Zwei Teamkollegen und ich - ein vierter bleibt auf Drängen seines Vaters im Hotel - fahren nach dem Essen ins 30 Minuten entfernte Verona. Ich habe keine Vergleichswerte, aber für einen Freitagabend wirkt die 250 000-Einwohner-Stadt, die Heimat von Romeo und Julia, ziemlich verlassen. Der Inhaber eines Ladens für Stickereien sagt, die "Fake News über Corona" würden viele Einheimische und Touristen abschrecken.
Samstag: Von zu Hause verstoßen
Altenpfleger André nimmt Kontakt zu seinem Chef auf. Dieser weist ihn an, daheim zu bleiben, bis er ein negatives Testergebnis hat. Andrés Freundin, ebenfalls Altenpflegerin, rät der Chef, Kontakt zu André zu meiden. Sie beschließt, ab Sonntag zu ihren Eltern zu ziehen. Fast gleichzeitig schreibt Sven mit seiner Mutter, von Beruf Arzthelferin. Er möge sich für zwei Wochen eine andere Bleibe suchen. Gut, dass bei André ein Platz frei wird.
Ebenfalls am Samstag rät Stefan allen von uns, Kontakt zu unseren Arbeitgebern aufzunehmen. In der WhatsApp-Gruppe wird ein Bericht über drei Vereine aus unserer Gegend gepostet, die ebenfalls am Gardasee waren. Einer davon reiste einen Tag früher ab als geplant, weil die Trainingsplätze vor Ort gesperrt wurden. Zudem wird der Bericht über einen infizierten Arzt aus Erlangen geteilt.
Der zu Hause gebliebene Betreuer stellt die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für Reiserückkehrer aus Regionen, die keine Risikogebiete sind, in die Gruppe. Da wir nicht mit Flugzeug oder Schiff, sondern mit Autos unterwegs sind, erwarten uns wohl keine Beeinträchtigungen.
Sonntag: Trio in Quarantäne-WG
Während der letzten Trainingseinheit am Gardasee regnet es durchgehend bei 10 Grad. Nach vier Tagen Sport, Cocktails am Abend und wenig Schlaf sind unsere Körper ohnehin anfällig. Und jetzt gibt es einen weiteren Bewerber für die geplante Quarantäne-WG: Manuel meldet sich krank. Hat er sich bei Jonas angesteckt? Ist es eine für diese Jahreszeit übliche Erkältung oder tatsächlich das neuartige Virus?
Da Manuels Vater im Home Office arbeitet, seine Mutter in der Bank mit vielen Menschen in Kontakt kommt und seine zwei Geschwister schulpflichtig sind, gibt es für Manuel nur eine Entscheidung: Er wird nicht nach Hause gehen, sondern vorerst zu André und Sven ziehen. Irgendwie sind wir jetzt alle froh, dass es wieder Richtung Heimat geht.
Da die Faschingsferien enden, befürchten wir kilometerlange Staus. Doch die Straßen scheinen von Corona-Angst wie leer gefegt. In sechs Stunden legen wir die Strecke vom südlichen Gardasee nach Hause zurück - sechs Stunden geprägt von Diskussionen darüber, wie wir uns jetzt daheim verhalten sollen.
Die Tage danach: Warten auf die Testergebnisse
Werner und Michael wollen sich gleich am Montag testen lassen, werden aber abgewiesen. Sven nimmt Kontakt zu seinem Chef auf und wird bis auf Weiteres krankgeschrieben, darf sich mangels Symptomen aber nicht kostenlos testen lassen. Ein Abstrich wird dagegen von Manuel genommen, das Ergebnis soll am Donnerstag vorliegen. Am Dienstag hatte er zumindest kein Fieber mehr.
Florian sollte am Montagabend nach Vietnam fliegen, um ein Projekt für seinen Arbeitgeber abzuschließen: "Bei der Befragung nach der Landung zu meinen letzten Aufenthaltsorten hätte ich zwei Möglichkeiten gehabt: Lügen und riskieren, dass ich mich strafbar mache oder die Wahrheit sagen und in vietnamesischer Quarantäne landen." Fünf Stunden vor dem Flug wird die Geschäftsreise verschoben. Sobald sein am Dienstag gemachter Corona-Test geprüft und negativ ist, soll er fliegen.
Am Mittwoch erhält Organisator Stefan als erster Hiltpoltsteiner sein Testergebnis: Coronavirus? Negativ! Am Donnerstag gibt es auch für Florian und Manuel Entwarnung. Kommentar
Kommentar von Sportredakteur Daniel Ruppert: Positive Panik
Risikogebiet. Meldepflicht. Inkubationszeit. Abstrich. Quarantäne. Bekannte Begriffe, aber plötzlich tauchen sie in meinem engsten Umfeld auf, weil ich mit meiner Fußballmannschaft im Trainingslager am Gardasee war. Unser Urlaubsort liegt an der Grenze zum Risikogebiet.
Fast jeder Hotelgast bedient sich vor dem Essen am Spender für Handdesinfektion. Obwohl wir nicht dazu verpflichtet sind, setzen wir uns mit Chef und Hausarzt in Verbindung. Es entsteht eine Art Gruppenzwang. Keiner will der Einzige sein, der seine Urlaubssünde nicht beichtet. Mein Vorgesetzter hat erst einen lockeren Spruch auf den Lippen, dann werde auch ich zu einer Woche Home Office verdonnert.
Ich habe zwar kein Ausgehverbot, aber kann ich ruhigen Gewissens in den Supermarkt, wo ich meine PIN ins Kartenlesegerät tippe? Kann ich zum Sport, wo ich mit Mitspielern abklatsche?
Ich kann. Ich habe keinerlei Symptome. Unwohl fühle ich mich nur in meiner Position als Aussätziger. Die Panik, die teilweise verbreitet wird, erlebe ich jetzt hautnah mit. Wenn die Vorsichtsmaßnahmen dazu beitragen, die Epidemie aufzuhalten, kann ich aber gut damit leben.