Auf der Jagd nach fetter Beute

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Beim Fliegenangeln ist Fingerspitzengefühl gefragt. Holger Herold (rechts), 45-jähriger Technischer Sekretär an der Hochschule Coburg, ist einer der erfahrensten Fliegenfischer Deutschlands. Von seinen Ratschlägen profitierte auch unser Sportredakteur Christoph Böger.
Beim Fliegenangeln ist Fingerspitzengefühl gefragt. Holger Herold (rechts), 45-jähriger Technischer Sekretär an der Hochschule Coburg, ist einer der erfahrensten Fliegenfischer Deutschlands. Von seinen Ratschlägen profitierte auch unser Sportredakteur Christoph Böger.
Hagen Lehmann
Der Griff der Rute ist aus Kork.
Der Griff der Rute ist aus Kork.
 
An Steinen findet der Angler Mücken.
An Steinen findet der Angler Mücken.
 
Ein buntes Repertoire an Ködern
Ein buntes Repertoire an Ködern
 
Fette Beute: Ein echter Prachtkerl
Fette Beute: Ein echter Prachtkerl
 

Selbstversuch   Unser Sportredakteur Christoph Böger schwingt die Angelrute. Tipps bekommt er dabei von Holger Herold - einem von nur vier "Mastern" in Deutschland. Was die beiden unterschiedlichen Petri-Jäger dabei alles erleben.

Mein Angel-Abenteuer beginnt mit einem Fauxpas. Stolz bring ich ein mit glitschigen Regenwürmern prall gefülltes Nutella-Glas mit. Ganz frisch. Habe ich beim Spaziergang mit meinem Hund gesammelt. An diesem verregneten Mittwochmittag geht es schließlich um "fette Beute". Und mit Prachtwürmern - da bin ich mir sicher - gelingt bestimmt der große Wurf. Doch Pustekuchen! Diese dicken Dinger braucht Holger Herold gar nicht. Der 45-jährige Technische Sekretär an der Hochschule Coburg ist nämlich Fliegenfischer - einer der besten in ganz Deutschland.

Er hat sogar den Status "Master" - davon gibt es in Deutschland nur vier. In Bayern ist er der einzige. Als Fliegenfischer hat er schon eine deutsche Meisterschaft gewonnen, bei vielen internationalen Wettbewerben sorgte er für Furore. Längst hat sich der "Master Fly Casting Instructor" seinen Traum von der eigenen Fliegenfischerschule ("Easy Fly Fishing") erfüllt und gibt sein Wissen und Können an Interessierte weiter. Einer davon bin diesmal ich.

Mit Jeans und Turnschuhen bin ich völlig overdressed - schon mein zweiter Fehler. Holger gibt mir zwei beige Hosenbeine aus Gummi. Ich schlüpfe rein, die schwarzen Badeschuhe sind integriert. Darüber feste, wasserdichte Spezialschuhe - sie sehen aus wie Wanderstiefel. Dann darf ich seine 2,70 Meter lange und 63 Gramm leichte Angelrute präparieren. Die orange Schnur fädele ich durch sechs kleine Ösen. Jetzt geht's los.

Auf der Pirsch

Doch was ist Fliegenfischen überhaupt? "Wir warten nicht, bis der Fisch vorbeischwimmt. Wir suchen ihn", klärt Holger auf und watet langsam flussabwärts. Schon ist der Experte in seinem Element. Wir sind auf der Pirsch nach dem Fisch. Das Wasser der Steinach in Fürth am Berg geht mir längst über die Knie. Die Fische würden an der Wasseroberfläche irgendwann ringförmige Wellen auslösen, weil sie dort ihre Nahrung aufnehmen. "Manchmal sind sie so gierig auf ihre Beute, dass die Forellen oder Äschen sogar über die Oberfläche springen, um sich dann die Insekten zu schnappen", weiß der Profi-Jäger.

Einer schönen Fliege, die sich perfekt bewegt, können die wenigsten Fische widerstehen. Die kleinen Eintagsfliegen imitiert Herold mit detailgetreuen Nachbildungen. Der Scheuerfelder hat deshalb gleich drei Schachteln voll mit bunten Ködern mitgebracht. In liebevoller Handarbeit fertigt er aus Vogelfedern, Rehhaaren oder auch speziellen Hahn- und Entenfedern bemerkenswert echt aussehende Köder für seine Angelhaken. "Ich habe schon zig Fliegenimitationen gebunden. Für Kindergartenkinder eine tolle Übung. Gerade für die Motorik", schlägt er vor. Dann beobachtet Herold mit Argusaugen hinter seiner getönten Spezialbrille, mit der er bis auf den Grund schauen kann, genau das Treiben um uns herum. Damit wir von den Fischen nicht so leicht entdeckt werden, bewegen wir uns nämlich im Fluss. Angeblich ist meine Silhouette kleiner und wird daher weniger gut wahrgenommen. Ich wusste gar nicht, dass Fische so schlau sind?

