Die "Hätscherklooßen" warnen die Bürger vor den Gefahren des Feuers und erinnern an die größte Katastrophe der Stadtgeschichte.
Zwielichtige Gestalten werden am Abend des 30. November (Donnerstag) durch die Straßen und Gassen Königsbergs ziehen. Gehüllt in Mäntel und Umhänge, ausstaffiert mit Halskrausen, bewaffnet mit hölzernen Schwertern und bemalt mit dem Bart eines Musketiers ziehen an diesem Tag die Kinder der Stadt von Haus zu Haus, um vor den Gefahren des Feuers zu warnen. Verkleidet als Feldherr Johann t'Serclaes von Tilly erinnern die "Hätscherklooßen" an die größte Katastrophe der Königsberger Stadtgeschichte.
Es war im Dreißigjährigen Krieg, genauer: am 6. beziehungsweise - nach dem heute gültigen Kalender - am 16. März 1632, dass der katholische Heerführer die Stadt Königsberg mit seiner rund 8000 Mann starken Armee besetzte. Er selbst quartierte sich in einem Haus am Salzmarkt ein. Ausgerechnet in Tillys persönlichem Stall soll in der Nacht eine verheerende Feuersbrunst ihren Zündfunken erhalten haben. So besagt es zumindest eine Chronik aus dem 18. Jahrhundert. Durchaus wahrscheinlich mag aber auch sein, dass das Feuer mutwillig gelegt wurde. Schon damals vermutete man in Bürgern der katholischen Städte Haßfurt und Zeil die Brandstifter, zumal jene Tilly überhaupt erst gegen die evangelischen Königsberger geschickt haben sollen, um deren blutigen Raubüberfällen auf die umliegenden Städte Einhalt zu gebieten.
Flammendes Inferno
Das in dieser Nacht ausgebrochene Feuer griff so schnell um sich, dass in Kürze der größte Teil der Stadt lichterloh in Flammen stand. Noch in Schweinfurt ließ das Inferno den Horizont glutrot erleuchten. Allein 130 Wohnhäuser sollen zerstört worden sein. Für Königsberg, einst eine einflussreiche und mit etwa 2000 Einwohnern für die damalige Zeit durchaus große Gemeinde, war dies das abrupte Ende seiner Stellung als regional bedeutendes Wirtschafts- und Handelszentrum. Der Glanz der Geschichte war mit einem Schlag dahin.
Um auf die Gefahren des Feuers aufmerksam zu machen, gehen nun schon seit Jahrzehnten immer am letzten Novembertag die "Hätscherklooßen" von Tür zur Tür und mahnen angesichts der angebrochenen dunklen Jahreszeit mit Gedichten des 1995 verstorbenen Heimatdichters Karl Eisentraut den vorsichtigen Umgang mit dem Feuer an - nicht zuletzt in der Hoffnung, dafür im Gegenzug eine kleine Gabe zu erhalten. Überhaupt hat man nicht nur die Förderung, sondern auch die Entstehung des Brauches dem ehemaligen Rektor der Königsberger Volksschule, Karl Eisentraut, zu verdanken. "Hätscherklooß" sei, so lautete dessen Überzeugung, eine kindliche Verballhornung des "Herrn t'Serclaes", da Eltern mit dessen Namen - in Erinnerung an das große Leid, das der Feldherr über die Stadt brachte - ihre Kinder das Fürchten lehren wollten. Sofern diese nicht spurten, soll die Drohung gefallen sein, der Herr t'Serclaes werde kommen und sie fortholen.
Mit "Hätscherklooß" oder "Hätschaklas", wie der Begriff vornehmlich im Schweinfurter Dialekt Erwähnung findet, ist allerdings vielmehr der Nikolaus gemeint. "In der Silbe ,Klas‘ steckt natürlich der ,Klaus‘ - der Nikolaus, und mit ,Hätscha‘ oder auch mit ,Hetschn‘ ist ein besonders schleppender Gang gemeint, mit dem der Nikolaus offenbar in Schweinfurt und Umgebung daherkommt", erklärt der an der Universität München dozierende Mundartforscher Anthony Rowley.
Jedenfalls hat sich dadurch in Königsberg ein schöner und eigenartiger Brauch entwickelt, der an einen einschneidenden Moment in der Stadtgeschichte erinnert. So kann man die Königsberger Bürger nur bitten, am Abend des 30. Novembers ihre Türen nicht verschlossen zu halten, wenn die "Hätscherklooßen" umherziehen und eines ihrer Gedichte zu Gehör bringen.