Das Herz des Dorfes schlägt seit 60 Jahren

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Beim Aufrichten des Turms halfen die Vestenbergsgreuther zusammen. Foto: privat
Beim Aufrichten des Turms halfen die Vestenbergsgreuther zusammen. Foto: privat
Kirche und Aussegnungshalle (l.) wurden 1977 durch das Gemeindehaus (r.) ergänzt. Foto: Paul Frömel
Kirche und Aussegnungshalle (l.) wurden 1977 durch das Gemeindehaus (r.) ergänzt. Foto: Paul Frömel
 
Liesl Kießling sah sich oft auf der Kirchenbaustelle um. Hier wurde sie begrüßt von Bürgermeister Martin Bauer (l.) und Pfarrer Karl Brucker (r.). Im Hintergrund stehen Architekt Fritz Rebhan, Hans Wedel und Maurermeister Lottes (v. l.). Foto: privat
Liesl Kießling sah sich oft auf der Kirchenbaustelle um. Hier wurde sie begrüßt von Bürgermeister Martin Bauer (l.) und Pfarrer Karl Brucker (r.). Im Hintergrund stehen Architekt Fritz Rebhan, Hans Wedel und Maurermeister Lottes (v. l.). Foto: privat
 

Die Vestenbergsgreuther haben die Christuskirche weitgehend selbst gebaut und 1959 eingeweiht. Bis heute wird sie rege genutzt.

Manchmal dauert es ein bisschen länger, bis Träume in Erfüllung gehen und Gebete erhört werden. Die Vestenbergsgreuther Protestanten mussten 269 Jahre warten, bis sie ein eigenes Gotteshaus bekamen. Inzwischen steht die Christuskirche schon seit 60 Jahren, und dieses Jubiläum wird am Sonntag, 30. Juni, um 13.30 Uhr mit einem Festgottesdienst groß gefeiert.

Der kleine Steigerwaldort gehörte bereits um 1500 zur Kirchengemeinde Schornweisach, 1546 wurde in Vestenbergsgreuth die Lehre Luthers angenommen. Rund 150 Jahre später, im Jahr 1690, versuchte die Familie von Jaxtheim, die damals das Rittergut besaß, eine eigene Kirche einzurichten. Dieses Vorhaben scheiterte aber am Widerstand des markgräflichen Consortiums Bayreuth. 1740 unternahm das Fräulein von Holzschuher einen erneuten Versuch, dieses Mal reichten aber die finanziellen Mittel nur für den Kauf eines Bauplatzes.

Erst der dritte Anlauf hatte Erfolg. Am 11. August 1957 gründeten 30 Vestenbergsgreuther einen Kirchenbauverein, dessen Vorsitzender der damalige Bürgermeister Martin Bauer war, der Gründer des heute weltweit agierenden Unternehmens für pflanzliche Produkte, das seinen Hauptsitz noch immer in der Gemeinde hat. Eine Haussammlung in Vestenbergsgreuth und Hermersdorf erbrachte 15 000 DM, die gleiche Summe stellte die Landeskirche zur Verfügung, das Baugelände nördlich des seit 1927 bestehenden Friedhofs überließ die Familie Scharf dem Verein kostenlos und aus den Nachbarorten wurden 120 Kubikmeter Bauholz gespendet. Eine weitere Spende in Höhe von 10 000 DM kam von Liesl Kießling, der Schwester von "Quelle"-Gründer Gustav Schickedanz, deren Mutter Elisabeth Kolb aus Vestenbergsgreuth stammte.

Hilfe aus der "Quelle"-Familie

Liesl Kießling war es am Ende zu verdanken, dass das Projekt zu einem guten Ende geführt werden konnte, denn obwohl die Vestenbergsgreuther viele Arbeiten in Eigenleistung erledigten, war das Geld bald aufgebraucht. Als dann auch noch Baudirektor Classen sein Amt niederlegte, gab es einen Stillstand auf der Baustelle, den erst die beiden "Quelle"-Geschwister wieder beendeten. Sie ließen den Vestenbergsgreuthern weitere Unterstützung zukommen und beauftragten zudem ihren Hausarchitekten Fritz Rebhan mit der Bauleitung. So konnte die Christuskirche am 11. Oktober 1959 eingeweiht werden. Liesl Kießling und Gustav Schickedanz wurden für ihre Verdienste zu Ehrenbürgern der Marktgemeinde ernannt.

Mit der Weihe der Kirche "gab man dem Dorf das Herz", schrieb 1989 der damalige Bürgermeister Georg Gittelbauer anlässlich der Wiedereinweihung des Gotteshauses nach einer größeren Renovierung. Dieses Herz schlägt nun seit 60 Jahren in einem äußerst lebendigen Organismus, um den sich bisher sechs Pfarrer gekümmert haben: Karl Brucker (1956 - 1974), Heinz Haag (1975 - 1986), Albrecht Bischoff (1986 - 2002), Heinrich Arnold (2003 - 2009), Armin Ehresmann (2010 - 2015), Tabea Richter (2016 bis heute).

Die Kirche, die anfangs nur eine Glocke und ein Harmonium hatte, bekam 1964 eine Orgel, 1972 eine Turmuhr, 1977 wurde auf dem Vorplatz ein Gemeindehaus gebaut und im Lauf der Jahre kamen noch drei weitere Glocken hinzu. Immer wieder gibt es Neuanschaffungen, auch durch die Unterstützung der Hans-Wedel-Stiftung. So wurde vor etwa eineinhalb Jahren ein neuer Ambo (Lesepult) aufgestellt, derzeit werden Spenden für fünf Paramente (Altartücher) gesammelt, von denen drei schon komplett finanziert sind.

Ein Herz und ein Organismus wären aber nichts ohne ihre Glieder, und das sind in Schornweisach und Vestenbergsgreuth rund 750 Menschen, die sich unter anderem in zahlreichen Gruppen wie dem Posaunenchor, dem Gospelchor, der evangelischen Landjugend, dem Kindergottesdienst-Team, den "Kirchenmäusen", dem gemischten Chor oder dem Seniorenkreis engagieren. Ein außergewöhnlich umfangreiches Angebot für eine Kirchengemeinde dieser Größe, meint Volker Hack, der stellvertretende Vertrauensmann des Kirchenvorstands, der sich auch den Mesnerdienst mit Margit Freymann und Charlotte Teichelmann teilt. Er erwähnt als weitere Besonderheit die Tatsache, dass in beiden Kirchen jeden Sonntag ein Gottesdienst stattfindet, "keine Selbstverständlichkeit heutzutage". Dazu finden sich alleine in Vestenbergsgreuth laut Hack durchschnittlich 30 bis 50 Besucher ein, auch das eine stattliche Zahl, die allerdings zum Jubiläum am kommenden Sonntag wohl deutlich höher sein wird.