Seit einem Jahr regiert in Forchheim Misstrauen

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Historischer Moment im April 2016: Ein Sozialdemokrat übernimmt die Führung im Forchheimer Rathaus. Heinz Endres (FBF,rechts) vereidigte damals den neuen OB Uwe Kirschstein, Foto: Archiv/Ekkehard Roepert
Historischer Moment im April 2016: Ein Sozialdemokrat übernimmt die Führung im Forchheimer Rathaus. Heinz Endres (FBF,rechts) vereidigte damals den neuen OB Uwe Kirschstein, Foto: Archiv/Ekkehard Roepert

OB Uwe Kirschstein (SPD) kämpft seit April 2016 um das Vertrauen der Stadträte. Aber es herrscht stattdessen eine Kultur der Vorwürfe.

Es ist ein Ritual geworden im Stadtrat: Bevor Inhalte thematisiert werden, muss sich Oberbürgermeister Uwe Kirschstein (SPD) Vorwürfe anhören. So auch am Mittwoch im Sitzungssaal des Landratsamtes: Thomas Werner (CSU) griff sein Lieblingsthema auf; die Sitzungs-Protokolle seien nichtssagend: "Ich kann als Stadtrat so nicht arbeiten." Werner erinnerte Kirschstein an die Zeit, als er selbst noch Stadtrat war. Da habe er jene Transparenz gefordert, die er jetzt vermissen lasse. "Und wenn man Ihnen was sagt, schütteln Sie nur den Kopf und schauen arrogant drein."

Ute Samel (SPD) verteidigte den Oberbürgermeister. Protokolle seien kein Ersatz für den Austausch in der Fraktion: "Redet ihr nicht untereinander", fragte Samel in Richtung CSU. Bei komplexen Themen könne ein Gedächtnisprotokoll nicht das Sitzungsprotokoll ersetzen, konterte Thomas Werner. "Gar nicht schön" sei der Ton im Stadtrat, tadelte Heike Schade (FGL) und schloss sich der Samel-Position an: "Bei uns wird in der Fraktion über die Sitzungen berichtet."


Auch Vorwürfe bei "Jeki"

Manfred Hümmer (FW) versuchte "die Situation zu entschärfen". Mahnte aber zugleich: Fraktionslose Stadträte seien auf mehr Information angewiesen. Das Ratsinformations-System sollte genutzt werden. "Aber da steht nix drin."

Der Reigen der Vorwürfe setzte sich fort, als Kirschstein das Thema "Jedem Kind ein Instrument" (JeKi) aufrief. Wie berichtet, hatte bereits der Finanzausschuss erwogen, ob das Projekt nicht zu teuer sei. Daher hatte Kirschstein zur Stadtratssitzung Experten aus den Schulen, aus der Musikschule, dem Schulamt und aus dem Bildungsbeirat eingeladen. Am Ende zogen sie alle ungefragt ab. Statt über JeKi zu streiten, stritten die Räte über das Verfahren. "Unmögliches Vorgehen", urteilte Markus Schmitt (CSU). JeKi im Finanzausschuss zur Disposition zu stellen ohne vorher den Bildungsbeirat zu fragen, bedeute "das System ad absurdum" zu führen.
Uwe Kirschstein beharrte: Das Votum im Finanzausschuss sei nötig gewesen, "um dann in die Verhandlung zu treten". Anita Kern (SPD) fand die Vorwürfe gegen den OB "schräg". Wenn er eine Beschlussvorlage präsentiere, sei es falsch, wenn er keine präsentiere, werde er dafür ebenso angegriffen.

