Coburg ratscht - noch viel zu wenig

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Wenn ein Pläuschchen von Angesicht zu Angesicht nicht möglich ist, bietet sich die Ratsch-Hotline der Stadt Coburg als Alternative an. Hier darf nach Herzenslust über alles mögliche gesprochen werden.
Wenn ein Pläuschchen von Angesicht zu Angesicht nicht möglich ist, bietet sich die Ratsch-Hotline der Stadt Coburg als Alternative an. Hier darf nach Herzenslust über alles mögliche gesprochen werden.
Foto: Christin Klose/dpa

Ein Telefonat mit Ehrenamtlichen soll den leichten Plausch ersetzen, der coronabedingt gerade nicht möglich ist. Doch das Angebot der Stadt Coburg wird noch nicht so angenommen wie erhofft.

Dort, wo Menschen zusammentreffen, fangen sie früher oder später an, miteinander zu reden, zu plaudern, zu tratschen. Ob nun über die neue Nachbarin, Corona, das Wetter, die Pläne fürs Mittagessen oder die Stadtpolitik. So ein kleiner Ratsch ist die Würze im täglichen Leben. Doch was soll man machen, wenn man wegen Corona wochenlang nur für das Allernötigste vor die Tür darf und sich kaum noch die Gelegenheit zu einem Pläuschchen ergibt? Im ersten digitalen Bürgerdialog im November wurde ein Projekt angestoßen, das das Bedürfnis nach Austausch ein wenig stillen soll und trotzdem alle Vorsichts- und Hygieneregeln einhält: der Coburg Ratsch.

Wer Lust auf eine leichte Plauderei hat, kann seit 1. Februar die Ratsch-Hotline anrufen und landet dann bei einem der ehrenamtlichen Telefonistinnen und Telefonisten. Worüber geratscht werden kann, ist völlig offen. Nach den ersten drei Wochen, in denen das Angebot genutzt werden konnte, sind die Telefonisten allerdings etwas ernüchtert. Nur acht bis zehn Anrufer hätten die Ratsch-Hotline bisher genutzt, das sei "sehr mager", berichtete Helga Ebert im Gespräch mit unserer Zeitung. Sie ist eine von 14 Telefonisten, die sich täglich eine Stunde Zeit nehmen, um zu ratschen.

Statt eine erste Bilanz zu ziehen, will Helga Ebert deshalb lieber noch einmal einen Aufruf starten: "Liebe Coburger, bitte traut Euch, bitte ratscht!" Woran es liegen könnte, dass bisher so wenige Coburger anrufen, kann sie nur vermuten, denn dass die Menschen coronabedingt die meiste Zeit zu Hause verbringen und das vielfach auch noch alleine, sind eigentlich beste Voraussetzungen, sich ans Telefon zu setzen und ein bisschen zu quatschen.

Anonymität bleibt gewahrt

Die Telefonisten seien dennoch begeistert bei der Sache und warteten sehnsüchtig auf Gesprächspartner, wie Helga Ebert erzählt. Wenn sie selbst die Gespräche entgegennimmt, tut sie das - wie alle Telefonisten - nicht mit ihrem richtigen Namen, sondern unter einem "nickname" (zu deutsch: Spitzname). Ihre wirkliche Identität bleibt anonym. Vielleicht, so überlegt sie, fürchten manche Interessenten, dass sie selbst nicht anonym bleiben, und verzichten deshalb auf einen Anruf. Doch davor muss niemand Angst haben. Die Anrufer müssen ihre Namen nicht nennen und bleiben ebenfalls anonym. Helga Ebert hofft auch auf gute Mundpropaganda: "Wenn die ersten 100 Anrufer erzählen, dass sie ein gutes Gespräch hatten, dann trauen sich die nächsten 300 vielleicht auch."

Hochschule begleitet das Projekt

Entstanden ist die Idee zum Coburg Ratsch im Rahmen des Projekts "Coburg contra Corona", das die Hochschule Coburg im vergangenen März gestartet hatte. An der Hochschule soll das Angebot auch weiterhin begleitet werden. Wie Jana Melber, Mitarbeiterin bei Creapolis, berichtet, ist dazu ein Studienprojekt im kommenden Sommersemester geplant.

Beim ersten digitalen Bürgerdialog am 25. November, bei dem in mehreren Gruppen über verschiedene Coburger Themen diskutiert werden konnte, wurde die Idee ebenfalls aufgegriffen und anschließend kontinuierlich weiterentwickelt. Die Telefonisten werden darin geschult, wie man Gespräche führt, problematische Inhalte erkennt und wann man einen Anrufer besser an die professionelle Beratung weiter vermittelt. Denn eine Beratungsstelle will der Coburg Ratsch eben gerade nicht sein, hier soll es nur um die pure Unterhaltung gehen.