Prozessstart mit Hindernissen

3 Min
Drei Angeklagte müssen sich wegen versuchten Totschlags und Bedrohung vor der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts Coburg verantworten.
Drei Angeklagte müssen sich wegen versuchten Totschlags und Bedrohung vor der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts Coburg verantworten.
Martin Rebhan

Landgericht Warum sich die Verhandlung gegen drei des versuchten Totschlags angeklagte Männer unerwartet verzögert hat. Sehr widersprüchlich fielen die Aussagen der Angeklagten aus.

Eigentlich sollte am Dienstag sollte um 9 Uhr ein Prozess gegen drei Männer aus Neustadt und Sonneberg beginnen. Nachdem ein Schöffe vereidigt wurde, informierte die Vorsitzende der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts Coburg , Jana Huber, die Verfahrensbeteiligten, dass just dieser Schöffe am Tattag am Tatort gewesen war und sich auch mit dort anwesenden Personen unterhalten hat.

Die drei Verteidiger befürchteten, dass der Schöffe befangen sein könnte und beantragten diesen abzulehnen. Nachdem das Gericht die Anträge als begründet ansah, musste ein Ersatzschöffe aktiviert werden. Mit einer 75-minütigen Verspätung konnte dann das Verfahren begonnen werden.

Dass der betroffene Schöffe erst am Verhandlungstag die Vorsitzende von dem Umstand informierte, dass die zu seinem Ausschluss führte, lag höchstwahrscheinlich daran, dass Schöffen mit ihrer Ladung nur über den Termin, aber nicht über den Inhalt des Verfahrens unterrichtet werden. Damit soll sichergestellt werden das die ehrenamtlichen Richter unvoreingenommen in ein Verfahren gehen können. Nachdem auch der Ersatzschöffe vereidigt wurde, kam Oberstaatsanwalt Michael Koch mit der Verlesung der Anklage zu Wort.

„Schlagt euch richtig oder gar nicht“

Ungewöhnlich war nicht nur der Beginn der Verhandlung, auch dass sich über 30 Zuhörer im Sitzungssaal H einfanden, war bei weitem nicht alltäglich. Den Angeklagten Henry H. (26), Sascha K. (26) und Justin M. (27) wird vorgeworfen, am 30. Juni des vergangenen Jahres in Neustadt am Rande der „Siedler-Kirchweih“ im Bereich der Arndtstraße und Am Kalmusrangen den 43- jährigen Marco F. niedergeschlagen und mit zahlreichen Fußtritten gegen den Oberkörper und den Kopf malträtiert zu haben.

„Tumultartiger“ Lärm

Dies brachte den Beschuldigten nicht nur eine Anklage wegen versuchten Totschlags und Bedrohung, sondern auch die umgehende Festnahme und die damit verbundene Verbringung in Untersuchungshaft ein. Im Grunde hatten die Kontrahenten nichts miteinander zu tun. Der Geschädigte feierte mit Freunden in einem Anwesen in der Arndtstraße. Als er aus Richtung des besagten Kreuzungsbereichs „tumultartigen“ Lärm hörte, meinte er nach eigener Aussage, dort mal hinzugehen, um zu schauen, ob jemand Hilfe benötigt. Wie eine Zeugenaussage bestätigte, rief der der Geschädigt der Gruppe mehr aus Spaß aus etwa drei Meter Entfernung zu „Schlagt euch richtig oder gar nicht“.

Dies nahm der Angeklagte K. zum Anlass, auf das spätere Opfer zuzugehen und in mit beiden Händen zu schubsen. Nach Aussage von K. führte Marco F. eine Kinderschaufel mit sich, mit der er angeblich nach ihm schlug. Dies konnte ein 30-jähriger Zeuge wiederum nicht bestätigen.

Dieser sagte aus, dass das Opfer die Schaufel mit dem Blatt nach unten hielt. Von einem Schlag gegen den Angeklagten konnte er nicht berichten. Seine polizeiliche Aussage, in der der Zeuge vor einem Jahr festgehalten hat, dass alle drei Beschuldigten mit Füßen in Richtung des Kopfes des Geschädigten traten, bestätigte der 30-jährige in vollem Umfang.

Die Intensität der Tritte beschrieb er mit dem Treten nach einem Fußball. Eingeräumt hat der 30-jährige, dass er nicht sah, ob die Tritte den Kopf getroffen haben. Dass er sich jetzt nicht mehr an alle Details erinnern konnte und daher mehrmals auf die polizeiliche Vernehmung verwies, begründete der Zeuge , dass das ganze Geschehen schon ein dreiviertel Jahr her sei.

In diese Kerbe wollte der Verteidiger von Sascha K., Till Wagler, schlagen und die Gedächtnislücken des Zeugen so nicht hinnehmen. Dieser hatte jedoch die passende Antwort parat: „Da müssen die Prozesse halt eben schneller stattfinden, damit sich die Leute besser erinnern können“. Beim Angeklagten K. waren aber auch erhebliche Gedächtnislücken vorhanden, die Rechtsanwalt Wagler aber nicht weiter beleuchtete. In seiner Einlassung hielt K. fest, dass er sich nicht an Schläge oder Tritte erinnern könne.

„Die volle Verantwortung übernehmen“

Der Angeklagte H. hüllte sich vollends in Schweigen. Ganz anders Justin M., der nicht ausschloss, dass es sich alles so zugetragen hat, wie von der Staatsanwaltschaft behauptet. „Ich werde die volle Verantwortung dafür übernehmen“, räumte er ein. Bei dem Opfer entschuldigte er sich in aller Form und beteuerte, dass es ihm sehr leidtue, was Marco F. geschehen ist.

Laut ärztlichem Gutachten erlitt das Opfer einen Nasenbeinbruch, diverse Hämatome, Einblutungen und Weichteilschwellungen im Gesicht, Ein- und Unterblutungen im Gesicht, Brust, Armen und Beinen.

Marco F. berichtet dem Gericht, dass er heute noch an Schlafstörungen leide und nicht mehr durchschlafen kann. Richtig schwer gefallen ist die Zeugenaussage der Ehefrau des Geschädigten. Mit schwerer Stimme berichtete sie davon, dass der Kopf ihres am Boden liegenden Mannes ohne Gegenwehr hin und her geflogen ist. „Ich habe gedacht es ist vorbei“ beschrieb sie die Situation die ihr Mann durchlebt hat.

Wüste Bedrohungen

Als Täter, der auf dem Körper ihres Mannes gesessen und diesen mit Faustschlägen misshandelt hat, beschrieb sie den Angeklagten Henry H. Völlig ins Leere lief der Versuch von dessen Verteidiger, Jörg-Andre Harnisch (Berlin), die Zeugin unglaubwürdig erscheinen zu lassen. Als die Zeugin gebeten wurde, einen Blick auf den mutmaßlichen Täter zu werfen, konnte sie aus emotionalen Gründen dem Ansinnen nicht nachkommen. Nach Darlegung der Ehefrau war nach der körperlichen Misshandlung noch „nicht Schluss“.

Demnach verfolgte Henry H. das Ehepaar, das sich auf das Grundstück ihrer Freunde in Sicherheit brachte und warf den Freunden wüste Bedrohungen entgegen, als diese dem Beschuldigten den Zutritt zum Grundstück verweigerten. „Ich hatte den Eindruck, dass die Schlägerei fortgesetzt wird“, sagte die Ehefrau. Dass es nicht so weit kam, war den zwischenzeitlich eingetroffen Polizisten zu verdanken. Weitere Verhandlungstage sind für den 24. April und den 7.Mai jeweils ab 9 Uhr angesetzt.