Tracht kommt wieder in Betracht

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Rosalie Postatny schneidert an der "rückwärtigen Mitte" einer Samtweste. Fotos: Barbara Herbst
Rosalie Postatny schneidert an der "rückwärtigen Mitte" einer Samtweste. Fotos: Barbara Herbst
Bis zu 25 Stunden sitzt Rosalie Postatny an der Nähmaschine, um eine Trachtenweste zu schneidern.
Bis zu 25 Stunden sitzt Rosalie Postatny an der Nähmaschine, um eine Trachtenweste zu schneidern.
 
Dagmar Rosenbauer zeigt die fränkische Muster-Lederhose.
Dagmar Rosenbauer zeigt die fränkische Muster-Lederhose.
 
Trachten-Expertinnen zeigen, was Männer kleidet.
Trachten-Expertinnen zeigen, was Männer kleidet.
 

Männer finden Gefallen an alten Schnitten. Dafür sorgen Frauen wie Rosalie Postatny und Dagmar Rosenbauer.

Vor zwei Jahren hat Rosalie Postatny ihre erste Männertracht geschneidert. Gerade sitzt sie an der Nähmaschine, das Nadelkissen am Handgelenk, und bearbeitet die "rückwärtige Mitte" einer grünen Samtweste: "Ein historischer Schnitt mit weniger Deko". Mindestens 25 Stunden werde sie dafür benötigen, ", erklärt die 27-Jährige. "Samt verschiebt sich gerne mal."

Die Karriere von Rosalie Postatny wäre vor wenigen Jahren noch nicht denkbar gewesen. Da krähte kein Hahn nach Männertracht. Heute arbeitet die junge Frau aus Egloffstein als selbstständige Schneidermeisterin für Damen- und Herren-Tracht.

Der Fränkische Schweiz-Verein (FSV) hat den Trend aufgegriffen und in dieser Saison einen Arbeitskreis "Männertracht" gegründet. Walther Appelt leitet den Kreis, der von Expertinnen wie Rosalie Postatny oder Dagmar Rosenbauer lebt, die in ihrem Kunreuther Laden Stoffe, Borten und Schmuck anbietet und Menschen berät, die sich an die Tracht wagen.

"Ich bin da hineingeschlittert", erzählt Walther Appelt, dessen Familie aus dem Forchheimer Land stammt. "Meine Großmutter trug nur Tracht und hat in Tracht geheiratet." Die Männertracht sei früh ausgestorben. "Tracht ist, was die Landbevölkerung an hatte", definiert Appelt: "Diese Mode hat seit jeher das, was in der Stadt zu sehen war, zeitversetzt kopiert."

Doch nach Hitler sei die Tracht so verpönt gewesen, "dass die Tradition fast verlorengegangen wäre", erklärt Rosalie Postatny den Niedergang dieser Kleider-Tradition. Ihre Wiederbelebung hat sie den Volksfesten in Bayern zu verdanken. Rosalie Postatny erlebte das auch persönlich so: "Ich habe mit selbst geschneiderter bayerischer Kleidung auf dem Oktoberfest angefangen." Seit sie ihre Meisterprüfung in München absolviert hat, arbeitet sie mit Mustern aus dem 19.Jahrhundert.

Viele Männer lassen sich mittlerweile von historischen Bildern inspirieren. Doch in den Beratungsgesprächen müssen Postatny und Rosenbauer meist Grundsätzliches klären: Soll die Tracht im Verein oder bei einem historischen Umzug getragen werden? Oder soll es eine Weste mit "reduzierter Deko" für den "Geschäftskunden" sein?

Oft schrecken die Männer vor der Üppigkeit historischer Trachten zurück, erzählt Rosalie Postatny. Sie sagen dann Sätze wie: "Ich will nicht ausschauen wie ein Zirkusdirektor." Diese Vorliebe zur Schlichtheit drückt sich auch in der ersten fränkischen Muster-Lederhose aus. Der Bamberger Schneider Karl Löchner hat sie vor wenigen Tagen fertiggestellt. Dagmar Rosenbauer hält das Muster-Exemplar aus Ziegen-Velours-Leder lachend in die Höhe: "Stickereien dezent, fränkisch halt, nicht so knatterbunt, 650 Euro, in Oberbayern zahlt man dafür das Doppelte." Eine Volkskundlerin aus München hatte vor 25 Jahren schon mal eine fränkische Lederhose entworfen. "Doch nur die alte Herrenriege hat sie getragen", erinnert sich Dagmar Rosenbauer.


Schnitte tiefer gelegt

"Hubs, für die Männer gibt es nicht wirklich was." So schildert Walther Appelt seine Erfahrung, als er sich für Männertracht zu interessieren begann. Mittlerweile schneidert er sogar. "Aber nur Frauensachen, Männertracht ist zu kompliziert." Der 50-Jährige hat auch eine erneuerte Tracht entworfen und die Entwicklung genau studiert: "Früher waren die Schnitte anders, auch die Silhouetten der Menschen waren anders. Die Hosen wurden weit über den Nabel hinaufgezogen. Alte Schnitte würde keiner mehr anziehen. Wir haben die Sachen tiefer gelegt. Aber auf Basis der alten Schnitte."

Walther Appelt versteht seinen Einsatz im Arbeitskreis "Männertracht" als Kulturauftrag. "Ich muss dabei nichts verdienen und freue mich, dass die Tracht langsam immer mehr wird."
Offenbar auch deshalb, weil sich das Verständnis von Zugehörigkeit verändert, beobachtet Rosalie Postatny. Sie hat eine pakistanische Freundin, die Tracht trägt. Die Wahl der Tracht habe eben nicht unbedingt damit zu tun, wo man herkommt, sagt die Trachten-Schneiderin aus Egloffstein: "Sondern damit, wo man sich zu Hause fühlt."