"Verdienter Bürger" Hans Räbel ist in Verruf geraten

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Hans Räbel gilt als verdienter Bürger der Stadt. Die Forchheimer ehren ihn durch einen Straßennamen. Doch es gibt gute Gründe, sich von dem bisherigen Räbel-Bild und von dem Straßennamen zu verabschieden.

Viele Forchheimer nennen Hans Räbel in einem Atemzug mit der Kaiserpfalz. Denn Räbel war es, der für das Gebäude kämpfte, als es Anfang des 20. Jahrhunderts wahlweise abgerissen, als Lagerhaus genutzt oder in eine "Irrenanstalt" umfunktioniert werden sollte. Das verhindert zu haben, gilt bis heute als Verdienst Räbels.

Noch als Rentner hatte er das Kaiserpfalz-Projekt vorangetrieben. Das war in den 30er- und Anfang der 40er-Jahre (er starb 1941). Und seit einigen Wochen ist genau jene Lebensphase Räbels in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Welche Rolle spielte Hans Räbel während des Nationalsozialismus? Ist es angemessen, dass die Stadt ihren ehemaligen Zweiten Bürgermeister bis heute mit einem Straßennamen ehrt?

Vortrag stimmt nachdenklich

Auslöser solch kritischer Fragen war jüngst der 75.
Gedenktag anlässlich der Reichspogromnacht im Forchheimer Rathaus. Zu diesem Anlass hatte der aus Forchheim stammende Historiker Thomas Greif über die "Pogromnacht vom 9./10. November in Forchheim" gesprochen.

Erst dieser Vortrag habe ihm mit "Massivität und Wucht" verdeutlicht, "dass Räbel nicht nur eine Figur mit Verdiensten, sondern auch eine Figur mit schwerer Schuld ist", sagt der SPD-Stadtrat Reinhold Otzelberger. Der Lehrer, Politiker und Heimatforscher Räbel "gehörte offenbar zu den renommierten Persönlichkeiten jener Zeit, die nazistische Gedanken vertreten und das Nazitum gestützt haben", sagt Otzelberger.

Diese Einsicht habe am 10. November noch im Rathaus eine Debatte ausgelöst - mit Parteifreunden, aber auch mit Stadträten anderer Parteien, erinnert sich Otzelberger: "Es ging darum, solide zu prüfen, ob dieser sehr umstrittener Name als Straßenname eine Zukunft hat."

Die Vorbehalte gegen Räbel seien auch bei ihm "angekommen", sagt Dieter George, der Forchheimer Kulturbeauftragte. Seine Position: Wäre im Fall Räbel "ein Antisemitismus nachweisbar, der zum Holocaust geführt hat, dann müsste man sich was überlegen." Wollte man jedoch die Abschaffung der Räbel-Straße alleine mit antisemitischen Äußerungen begründen, dann müsste auch die Richard-Wagner-, die Wilhelm-Busch- oder die Wilhelm-Hauff-Straße in Forchheim abgeschafft werden, gibt George zu bedenken.

Wie Reinhold Otzelberger und Dieter George, möchte auch der Forchheimer Lehrer und Historiker Rolf Kießling Voreiligkeit vermeiden. Er habe sich "noch nicht genauer mit Räbel befasst"; aber klar sei, dass Räbel "ein Konservativer war, der sich verrannt hat". Im Stadtarchiv könne jeder nachlesen, "dass sich Hans Räbel für Gottlieb Kärgelein eingesetzt hat, als der angeklagt war". Und, betont Kießling: "Kärgelein war Antisemit reinsten Grades. Wenn Räbel ihn unterstützt, macht er sich schuldig."

Räbel-Kommission einsetzen

Ob Räbel Mitläufer oder Überzeugungstäter war, dies müsse "durch eine kritische Diskussion entschieden werden", fordert George. Und Otzelberger plädiert für eine Kommission, die den Fall Räbel "solide recherchiert und diskutiert".

Keinesfalls sei das Thema für den Wahlkampf tauglich, sagt Otzelberger und delegiert die Aufgabe an den neuen Stadtrat: "Der sollte ab April entscheiden, ob der Name Hans Räbel länger Straßenname bleiben kann." Vielleicht nützt dem neuen Stadtrat dann dieser Hinweis von Thomas Greif: "Nach der Wende wurde in Forchheim ein sehr starker Maßstab angelegt, als die Karl Marx-Straße abgeschafft wurde."

Ein "Straßennamengeber", sagt der Historiker Greif, müsse "eine bestimmte Wertigkeit" erfüllen. Fazit Greif: "Wenn die Abschaffung des weltweit bedeutenden Philosophen Marx als Wertigkeit gilt, dann muss man sich auf jeden Fall von Räbel als Namensgeber verabschieden".


Fünf Gründe, die gegen Hans Räbel sprechen

Der in Weißenohe geborene Hans Räbel war Studienprofessor am Forchheimer Progymnasium und in den 20er-Jahren auch Zweiter Forchheimer Bürgermeister. Gerühmt wird er vor allem, weil er 1912 das Forchheimer Pfalzmuseum gegründet hat. Aus aktueller Sicht muss Räbel aber umstritten sein. Und zwar aus mindestens fünf Gründen:

1. Räbel war ein flammender Anhänger von Albert Leo Schlageter, den die Forchheimer Nationalsozialisten als eine Art Heiligenfigur verehrten; sie hatten ihm sogar ein Denkmal gebaut: den Schlageter-Brunnen am Katharinenspital.

2. Von New York aus meldete sich 1947 der letzte Vorstand der jüdischen Gemeinde Forchheim, Bernhard Gröschel, zu Wort. Der Brief des gerade noch rechtzeitig emigrierten Bernhard Gröschel an die Spruchkammer in Deutschland belastet Hans Räbel schwer: "Er war ein schlimmer Antisemit und wühlte immer gegen Juden, auch schriftstellerisch, er hatte großen Anhang und seine Taten wirkten schon vorzeitig und volksvergiftend."

3. Räbel hat sich nachweislich für Gottlieb Kärgelein eingesetzt, der in Forchheim das NSDAP-Hetzblatt "Der Streiter" vertrieb.

4. Räbel hat aktiv die braune Kultur mitgestaltet. Er hatte eine "Kulturbeauftragung der NSDAP", wie Thomas Greif sagt. Hans Räbel war der Denkmalschutz-Beauftragte im Gau Bayerische Ostmark.

5. "Räbel hat die Republik aus tiefster Seele abgelehnt", meint der Historiker Thomas Greif: "Er war vielleicht kein Faschist, aber ein Monarchist und fanatischer Antidemokrat."