Gescheiterte Abschiebungen - so sieht die Lage in Oberfranken aus

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Gescheiterte Abschiebungen - so sieht die Lage in Oberfranken aus
Für das Scheitern von Abschiebungen gebe es vielfältige Gründe, heißt es vonseiten der Regierung von Oberfranken.
Gescheiterte Abschiebungen - so sieht die Lage in Oberfranken aus
Michael Kappeler/dpa

Viele Abschiebungen aus Deutschland scheitern - woran liegt das? Und wie sieht die Lage in Oberfranken aus? inFranken.de hat bei der dortigen Regierung nachgehakt.

Nach der tödlichen Messerattacke auf dem Stadtfest in Solingen im August werden die Forderungen nach härteren Abschieberegelungen lauter. Zugleich wird Aufklärung verlangt, weshalb die Behörden im vergangenen Jahr mit dem Versuch scheiterten, den syrischen Asylbewerber abzuschieben. Erst dadurch konnte der mutmaßliche Täter den Anschlag mit drei Todesopfern demnach überhaupt verüben.

Im ersten Halbjahr 2024 scheiterten nach Angaben des Bundesinnenministeriums über 14.000 Abschiebungen vor der Übergabe an die Bundespolizei. Insgesamt wurden im selben Zeitraum knapp 9500 Menschen aus Deutschland abgeschoben. Wie sieht die Lage in Oberfranken aus? inFranken.de hat bei der zuständigen Regierung nachgefragt. 

289 Abschiebungen aus Oberfranken im vergangenen Jahr - Regierung nennt Details 

"Zwischen dem 1. Januar und 31. Dezember 2023 wurden insgesamt 289 vollziehbar ausreisepflichtige Personen aus der Zuständigkeit oberfränkischer Ausländerbehörden abgeschoben", berichtet eine Sprecherin der Regierung Oberfranken. Auf die Frage, wie viele Abschiebungen im vergangenen Jahr scheiterten, erklärt sie, dass die Zentrale Ausländerbehörde an der Regierung von Oberfranken (ZAB) hierzu keine Statistik führe. "Die vom Bund und den Ländern immer wieder publizierte Quote von circa 2/3 gescheiterten Abschiebungen erscheint aber auch für den Regierungsbezirk Oberfranken eine realistische Größe", hält die Sprecherin fest. 

Für das Scheitern von Abschiebungen gebe es vielfältige Gründe. "In manche Staaten sind Rückführungen zeitweise unmöglich - zum Beispiel Syrien, Afghanistan, Belarus, Ukraine - in andere ausschließlich bei Vorliegen eines gültigen Reisepasses möglich", heißt es. "Häufig passiert es auch, dass die ausreisepflichtige Person am Abschiebetag nicht in ihrer Unterkunft angetroffen wird, sondern untergetaucht ist", erklärt die Regierungssprecherin weiter. Zudem scheitern Abschiebungen ohne Sicherheitsbegleitung "oft wegen aktiven oder passiven Widerstands der Betroffenen am Flughafen". In wenigen Einzelfällen werde auch Reiseunfähigkeit am Abschiebetag festgestellt.

Doch was passiert nach einer gescheiterten Abschiebung aus Oberfranken? "Entweder es wird sogleich ein Antrag auf Abschiebehaft gestellt oder die Person muss sich in die Aufnahmeeinrichtung Oberfranken in Bamberg begeben", so die Sprecherin. Von dort aus werde der betroffenen Person erneut eine Unterkunft zugewiesen. "Die Ausländerbehörde prüft dann, ob für eine erneute Planung der Aufenthaltsbeendigung verschärfte Maßnahmen ergriffen werden können, also zum Beispiel Ausreisegewahrsam oder Sicherheitsbegleitung." 

Welche Instanzen sind am Vollzug einer Abschiebung beteiligt?

