Wie viele moderne Häuser verträgt ein fränkisches Dorf?

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Streit um moderne Häuser gibt es derzeit am Fuße der Vexierkapelle in Reifenberg. Fotos: Peter Groscurth
Streit um moderne Häuser gibt es derzeit am Fuße der Vexierkapelle in Reifenberg. Fotos: Peter Groscurth
 
Kreisheimatpfleger Edwin Dippacher
Kreisheimatpfleger Edwin Dippacher
 
 
 

Unterhalb der Reifenberger Vexierkapelle sind zuletzt einige neue Gebäude entstanden, die im typisch fränkischen Ortsbild auffallen. Das scheint nicht allen Bürgern des Dorfes zu gefallen.

Ein anonymes Schreiben einer "Vereinigung besorgter Reifenberger Bürger" sorgt für Missstimmung rund um die weitbekannte Vexierkapelle. Darin geht es schlicht und einfach um die Frage: Wie viele moderne Häuser verträgt ein kleiner fränkischer Ort wie Reifenberg?

Der Verfasser wählt dazu drastische Worte, klagt Bauherren und zugezogene Familien an. Sie würden mit ihren schwarz-weißen Riesen-Häusern das Dorf bedrohen. Wörtlich nennt der Autor die Bauten "Kolosse". Und schreibt weiter: "Eckig, großfenstrig, mit allem technischen Schnickschnack - ja, auch die rundum schwenkbare Überwachungskamera darf nicht fehlen - versehene Neubauten im Toskanastil, die den Anschein erwecken, es seien Außerirdische in das fränkische Dorf eingefallen und hätten vor, es sich Untertan machen."

Ein Dorfbewohner?
Der Briefschreiber scheint ein Dorfbewohner
zu sein, schildert Details der Häuser und deren Bewohner, zieht über sie und deren Kinder her. Die Bürgerschaft im idyllischen Reifenberg soll zudem gespalten sein und der Autor stellt die Frage, wer "solche Bauten mitten auf dem Land genehmigt" hat. Und fügt dann an, dass die "Ästhetik" dieser Häuser "der von Burgen und Festungen gleichkommt". Wirtschaftliche Aspekte stünden hier vor dem Wohl der Bürger und der Natur: "Kaufkraft vor Tradition. Wachstum vor Stillstand. Schnelles Geld vor Nachhaltigkeit. Profilierung vor Allgemeinwohl."

Das Schreiben - eine Din-A4-Seite lang - endet düster, denn es seien noch mindestens zehn solcher Häuser geplant. Der Autor schließt mit der Aufforderung, dem Ort einen Besuch abzustatten und empfiehlt: "Tun sie dies, solange es noch geht, denn in weniger als fünf Jahren wird dieses Dorf nicht mehr das sein, was es war, denn die Invasion der schwarz-weißen Toskana-Stil-Riesen schreitet unaufhaltsam voran."

Anklage und Angst
Was ist dran an dieser drastischen Anklage und der Angst um Reifenberg und seiner Identität? Ortsbesuch am Fuße der Vexierkapelle. Die Neubauten sind zu sehen, stehen im leichten Hochnebel - im Brief werden sie sehr blumig als "Raumschiffe von Außerirdischen" bezeichnet. Das Ortsbild wird geprägt durch Häuser aus den 70er-, 80er- oder 90er-Jahren in den unterschiedlichsten Baustilen. Die neuen Häuser fügen dem eine weitere Variante hinzu. Genau genommen handelt es sich nicht um Toskana-Häuser, wie ein Vorwurf des Kritikers lautet, sondern um Anwesen anderer, verschiedener Bauweisen.

Überwachungskameras?
Überwachungskameras, wie in dem Pamphlet geschildert, sind nicht zu sehen. Vielmehr hat einer der Bauherren die Arbeiten an seinem Haus mit einer Video-Kamera für einen Zeitraffer-Film festgehalten. Üble Polemik also, um andere Bürger zu ängstigen und aufzuhetzen?

Hinter den Mauern der als Toskana-Kolosse verunglimpften Bauten finden sich keine Aliens aus dem All. Eine junge Frau öffnet nach dem Klingeln an der Tür und - auf das Schreiben angesprochen - zeigt sie sich verwundert: "Wir sind hier von den Nachbarn und Bürgern toll aufgenommen worden. Mein Mann und ich waren auf der Kirchweih und hatten nicht den Eindruck, dass wir unwillkommen sind."

Ihr Ehemann macht dem anonymen Schreiber gar ein Angebot: "Wenn jemand ein offenes Gespräch sucht, kann er uns gerne besuchen kommen. Doch man soll die Kirche im Dorf lassen: Wir werden bestimmt nicht unser Haus umbauen und mit fränkischen Elementen versehen."

Was sagt ein Experte über moderne Architektur auf dem Land? Edwin Dippacher ist Kreisheimatpfleger im Landkreis Forchheim und erklärt: "Ich sehe grundsätzlich moderne Baustile in einigen Bereichen unserer Ortschaften kritisch. Aber wir sollten dennoch offen bleiben für Neues. So bauten auch schon frühere Generationen Häuser mit Walmdächern und auch die sogenannten Toskana-Häuser haben eine bestimmte Variante eines Walmdaches", erklärt Dippacher.

Und er fügt an: "Wir sollten die Augen nicht verschließen, dass eben manche Stile sehr beliebt und daher auch sehr verbreitet bei Bauherren sind." Einen Vorschlag macht der erfahrene Kreisheimatpfleger: "Jeder könnte ein wenig zur Identität Frankens beitragen, wenn er bei seinem Neubau einen Erker oder andere kleine Elemente, die typisch für die Region sind, einplant."

Bürgermeister hat Vermutung
Gerhard Amon (CSU), Bürgermeister von Weilersbach, glaubt zu wissen, wer hinter dem Brief steckt: "Er hat schon früher harsche Kritik an den neuen Bebauungen geübt, wollte sie verhindern." Vergeblich, denn Gerhard Amon ist froh, wenn sich junge Familien dazu entscheiden, in Reifenberg bauen zu wollen: "Das ist für unsere Gemeinde wichtig. Wir brauchen diesen Zuzug, damit unser Ort auch eine Zukunft hat."

Er kennt so manch anonymes Schreiben des ominösen Verfassers, doch Gerhard Amon lässt sich nicht beeindrucken: "Wir prüfen alle Baupläne und lassen uns auch bei offenen Fragen vom Landratsamt beraten. Hier geschieht alles nach Recht und Gesetz."

Und der Briefschreiber? Den treiben wohl vor allem eigene Interessen um. Er soll eine Ferienwohnung in seinem Haus haben und genau vor deren Talblick wurde eines der neuen Häuser gebaut. Aber das geschah ganz legal und genehmigt. Steckt hinter der geschickt formulierten Architektur-Kritik und der Angst vor dem Verlust fränkischer Identität also nur purer Eigennutz? Mal sehen, wie es im beschaulichen Reifenberg weitergeht.