klar.text fragt Lehrer, warum sich Schüler mit manchen Fächern beschäftigen müssen. Heute erklärt der Ebermannstadter Bernd Herberlein, warum Latein den Geist und Charakter schult.
Es braucht nur ein einziges Zitat und man steckt mitten im Lateinunterricht: "Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon." Das Zitat stammt von Augustinus.
Was aber hat nun Reisen, die Art und Weise, wie man seinen Urlaub verbringt, mit Latein zu tun? Es ist das tiefgründige Wissen, das in den alten Texten übermittelt wird und noch heute seine Gültigkeit hat. Jeder verbringt seinen Urlaub anders. Wer allerdings in ein Land fährt und dort nur in der Sonne liegt, verändert sich nicht.
Wer verreist, ohne sich mit den Menschen, mit der anderen Kultur zu beschäftigen, dreht sich um sich selbst. Die Flucht aus dem Alltag ist eine Flucht vor sich selbst. Auch seine Probleme nimmt man mit.
Seneca schrieb diese Anschauungen in seinem 28. Brief an Lucilius.
Und mit diesen selbstkritischen Gedanken, abgefasst in einer "toten Sprache", beschäftigen sich die Schüler auch noch heute im Lateinunterricht.
Der Sinn des Lebens
Aber das mit der vermeintlichen "toten Sprache" will Bernd Heberlein ohnehin nicht hören. Er ist Kursbetreuer am Gymnasium Fränkische Schweiz in Ebermannstadt.
Dort wählten zuletzt 45 Prozent der Schüler Latein. Gerade ab der achten Klasse heißt Latein nicht nur Vokabeln lernen und Endungen pauken, sondern sich über historische Texte und Briefwechsel zu unterhalten. Über Ovid, der über Liebe schreibt, oder Martial, der mit seinen Satiren die Realität karikiert und damit kritisch betrachtet, oder über Cicero und Seneca, die über den Sinn des Lebens philosophieren.
Die Formulierungen mögen sich verändert haben, die Fragen selbst sind aber gleich geblieben. Wer fragt nicht ab und zu nach dem Sinn des Lebens und den vielen Facetten der Liebe? Wer macht sich keine Gedanken über Glück, und wie er es erreichen kann?
Selbst über die heute oft bewusstlos hingeworfene Formulierung "Zeit haben" haben die Römer tiefschürfende Gedanken zu Papier gebracht. Gerade Augustinus, der Kirchenvater, würde diesen Satz ablehnen. "Es klingt, als hätte man Besitz über etwas", erklärt Heberlein Augustinus Ausführungen in dessen Buch "Cofessiones".
Dass diese Gedanken über die Zeit keine hochgestochenen philosophischen Gedanken sind, sondern eher tiefgründigen Diskussionen anregen, zeigt auch Michael Endes Buch "Momo".
Zeit ist ein kostbares Gut. "Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen", schrieb Seneca dazu einmal.
"Was uns überliefert wurde, ist die Quintessenz der Gedanken. Die wertvollsten wurden abgeschrieben. Wir haben einen Schatz von wenig Texten, aber umso wertvoller", wirbt Bernd Heberlein für das Unterrichtsfach Latein.
Im Unterricht geht es aber nicht nur um Gedanken und Thesen, sondern ganz grundlegend einmal um Aufbau und Struktur von Sprache. Denn wer Latein lernt, zerpflückt in den ersten Jahren erst einmal jeden Satz, jedes Wort, denn auf die Endungen, selbst auf die einzelnen Buchstaben kommt es an. Latein lehrt Dingen auf den Grund zu gehen und konzentriert zu analysieren.
Zusammenhänge entdecken
"Man erkennt den Sachverhalt und kann eine Lösung schrittweise in Gang bringen", beschreibt Heberlein diesen Prozess. Heberlein glaubt, dass Lateinschüler nach einer Zeit systematischer an komplexe Sachverhalte herangehen. Das zeige auch Vorteile für das Fach Deutsch, wenn es um grammatikalische Strukturen und die Interpretation von Inhalten gehe.
Aber auch das nüchterne, das naturwissenschaftliche Denken wird durch Latein gefördert. Das Ebermannstadter Gymnasium zog erst vor einigen Tagen mit dem Erfolg bei "Jugend forscht" die Aufmerksamkeit auf sich. "In hohem Maße waren Lateiner daran beteiligt", sagt Heberlein stolz.
Und doch muss noch ein Fach mit Latein in Verbindung gebracht werden: Geschichte. In Latein werden geschichtliche Zusammenhänge sichtbar. Zahllose Sprichwörter sind von den antiken Vorstellungen behaftet, das Vorstellungsvermögen wird geschult und natürlich kann die lateinische Sprache laut Heberlein auch helfen, Fremdwörter abzuleiten.
Und dann schult Latein und die Beschäftigung mit den alten Kriegsherren und Philosophen den Charakter der Schüler. Davon ist Heberlein nach all den Jahren in der Schule jedenfalls überzeugt: "Arroganz und Überheblichkeit passt nicht zu den Lateinern. Es ist ein Zeichen für Dummheit", sagt Heberlein. Schon aus diesem Grund kann Heberlein nur darüber lachen, wenn andere Latein als eine "tote Sprache" verlachen.
Im besten Fall bekommen die Lateinschüler auch eine Ahnung davon, dass Sprache nicht nur Kommunikationsmittel ist, sondern auch ein Mittel der Machtausübung. Das hat vielleicht niemand besser als Caesar begriffen. Seine Sätze, Formulierungen und Phrasen zu durchschauen und auf ihre außersprachlichen Effekte hin zu analysieren, lernen die Lateinschüler.
Nicht mit welchen militärischen Strategien Caesar die Gallier besiegte, untersuchen die Schüler im Lateinunterricht, sondern mit welchen sprachlichen Mitteln er diese Siegeszüge anschließend beschrieb. Es gilt zwischen den Zeilen zu lesen. "Denn Augen haben und betrachten ist nicht dasselbe", würde Augustinus sagen.
Für das Leben lernen
In komplizierten Satzreihen und beinahe endlosen Nebensätzen feierte Caesar seinen Sieg. Sicher wird auch heute allein durch Sprache noch Macht ausgeübt. Sprache kann Realitäten erst erschaffen.
Schule ist kein Selbstzweck. Nicht nur gute Note sollen die Schüler lernen, sondern für das Leben an sich. Diese Einsicht verdanken die Menschen Seneca. Es könnte sein, dass der Lateinunterricht dieser Forderung tatsächlich genüge tut.
Die bildungsfernen Schichten, also die, die sich weigern BR-Alpha zu schauen oder lieber ein Seidla Hebendanz trinken als einen Riesling vom Würzburger Stein, die brauchen kein Latein.
Lateinkenntnisse sind bei Politikern sehr beliebt um ihre Worthülsen zu vernebeln. In den öffentlichen Ausführungen von Politikern und solche die es werden wollen oder nicht geworden sind, (siehe Forchheim-Blog von der NN in der Rubrik :Spott über Udo Schönfelder) . Dort werden Pseudo- Lebensweisheiten in lateinisch mit eingeschoben um die eigene Unfehlbarkeit zu untersteichen und halt irgendwie auch etwas gebildet daherzukommen.
Beim Arzt ist Latein einfach unverzichtbar. Es ist doch immer so beruhigend,wenn nach der Untersuchung einem die Diagnose auf latainisch gesagt wird. Man weiß dann wenigtstens nicht, was man hat.
Latein oder nicht Latein, das ist hier die Frage !