Die Regierung von Oberfranken erklärt auf Nachfrage von inFranken.de, welche Instanzen am Vollzug beteiligt sind: Die zuständige Ausländerbehörde organisiert Aufenthaltsbeendigungen in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Asyl und Rückführungen (LfAR) sowie der zuständigen Polizeidienststelle, erklärt die Sprecherin. "Bei Abschiebungen aus Abschiebehafteinrichtungen ist die Stellung eines Haft- oder Ausreisegewahrsamsantrags beim zuständigen Amtsgericht erforderlich." Vereinzelt finden Abschiebungen demnach auch aus Justizvollzugsanstalten statt (bei Straf- oder Untersuchungshaft).

Das LfAR ist bayernweit zentral zuständig für die Beschaffung von Passersatzpapieren bei den Herkunftsländern und die Buchung von Einzel- und Sammelcharterflügen, heißt es weiter. Die Polizeiinspektion übernimmt in Vollzugshilfe den Transport der Menschen vom Aufenthaltsort zum Flughafen oder zu einer Grenzübertrittsstelle, denn nur die Polizei dürfe gegebenenfalls "unmittelbaren Zwang" anwenden. "Gegebenenfalls veranlasst die Ausländerbehörde vorher eine ärztliche Reisefähigkeitsuntersuchung und/oder beauftragt eine ärztliche Begleitung des Transports", berichtet die Sprecherin. 

Die Zentrale Ausländerbehörde ist den Angaben der Regierung von Oberfranken zufolge für abgelehnte Asylbewerber, die in ihre Heimatländer zurückkehren müssen, sowie für DUBLIN-III-Überstellungen in andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zuständig. Überstellungen im Rahmen der Dublin-Verordnung bedeuten, dass Betroffene in das europäische Land zurückgebracht werden, das für ihr Asylverfahren zuständig ist, weil sie dort zuerst ankamen. In 164 Dublin-Fällen wurde im ersten Halbjahr 2024 nach Bulgarien abgeschoben, wohin auch der Solinger Attentäter überstellt werden sollte.

"Wenn ein Asylantrag durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt wurde und bestandskräftig ist und auch keine Duldungsgründe vorliegen, die ausreisepflichtige Person jedoch eine freiwillige Rückkehr ins Herkunftsland verweigert, dann stellt die Ausländerbehörde einen sogenannten Schubantrag beim LfAR", so die Sprecherin. Dieses organisiere ein Transportmittel für die Rückführung und teile dann den Termin mit. Daraufhin erhalte die zuständige Polizeiinspektion einen Schubauftrag von der Ausländerbehörde, den sie eigenständig plane und durchführe.

Grundlegender Kurswechsel in der Asylpolitik gefordert: Herrmann will "Integrationsgrenze"

Auf die Frage, ob die Regierung von Oberfranken Bedarf zur Optimierung der Abschiebungsprozesse sieht, verweist die Sprecherin auf die im Januar dieses Jahres erfolgte Stellungnahme des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU): "Länder und Kommunen sind durch die unkontrollierte Zuwanderung bei der Aufnahme und Integration von Geflüchteten in allen Bereichen an ihrer Belastungsgrenze angelangt", erklärte Herrmann damals. 

"Die Ressourcen sind nahezu vollständig ausgeschöpft. Wir brauchen eine Integrationsgrenze", forderte er. Diese müsse auch berücksichtigen, dass abseits der irregulären Migration auch noch zahlreiche Arbeitsmigranten nach Deutschland kommen, bei denen ebenfalls Integrationsbedarf besteht. Damit der Migrationsdruck abnimmt, brauche es nach den Worten des Innenministers schnell einen Kurswechsel in der Migrationspolitik.

Ende August begrüßte Herrmann die erste bundesweite Sammel-Abschiebung nach Afghanistan seit Juli 2021: "Ich hoffe, dass es sich hierbei nicht um ein reines Strohfeuer der Bundesregierung handelt. Es müssen nun zügig weitere Rückführungen sowohl nach Afghanistan als auch nach Syrien folgen."