Immer wieder vor- und zurückschwingen

Mir geht längst der Ohrwurm mit den Fischen im Wasser, die an der Nordseeküste nur selten an Land sind, nicht mehr aus dem Sinn. Aber dann kommt mein großer Moment: Ich darf die fast 1000 Euro teure Angelrute schwingen. Gar nicht so leicht, denn die künstlichen Insekten ganz oben an der Angelspitze müssen trotz ihres geringen Gewichtes möglichst zielgerecht nach vorne geworfen werden.

Immer wieder schwinge ich die Rute. Vor und zurück. So beschleunige ich die orange Schnur, die unseren Köder möglichst weit ins Wasser transportiert. Am besten natürlich exakt ins Blickfeld eines hungrigen Fisches. Jetzt lasse ich nicht mehr locker: Immer wieder vor und zurück - das macht Spaß, das bringt Glück! Aber nur vielleicht, denn gerade Anfänger müssen eine hohe Frustrationstoleranz haben.

Wer allerdings glaubt, dass die Fangquote mit einer Fliegenrute geringer ist, der irrt. Mir kommt es darauf aber gar nicht an: Dieser Moment löst viel mehr ein Gefühl von Freiheit, Ruhm und Stolz aus. Wie ein Cowboy stehe ich mitten im Wasser und schwinge "mein Lasso". Hier in der Steinach, wo sonst nur mein treuer Setter-Mischling Rio mutig baden geht und exakt da, wo am Kerwa-Sonntag ein lustiges Rennen mit gelben Plastikenten stattfindet, bin ich plötzlich Chef im Revier. Wenn mich jetzt Rio so sehen würde ...

Eine Kunst, die Spaß macht

Doch zurück zum Fliegenfischen: Diese Art von Angeln ist zweifelsohne eine Kunst, die einem Anfänger sofort Spaß und gute Laune macht. Ganz egal, ob ich jetzt einen Fisch fange oder nicht. Das Töten ist ja eh nicht mein Ding. Auch Herold kommt jetzt ins Schwärmen: "Die Natur ist unser Hab und Gut", philosophiert er. Es sei einfach schön hier draußen. Ein wunderbares Hobby. Gerade in diesen verflixten Corona-Zeiten. Für den Petri-Jäger wird der Fischfang manchmal auch zur Nebensache. Dann nämlich wenn er alleine unterwegs ist, um sich, wie er sagt, "selbst wiederzufinden".

Einen 1,05 Meter langen Hecht am Haken

Aber natürlich hat dieser ausgepuffte Fisch-Fänger auch schon oft genug fette Beute gemacht: Einen 1,05 Meter langen Hecht zog er aus dem Main. Karpfen, Waller, Rapfen, Döbel, Barsche und Zander fängt er mit seiner Fliegenrute. Seine "Waffe" muss gar nicht teuer sein. Für den Anfänger braucht es ja nicht gleich das "Ferrari-Gerät", wie Herold seinen dünnen Stab mit Spezial-Korkgriff nennt. Eine gute Ausrüstung für das Fliegenfischen sei nicht teurer als andere Angelausrüstungen. "Mit 600 Euro bist du gut dabei", will er mich ködern. Doch da bin ich raus. Ich beabsichtige nicht, den notwendigen Fischereischein zu erwerben und besitze auch keinen Erlaubnisschein. Mein Abenteuer neigt sich nach gut drei Stunden dem Ende entgegen.

Mein Fazit: Das Fliegenfischen ist mehr als nur Angeln. Für viele eine große Leidenschaft. Für mich war diese besondere Form spannend, jedenfalls eine sehr lebendige Methode, um auf Fischjagd zu gehen. Ganz ohne diese dicken, glitschigen Würmer. Das Nutella-Glas habe ich trotzdem noch geöffnet und alle Regenwürmer ins Wasser geschmissen. Vielleicht macht ein Fisch fette Beute ...