Aus der ganzen Welt kommen Bergsteiger in die Fränkische Schweiz. Ihr Basiscamp ist der Zeltplatz der vor fast zehn Jahren verstorbenen "Oma Eicher" in Wolfsberg. Tochter Martha führt ihr Lebenswerk fort.
"Martha My Dear!" Wären die Beatles jemals auf dem, unter Kletterern weltbekannten, ja legendären Zeltplatz in Wolfsberg gewesen, sie hätten dieses Lied sicher Martha Walter gewidmet. Sie führt das Erbe von "Oma Eichler" fort, die vor 40 Jahren den ersten Kletterern Unterschlupf bot. Mittlerweile schlagen Extremsportler aus der ganzen Welt, von Australien und Neuseeland bis Chile, von Indonesien bis Südafrika, von Kanada bis Kasachstan ihre Zelte auf. Jeweils um die 8000 Übernachtungen registrierte Martha Walter in den letzten fünf Jahren.
Nachzügler aus Indien
Im Moment beherbergt Martha nur noch Kumar Gaurav und Sharad Chandra, einen Kletterer und einen Fotografen aus Indien. "Die standen mitten in der Nacht vor der Tür", berichtet sie. Nach ihrer Ankunft am Flughafen in Nürnberg setzten sie sich in die Gräfenberg-Bahn und suchten dann nach einer Fahrgelegenheit, die sie zu "Oma Eichler" bringen sollte. Ein Ehepaar, das andere Gäste abgeholt hatte, erbarmte sich der beiden und brachte sich nach Wolfsberg.
Da die Zelt-Saison am 1. Oktober vorbei ist und draußen zu kalt ist, quartierte Martha die beiden in einem ihrer Fremdenzimmer ein. "Kletterer sind keine normalen Menschen", lacht Martha. "Die sind völlig unkompliziert und anspruchslos, aber ordentlich." Schon Oma Eichler, die 2006 gestorben ist, ermahnte sie: "Lasst nichts im Wald liegen, bringt euren Müll wieder mit."
"Wir haben uns auf die Bedürfnisse der Kletterer eingestellt", berichtet Martha Walter. Weil in der Umgebung die warme Küche schon geschlossen war, als die hungrigen Bergsteiger von ihren Touren zurückkamen, haben wir dafür gesorgt, dass sie bei uns grillen konnten. Und weil sonntags und an Abenden keine Läden geöffnet haben, richtete meine Mutter einen kleinen Kiosk ein. Mit allem was sie brauchen: Obst, Nudeln, Soßen, Brot und Marmelade, aber auch Hygiene- und Toilettenartikel hat Martha im Sortiment.
Bestens ausgerüstet
"Wenn jemand seine Zahnbürste vergessen hat, kann ich aushelfen." Topaktuell sind alle Topo-Führer sowie weitere Bücher rund ums Klettern im Angebot. Und wenn jemand ohne Zelt anreist, was schon mal vorkommt, der bekommt einen Schlafplatz in einer der Hütten, in denen Matratzenlager eingerichtet sind.
Alle sind wie eine große Familie, findet Martha, die mit erlebt hat wie Wolfgang Güllich und Kurt Albert, Idole des Klettersports, auf dem Zeltplatz beieinander saßen, diskutierten und Spaß hatten. Zwei große Poster im Aufenthaltsraum erinnern an diese Kletter-Pioniere. "Und hier kommt ein Poster von Oskar Bühler hin", erklärt Martha und zeigt auf eine frei Stelle neben Kurt Albert. Bühler war eine herausragende Persönlichkeit des Bergsports. Er revolutionierte das Klettern, indem er verzinkte speziell geformte Haken, die seinen Namen tragen, in die Wände bohrte und dadurch für mehr Sicherheit beim Klettern sorgte.
Auch Alexander Huber, der jüngere der beiden Profi-Bergsteiger aus dem Berchtesgadener Land (Huber Buam) war bereits auf dem Zeltplatz in Wolfsberg. Das war, als es noch keine Handys gab. Da war die Basisstation der Kletterer gleichzeitig Telefonzentrale. Oma Eichler hatte ihr Telefon mit einem Gebührenzähler ausstatten lassen, damit die Kraxler zuhause anrufen und Bescheid geben konnten, dass es ihnen gut geht.
Gästebuch voller Geschichten
So verbreitete sich der Ruf des Campingplatzes auf der ganzen Welt. Davon berichtet das Gästebuch, das voll interessanter Geschichten steckt. Zu fast jedem der Einträge weiß Martha die passende Geschichte, erzählt, dass sie für Sonja und Rudi 2011 die Hochzeitskuchen gebacken hat und dass Conny und seine Frau sogar mit Töchterchen Luisa geklettert sind. Erst als die Kleine zwölf war, entwickelte sie andere Interessen.
Vom Australier Toby Benham, der bei seiner Leidenschaft den Tod fand, weiß Martha auf Anhieb, dass er neun Wochen da war. Von 24. Juli bis 30. September 1998, beweist der Eintrag ins Gästebuch. Dort hat Olsen aus Norwegen seine Reise quer durch Europa , die ihn auch nach Wolfsberg führte, in einer Skizze festgehalten, bei der das Gasthaus Eichler im Mittelpunkt steht.
Namensgeberin für Kletterroute
Ein kunstbegabter Student hat das Gästebuch mit einem Comic bereichert, ein anderer hat den Zehnerstein gleich hinter dem Sportplatz des SV Wolfsberg festgehalten. Eine der Routen heißt übrigens "Oma Eichler". Wie man bei ihrer Tochter Martha als Japaner einen Aufenthalt bucht, zeigt eindrucksvoll Tetsuja Takiguchi. Er fertigte eine Skizze vom Areal und markierte die Hütte, in der er schlafen wollte farbig. "Kletterer sind einfach unkompliziert", erklärt Martha Walter.