Das Paradies vor der Haustür

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Die Weite, Stille und den Blick auf Marienweiher genießen kann man auf dem Achatzmühlenweg.
Die Weite, Stille und den Blick auf Marienweiher genießen kann man auf dem Achatzmühlenweg.
Fotos: Christine Fischer
"Hinterindien"-Macher Heiko Hartmann am Veitenstein in den Haßbergen
"Hinterindien"-Macher Heiko Hartmann am Veitenstein in den Haßbergen
Foto: privat

Pandemiebedingt entdecken die Menschen ihre eigene Heimat ganz neu. Einer, der schon seit Jahrzehnten in ganz Franken wandert, ist der Kulmbacher Heiko Hartmann. Auf seinem Online-Portal "Hinterindien" präsentiert er mittlerweile 120 Routentipps einer wachsenden Fangemeinde.

Schönes Wetter und Wochenende - Kenner wissen, da kann man sich die Anfahrt zum Görauer Anger gleich sparen, wenn man nicht inmitten einer Menschenmasse wandern will. Das gleiche gilt für Rehberg und Kessel und die etwas weiter entfernt liegenden Ausflugsziele in Fichtelgebirge und Fränkischer Schweiz, wo sich an sonnigen Samstagen und Sonntagen eine regelrechte Blechlawine über die dortigen Wanderparkplätze und Dörfer ergießt.

Corona hat die Situation verschärft, denn die Menschen können nicht verreisen und sind quasi gezwungen, ihre Freizeit in der eigenen Heimat zu verbringen. Und die bietet gerade für Wanderbegeisterte im Kulmbacher Land und seinem nächsten Umfeld schier unendliche Möglichkeiten - auch abseits der ausgetretenen Pfade. Man kann zum Beispiel stundenlang durch den Frankenwald streifen, ohne einem anderen Menschen zu begegnen - selbst an einem Frühlingswochenende. Dafür braucht es lediglich eine Tour-Auswahl abseits der großen Routen. Das Angebot ist riesig und wird auf den entsprechenden Internetseiten von Frankenwaldverein und Frankenwald-Tourismus bestens präsentiert. Noch dazu ist das Wegenetz perfekt ausgeschildert, so dass man praktisch ohne Wanderkarte losziehen kann.

Die benötigt man auch nicht, wenn man nach einer Tourenempfehlung des Online-Wanderportals "Hinterindien" läuft, denn detailreiche Wegbeschreibungen und dazu passende, stimmungsvolle Fotografien sind das Markenzeichen von Heiko Hartmann. Der 46-jährige Kulmbacher hat im Jahr 2000 damit begonnen, fränkische Wander- und Ausflugsziele ins Internet zu stellen. Aus den bescheidenen Anfängen ist mittlerweile eine in ganz Franken und darüber hinaus bekannte Wander-Plattform geworden mit einer von Heiko Hartmann selbst gestalteten, professionellen Homepage, plus Facebook-, Instagram- und Tiktok-Auftritt. 40 000 Besucher zählt seine Homepage jedes Jahr, fast 3000 Follower hat er bei Facebook, 750 Abonnenten bei Instagram. Seine 120 Tourenvorschläge sind außerdem bei der Wander-App Komoot zu finden. "Oft werde ich überregional angesprochen, die Seite hat inzwischen einen hohen Bekanntheitsgrad", erzählt der 46-Jährige.

Die Wanderlust wurde Heiko Hartmann quasi in die Wiege gelegt, schon als Kind war er mit der Familie in der fränkischen Heimat unterwegs. Heute läuft er am liebsten mit Freunden oder auch mal alleine, "das ist meditativ". Jeden Sonntag ist er unterwegs, und im Sommer - wenn es abends länger hell ist - auch unter der Woche. Die Ergebnisse seiner Streifzüge durch Franken bereitet er dann für seine Internet-Fangemeinde auf. Manchmal muss er eine Tour drei Mal gehen, bis er alle Informationen und Bilder zusammen hat. Die Gestaltung fürs Internet - die Nutzung ist mit mobilen Endgeräten gut möglich - dauert dann noch mal einige Abende. So zeitaufwendig "Hinterindien" für Heiko Hartmann auch ist - es ist ein Hobby. Hauptberuflich arbeitet der Kulmbacher in einer Werbeagentur im Coburger Land.

Dem "Hinterindien"-Macher ist es wichtig, mit seinen Touren ganz Franken abzudecken - vom Höllental im Nordosten bis zum Petersberg bei Bad Windsheim im Südwesten, vom Großen Brombachsee im Süden bis zu den Gleichbergen hoch im Norden. Selbst den Süden Thüringens - das historische "Henneberg-Franken" - schließt er mit ein. "Wir haben eine wunderbar vielfältige Region, von den mittelfränkischen Ebenen im Nürnberger Land bis zu 1000 Meter hohen Bergen im Fichtelgebirge. Die Bandbreite ist der Hammer."

Und genauso vielfältig sind auch seine Tourentipps - in Länge, Anspruch und Ziel. Natürlich hat er die Klassiker wie Ochsenkopf, Staffelberg und Mainzusammenfluss im Programm, die dürfen nicht fehlen. Aber oft nimmt er seine Follower eben gerade in die hintersten Winkel Frankens mit und stellt der breiten Öffentlichkeit Runden vor, die man so nicht auf dem Plan gehabt hätte. "Wir leben in einer Region, die den etablierten deutschen Urlaubsgebieten in nichts nachsteht und durchaus mit manch Exotischem überrascht", sagt er aus voller Überzeugung. Der Name "Hinterindien" ist also Programm.

Das haben in der Pandemie auch viele andere Menschen erkannt. "Der Trend zum Wandern und zurück zur Natur kam schon vor Corona auf, aber er hat sich durch den Lockdown natürlich multipliziert", sagt Heiko Hartmann, der anhand des Feedbacks festgestellt hat: "Die Leute haben den Reiz der Heimat jetzt nachweislich für sich entdeckt und wissen nun, dass es vor unserer Haustür auch schön ist." Selbst der Wanderprofi entdeckt auf seinen Touren durch das Kulmbacher Land und Franken immer noch Neues und hat spannende Begegnungen. So wie neulich an der Rotmainquelle im Lindenhardter Forst, wo er auf ein Fernsehteam des Bayerischen Rundfunks traf und spontan Dreharbeiten für die Sendung "Wir in Franken" entstanden.

Fast jeden Tag versorgt Heiko Hartmann seine Fangemeinde in den sozialen Medien mit "hinterindischen" Momenten. Doch am besten ist es, sie selbst zu erleben. "Wer die Hinterindien-Touren wandert, der lernt ganz Franken kennen", verspricht er.