Angeklagter gesteht und bilanziert: "Ich bin sehr froh, in Deutschland in Haft zu sein"

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Das Landgericht Hof verhandelt wegen Bankrotts gegen einen Unternehmer aus dem Landkreis Haßberge. Nach seiner Pleite hatte er sich nach Thailand abgesetzt. Über den Prozess berich...

Das Landgericht Hof verhandelt wegen Bankrotts gegen einen Unternehmer aus dem Landkreis Haßberge. Nach seiner Pleite hatte er sich nach Thailand abgesetzt. Über den Prozess berichtet die Neue Presse in Hof.
Wenn der 49-Jährige morgens erwachte, dann konnte er bis zum Juli 2015 auf die feinen Strände und das türkisblaue Wasser der thailändischen Bade- und Vergnügungsinsel Phuket blicken. Wenn er heute erwacht, dann sieht er bestenfalls das wintergraue Wasser des Untreusees. Dort steht das Hotel "Grauer Löwe", wie die Hofer ihre Justizvollzugsanstalt manchmal nennen. Hier hat er auf Anweisung des Amtsgerichts Hof Quartier bezogen.
Seit Montag wird gegen ihn wegen Bankrotts verhandelt. Die Staatsanwaltschaft legt ihm zur Last, beträchtliche Werte seiner zusammenbrechenden Spedition im Landkreis Haßberge seit 2013 beiseite geschafft und sich nach Thailand abgesetzt zu haben. Fast 600 000 Euro hatte der 49-Jährige der Anklage zufolge zur Verfügung, als er sich am 8. September 2014 ins Flugzeug setzte, um ein neues Leben zu beginnen. Dieses dauerte ein Dreivierteljahr. Allzu schwer hat es der Angeklagte seinen Verfolgern nicht gemacht: Stolz stellte er sein neues Glück auf seiner Facebook-Seite zur Schau - mit Fotos von sonnigen Stränden und sehr jungen Mädchen.
Bunt hatte er es schon früher gemocht: Seine mit farbenprächtigen Fantasielandschaften lackierten Lastzüge erregten in ganz Deutschland Aufsehen. Die spektakuläre Flucht steht in einem auffälligen Widerspruch zu seinem Lebenslauf. Aus kleinsten Anfängen hatte sich der ehemalige Angestellte aus Sachsen nach seiner Übersiedlung nach Bayern seine Firma geschaffen. Er startete mit einem eigenen Lastzug und investierte in das Wachstum der Spedition. Am Schluss hatte er neun Lastzüge und zwölf Angestellte. Der Bruch muss 2012 gekommen sein. Da scheiterte die Ehe mit der Frau, die ihn aus der DDR nach Bayern begleitet hatte. Zeitgleich fielen seiner Firma einige Forderungen aus. Ab dann fehlte ihm das Geld, um seinerseits seine Lieferanten zu bedienen. Ein Mahnbescheid jagte den anderen.
Zugleich keimte in dem passionierten Liebhaber schneller Autos der Plan, "mir einmal etwas zu gönnen", wie er am Montag dem Vorsitzenden Richter Matthias Burghardt gestand. Das "etwas" war ein Sportwagen der Edelschmiede Gumpert. Der Listenpreis für einen solchen "Apollo" betrug 225 000 Euro. Während rund um ihn alles zerfiel, nützte der Unternehmer jede Gelegenheit, um Geld aus der Firma zu ziehen und "unter dem Kopfkissen" für den Sportwagen anzusparen, wie es Richter Burghardt formulierte. Am 9. Dezember 2013 bezahlte er den gelben Flitzer in bar. Bei der ersten Ausfahrt war auf dem Autobahnzubringer bei Knetzgau das Glück vorbei: Wegen überhöhter Geschwindigkeit kam er von der Straße ab. Schaden: geschätzte 128 000 Euro. Die Versicherungssumme floss später seinem Startkapital für Thailand zu.
Zwei Wochen später legte er die eidesstattliche Versicherung ab. Er gab an, nur noch 50 Euro zu besitzen und vom Gehalt seiner damaligen Freundin zu leben. Die ließ er ebenso zurück wie seinen ehemaligen Fahrer. Dem mittellosen und geschäftlich wohl auch ahnungslosen 48-Jährigen hatte der Angeklagte im September 2013 pro forma seine Firma verkauft. Das einzige Ziel der Transaktion war es nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft, die Gläubiger der Spedition ins Leere laufen zu lassen. Deswegen sitzt der Fahrer wegen Beihilfe zum Bankrott ebenfalls auf der Anklagebank. Der neue Chef zog Forderungen ein, die ihm der Angeklagte übertragen hatte und verkaufte einen Teil der Lkw. Das Geld floss alles in den Sparstrumpf für Thailand, wo der andere rasch eine neue Freundin fand, mit der er ein Restaurant eröffnen wollte. Staatsanwalt Michael Hoffmann würde gern von ihm wissen, wo das viele Geld geblieben ist. Der 49-Jährige beteuerte zum Prozessauftakt, dass er keinen Sparstrumpf mehr habe. Beim nächsten Verhandlungstag will er eine Auflistung mitbringen. Ein weitgehendes Geständnis hat er abgelegt. Im Grunde geht es für ihn schon wieder aufwärts. Seinen Tiefpunkt hatte er erreicht, als ihn die thailändische Polizei nach der Festnahme in eine schmutzige Zelle mit bis zu 29 Mitgefangenen steckte. Für eine Decke und Essen musste er ebenso bezahlen wie für den Schlafplatz. Am Montag versicherte er: "Ich bin sehr froh, in Deutschland in Haft zu sein." Das sagen wenige Bewohner des "Grauen Löwen".