Ausdauer, Qual und Überwindung

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Gezeichnet von den Anstrengungen aber sichtlich erleichtert erreicht Michael Bittermann als Erster das Ziel beim Wolff-Sports-Ultra-Trail (links). 84,41 Kilometer lief er durch die malerische Natur des Fränkischen Dünenwegs (oben). An der dritten Verpflegungsstation hatte er einen Beutel mit Essen deponiert (unten). Foto: pr
Gezeichnet von den Anstrengungen aber sichtlich erleichtert erreicht Michael Bittermann als Erster das Ziel beim Wolff-Sports-Ultra-Trail (links). 84,41 Kilometer lief er durch die malerische Natur des Fränkischen Dünenwegs (oben). An der dritten Verpflegungsstation hatte er einen Beutel mit Essen deponiert (unten).  Foto: pr
 

Michael Bittermann aus Friesen hat den 84 Kilometer langen Wolff-Sports-Ultra-Trail gewonnen. Dabei hatte er jedoch schwer mit seinem Körper zu kämpfen, doch kurz vor Schluss packte ihn der Ehrgeiz.

dominic Buckreus Knapp vier Stunden lang war Michael Bittermann bereits gelaufen. 40 Kilometer lagen hinter ihm, als er zur Mittagszeit bei Temperaturen über 30 Grad den Moritzberg in der Fränkischen Alb vor sich sah. Bis dahin lief es für den Friesener beim Wolff-Sports-Ultra-Trail nach Plan. Er lag an der Spitze des Teilnehmerfelds und hätte seine selbst definierte Zielzeit noch erreichen können. Doch dann ging es fast 300 Höhenmeter zum höchsten Punkt des Laufes steil nach oben. "Da hat es mich fast zermürbt", sagt Bittermann.

Seine vor dem Lauf ausgeklügelte Taktik ging für den 46-Jährigen so nicht ganz auf. "Ich wollte morgens, wenn es frischer ist, etwas schneller laufen. Das hat sich aber nicht bezahlt gemacht, weil die Höhenmeter erst relativ spät im Rennen kamen. Das hätte ich langsamer angehen müssen", blickt er kritisch zurück. Dennoch überquerte er als Erster die Ziellinie.

Um 8 Uhr morgens fiel der Startschuss für die 17 Teilnehmer des Ultra-Trails über den Fränkischen Dünenweg. Mit Start in Feucht bei Nürnberg verläuft dieser über kleine, sandige, verschlungene Wege mit kleinen Bachläufen und wackeligen Brücken bis nach Lauf an der Pegnitz und über Altdorf zurück nach Feucht ins Ziel - 84,41 Kilometer, eine doppelte Marathon-Strecke.

Nur ein kurzes Vergnügen

Schon zu Beginn des Trails hatte sich Bittermann an die Spitze gesetzt. "Anfangs genießt man noch die Natur, aber irgendwann ist man nur noch mit seinem Körper beschäftigt", erklärt er. Kleine Schritte machen, Schultern entspannen, die Schmerzen vergessen, "man quält sich halt so durch und versucht, in eine Art Meditation zu kommen."

Der Ausdauersportler weiß genau, wie er so eine Distanz überstehen kann. Denn der Wolff-Sports-Ultra-Trail war ein vergleichsweise kurzer Lauf für ihn. 2016 lief er beispielsweise ein 100-Meilen-Rennen in Thüringen, das sind umgerechnet etwa 160 Kilometer. Sieben Jahre zuvor wagte er sich an einen 200-Kilometer-Lauf.

Es gibt aber auch Situationen, die man vorher nicht trainieren kann. Nach der dritten Verpflegungsstation bei Kilometer 60 setzten bei Bittermann Magenschmerzen ein. Ein Kohlenhydrate-Gel, mit dem er sich dort gestärkt hatte, war daran schuld, vermutet er. "Manchmal esse ich nur feste Nahrung, wie Schmalzbrot, Nüsse oder Kuchen. Diesmal nur das Gel, das war wohl nicht das richtige. Ich hatte es vorher im Training auch nie ausprobiert", erzählt er.

Es folgte der für ihn schwierigste Streckenabschnitt. Die Magenprobleme machten ihm zu schaffen, dazu machte der Körper langsam schlapp. "Der Akku war leer und ich bin nicht mehr in die Gänge gekommen. Da musste ich mich überwinden." Diesen Punkt kennt er sehr gut, denn diese Schwierigkeiten treten bei jedem Lauf über solche Distanzen auf. "Die Kunst ist, dass man die so schnell wie möglich wieder loskriegt. Diesmal hat es lange gedauert", berichtet er.

Immer wieder musste er Gehpausen einlegen, bis er nach etwa 80 Kilometern, kurz nach der Schwarzachklamm, die Konkurrenz hinter ihm erblickte. "Das war dann ein Kick, denn ich habe wieder den Druck gespürt." Und prompt lief er seinen schnellsten Kilometer.

Schwierige Orientierung

Seine selbst auferlegte Vorgabe, die 84,41 Kilometer in neun Stunden zu absolvieren, erreichte er dennoch nicht. Zehn Stunden und fünf Minuten standen bei seinem Zieleinlauf auf der Uhr. Etwas Zeit kostete ihm auch, dass er sich trotz eines Navigationssystems verlaufen hatte. Das sei jedoch allen Teilnehmern passiert, erklärt er.

Nur drei Minuten nach ihm kam der 20 Jahre jüngere Georg Kirsch als Zweiter ins Ziel. Solche Altersunterschiede sind bei den Ultra-Läufen nicht ungewöhnlich: "Bei langen Distanzen sind die meisten etwas älter. Da brauchst du die Erfahrung. Die meisten jungen Läufer gehen die Strecke zu schnell an und brechen dann ein."

Drei Wochen regenerieren

Etwas schneller als sonst ist es auch der Friesener diesmal angegangen, schließlich hatte er vorher gut trainiert. Das ganze Jahr über lief er pro Woche zwischen 120 und 150 Kilometer. Mal hoch auf die Radspitze, mal auf den Döbraberg. Normalerweise kämen zwischendrin noch Radfahren und Schwimmen hinzu, diese Einheiten habe er diesmal jedoch etwas vernachlässigt und sich sonst vor allem auf den Muskelaufbau konzentriert.

Nach so einem Lauf braucht der Körper einige Zeit, um sich zu regenerieren. "Nach drei Tagen kam ein großer Müdigkeitsschub. Zwei, drei Wochen lang merkt man das schon, da sollte man sich auch zurückhalten", rät er.

Ob er im nächsten Jahr wieder antreten wird, lässt er offen. Sicher ist nur, dass er am kommenden Samstag am 16. Run of Hope in Kronach teilnehmen wird - und zwar barfuß. "Ich laufe auch beim Training oder Wandern gerne mal barfuß. Aber über die Halbmarathon-Distanz habe ich das noch nie gemacht, und jetzt will ich es einfach mal ausprobieren."