Ein Unbekannter schrammt ein Auto an, bemerkt dies aber angeblich nicht. Aus dem FT erfährt er: Eine 25-Jährige ist die Leidtragende. Was folgt: ein Brief mit Bargeld, ein anonymes Bekennerschreiben und eine überglückliche junge Frau.
Anna Lienhardt
Als der Polizist angerufen hat, hat sie drei Mal nachgefragt. "Ich habe mich gefühlt wie bei der versteckten Kamera und darauf gewartet, dass gleich die Auflösung kommt", sagt Sandra Jahn.
Die 25-Jährige konnte schlicht nicht glauben, was ihr der Beamte da am Telefon erzählte. "Ich habe nicht damit gerechnet, dass sich überhaupt noch etwas ergibt."
Einen Tag vor Weihnachten
Etwas, das vielleicht zu dem Unbekannten führt, der ihr Auto angefahren hat - ohne sich um den Schaden zu kümmern. Hinterlassen hat er auch nichts, kein Zettel, keine Nummer. Es passierte in der Nacht vom 16. auf den 17. April in der Lobenhoffer Straße, in der Nähe des Bamberger Klinikums am Bruderwald: Schrammen am hinteren, linken Kotflügel ihres Renault.
Das Auto ist noch kein halbes Jahr alt, "am 23. Dezember 2015 habe ich ihn geholt, einen Tag vor Weihnachten", sagt die Bambergerin.
Kratzer bis auf den Grundlack
Was zunächst wie oberflächliche Schrammen aussieht, entpuppt sich als Schaden in Höhe von 1000 Euro - "weil die Kratzer teilweise bis auf den Grundlack gehen und sich dort Rost ansetzen könnte", erklärt Jahn.
"Erst mal war große Heulerei angesagt. Ich bin allein erziehend, ein Schaden wie dieser ist für mich nicht leicht zu stemmen."
Noch an dem Tag, als sie den Schaden entdeckt, geht sie zur Polizei. Gut zwei Wochen später kommt von dieser der überraschende Anruf. Polizeihauptkommissar Holger Dremel: "Am Anfang war die Dame, sagen wir mal, stark irritiert. Dann hat sie sich riesig gefreut."
"Einmaliger Fall"
Darüber, dass sie die 1000 Euro erhält, die das Beheben des Schadens kostet. In bar. Das Geld war mit einem anonymen Bekennerschreiben - aus Angst vor Strafverfolgung - in den Briefkasten der Polizei eingeworfen worden. "Ein absolut einmaliger Fall", sagt Dremel.
Schreiben bei Staatsanwaltschaft
Das Schreiben wird bei der Bamberger Staatsanwaltschaft verwahrt, doch Dremel verrät immerhin so viel: Der Verfasser hat offenbar von der Unfallflucht in der Lobenhofferstraße im Fränkischen Tag gelesen. Des Weiteren sei er zur Unfallzeit am Unfallort gewesen, habe der Unbekannte geschrieben. Er habe selbst keinen Anstoß gemerkt.
Als er jedoch an seinem Wagen ebenfalls einen Schaden feststellte, habe er eins und eins zusammengezählt und sei davon ausgegangen, dass er offensichtlich leicht an dem Renault der Geschädigten hängen geblieben sei.
Geschah das tatsächlich unbemerkt oder machte sich der Verursacher vielleicht einfach aus dem Staub?
Nicht mehr nachvollziehbar
Der genaue Ablauf lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Holger Dremel deutet mit Blick auf seine langjährige Berufserfahrung bei der Polizei jedoch an: "Es ist durchaus möglich, dass der Unbekannte den Schaden nicht bemerkt hat." Dies komme bei bestimmten Schadensbildern durchaus vor.
Der Verfasser des Briefes ging rückwirkend jedenfalls davon aus, dass er Schuld hatte. "
Er wollte, dass die junge Frau zu ihrem Geld kommt und dass der Geschädigten keine extra Kosten entstehen", sagt Dremel, und fügt mit einem Lächeln hinzu: "Das ist doch mal sehr sympathisch."
Sogar mehr als sympathisch findet das Sandra Jahn selbst. Sie hofft, dass der Unbekannte die Geschichte in der Zeitung liest und will ihm auf diesem Weg mitgeben: "Ich möchte mich bei diesem Menschen bedanken. Es ist schön, dass es so viel Ehrlichkeit und Menschlichkeit noch gibt. Ich bin unglaublich dankbar."
Nicht entfernen
Allerdings weist die Staatsanwaltschaft Bamberg in einer gemeinsamen Presseerklärung mit der Polizeiinspektion Bamberg-Stadt darauf hin, "dass man sich als Unfallbeteiligter grundsätzlich nicht vom Unfallort entfernen darf, ohne seine Personalien anzugeben.
Ansonsten macht man sich strafbar und wird von Staatsanwaltschaft und Polizei verfolgt." Eine kurze Anleitung zum richtigen Vorgehen findet sich im nebenstehenden Infokasten.
Ermittlungen sind beendet
Apropos verfolgen: Laut Holger Dremel ist die Ermittlungsarbeit der Polizei beendet - "wir haben keine Zeugen, wir haben keine Spuren."
Das war auch schon die Vermutung von Sandra Jahn gewesen, als sie den Vorfall gemeldet hatte. Umso glücklicher ist sie über die 1000 Euro Wiedergutmachung. Sie hat das Geld bereits erhalten und lässt dieser Tage ihren Renault reparieren.
Die Mutter eines kleinen Sohnes erinnert sich noch gut an den Moment, als sie die Summe direkt bei der Polizei abholen durfte. "Ich habe am ganzen Körper gezittert. So groß war die Freude, dass ich nicht auf dem Schaden sitzen bleibe."