlte, durchstach es mit Gliedmaßen, formte und deformierte es, bis es erstarrte. Herausgekommen ist eine verfremdete Gestalt, ein Alien, eine durch halluzinogene Drogen erzeugte Schreckensvision? Breloh gilt als der am radikalsten arbeitende figurative Künstler des 20. Jahrhunderts, eine Berühmtheit.


Körperlich nachsinnen

Es ist immer wieder erstaunlich, wie der kleine Bamberger Kunstverein es schafft, wichtige Arbeiten bedeutender Künstler in die, mit Verlaub, Provinz zu holen. Hans Josephsohn (1920-2012) zählt dazu. Er ist der bekannteste Bildhauer der Schweiz. Seine Reliefs sind einerseits abstrakt, beziehen sich aber auch auf die menschliche Gestalt. Es ist Aufgabe des Betrachters, wie es die Kuratorin formuliert, den Kunstwerken "körperlich nachzusinnen".
Einen Schwerpunkt setzen die Skulpturen von Markus Karstieß (geb. 1971). Er hat sich ganz auf den Werkstoff Ton konzentriert. "Körperlichkeit" entsteht hier zunächst durch die Arbeit mit den Händen, das Zerlegen und neue Zusammensetzen der Einzelteile seiner Skulpturen. Zu sehen ist u. a. die Werkgruppe "Dirty Corners" mit Keramiken. Das sind archaisch wirkende Gebilde, Fetische, die an organische Wirbelsäulen erinnern, mit reizvollem Farbenspiel an den gefurchten Oberflächen. Metallstangen hat er mit Platin belegt und Ketten daneben ausgerichtet, eine Veredelung neben dem Rohen. Raumfüllend ist ein glasierter "Kronleuchter" mit weit ausholenden Armen.
Verspielter wirkt dagegen Malerei von Aimée Parrot, einer Malerin und Installationskünstlerin aus London, sowie von Frauke Boggasch, die sich mit der japanischen Kultur intensiv auseinandergesetzt hat.
Ein weiteres künstlerisches Schwergewicht ist Horst Münch (geb. 1951). Seine Arbeiten füllen ein Nebenzimmer im Erdgeschoss, Pseudosolarisationen, fotografische Umsetzungen von Zeichnungen, und eine Installation - nicht die einzige in "implicit touch" -, die ein verfremdetes Labor zeigt, Hinweis auf sozialkritische Intentionen.
Insgesamt eine Ausstellung für alle, die bereit sind, sich mit moderner Kunst auseinanderzusetzen - nicht unmittelbar und leicht zugänglich, doch produktiv für Auge und Hirn.