Doch Manfred Hümmer blieb kritisch: JeKi sei ein soziales Thema und habe im Finanzausschuss erst mal gar nichts zu suchen. Auch Ulrich Schürr (JB) ärgerte sich, dass zuerst über die Kündigung statt über die Inhalte von JeKi geredet wurde. Reiner Büttner (SPD) wehrte sich gegen die "gekünstelte Diskussion" und auch Manfred Hümmer bemerkte, dass "nun schon seit 45 Minuten geredet" worden sei, ohne Inhalte zu berühren. Ja, bedauerte Uwe Kirschstein: "Stattdessen diskutieren wir lieber darüber, wie wir miteinander umgehen." Und Lisa Hoffmann sagte: "Fast jeder hat jetzt seine Kritik am Vorgehen des Oberbürgermeisters geäußert. Daran übe ich Kritik." Sebastian Platzek (FDP) sah in vielen Vorwürfen den Versuch, "eine bestimmte Person vorzuführen". Hans-Werner Eisen (CSU) sah sich zu einer persönlichen Stellungnahme veranlasst: "Was soll ich noch im Ausschuss tun, wenn im Stadtrat alles in Frage gestellt wird?" Er brandmarkte die Stimmung des Misstrauens, betonte aber auch, dass der OB daran nicht unbeteiligt sei: "Es sind Kommunikationsfehler gemacht worden", sagte Eisen und Kirschstein nickte zustimmend. "Lassen Sie uns vertrauensvoll zusammenarbeiten", appellierte Eisen. Wie schwer das werden dürfte, zeigte gleich der nächste Tagesordnungspunkt.


Streit streitet für Kirschstein

Der OB musste sich wegen der Ausgaben anlässlich seiner Geburtstagsfeier am 30. Januar rechtfertigen. Bürgermeister Franz Streit (CSU) kritisierte das Motiv hinter der Anfrage. So etwas hätte es zu Zeiten von OB Franz Stumpf (CSU/WUO) nicht gegeben. "Diese konkrete Nachfrage ist unnötig", sagte Streit, die Feier sei "absolut gelungen, angemessen und schön" gewesen. Kirschstein legte dar: Er habe die offizielle Gästeliste erweitert. Weil er auch die Partner der Stadträte und die Bürgermeister des Landkreises einladen wollte, habe er einen Teil der 7350 Euro für die Party privat getragen, nämlich 3000 Euro. Zudem hatte Kirschstein um Spenden statt Geschenke gebeten: So konnte er 1710 Euro an den Sozialladen und 1540 Euro an die Obdachlosenhilfe übergeben.


Kommentar: Statt Profilierung bislang nur Polarisierung

Knapp ein Jahr ist Uwe Kirschstein (SPD) im Oberbürgermeister-Amt und die Stimmung im Stadtrat ist von zwei Konstanten geprägt: Die SPD kann mit ihrer Macht nicht umgehen. Und ein Großteil der CSU kann nicht damit umgehen, dass sie ihre jahrzehntelange Vormacht eingebüßt hat.

Unangenehm muss es sich für Uwe Kirschstein anfühlen, dass einige seiner schärfsten Kritiker im eigenen Lager sitzen. Mancher in der alten SPD-Garde kann es vielleicht nicht verkraften, dass Kirschstein fast aus dem Nichts gelang, was sämtlichen SPD-OB-Kandidaten jahrzehntelang verwehrt blieb.

Dass Kirschstein in Bürgermeister Franz Streit (CSU) einen geradezu väterlich anmutenden Freund ausgerechnet im CSU-Lager gefunden hat, macht die Sache zusätzlich kompliziert: Die CSU findet keine gemeinsame Linie - und Kirschstein kein eigenes scharfes Profil, wenn sich das Bild vom fröhlichen Gespann Kirschstein-Streit in der Öffentlichkeit festsetzt.

Gleichzeitig spürt man in der CSU, wie einige Räte vor Wut geradezu brodeln. Vor allem Thomas Werner macht aus seiner schlechten Laune über einen OB Kirschstein keinen Hehl. Dabei wird Werner lernen müssen, dass seine Kritik am Gesichtsausdruck des Oberbürgermeisters, an dessen Protokoll- und Verwaltungsstil für eine tragfähige Oppositionspolitik nicht taugt.

Die jüngste Ratssitzung hat den wunden Punkt offengelegt: Es wird weniger über Themen gesprochen als darüber, wie über Themen gesprochen wird. An den Kommunikationsfehlern, das hat Hans-Werner Eisen (CSU) richtig bemerkt, ist Uwe Kirschstein nicht unbeteiligt. Er kann sie nur vergessen machen, wenn die Themen, mit denen er sich im Wahlkampf profilierte (Baulandmodell, Kolpingshaus, City-Management) auch in seiner Politik sichtbar werden.