Neujahrsempfang der Stadt Forchheim: Kirschstein warnt vor Eskalation

2 Min
Über 400 Gäste lauschten den Reden beim Neujahrsempfang. Foto: Josef Hofbauer
Über 400 Gäste lauschten den Reden beim Neujahrsempfang. Foto: Josef Hofbauer
 

Der Forchheimer OB will mehr Verbindlichkeit in der Stadtgesellschaft. Doch Joachim Hornegger, der Gastredner beim Neujahrsempfang, zeigte am Beispiel der Universitätsgeschichte, wie lang der Weg zum Dialog sein kann.

Forchheim 240 geladenen Gäste in der Kaiserpfalz mussten gespannt sein. Würde der SPD-Oberbürgermeister bei seinem zweiten Neujahrsempfang ähnlich provokant auftreten wie im Vorjahr? Uwe Kirschstein schlug aber gleich einen anderen Ton an: "Wir wollen gemeinsam nur nach vorne auf das Jahr 2019 schauen. Deshalb will ich inhaltlich auch nicht an meine Rede vom letzten Jahr anknüpfen."

Gleichzeitig begnügte sich sein "politischer Ausblick" weitgehend mit Andeutungen. Etwa sagte er zum Streit ums Altstadtfest: Das Jahr sei "durchaus turbulent gestartet - Forchheim diskutiert um einen Namen". Mit Bezug auf die europäische Brexit-Diskussion warnte Kirschstein vor "Unversöhnlichkeit". "Zwischen beiden Lagern gibt es nur wenig bis keinen Austausch."

Beherrscht war die Ansprache des Oberbürgermeisters vom "Wunsch nach Gemeinsamkeit und Einigung", der bedauerlicherweise nicht mehr im Vordergrund stehe. "Für Forchheim wünsche ich mir, dass wir einen gemeinsamen Namen finden. Einen Namen, der uns verbindet und wieder eint."

Klassentreffen als Vorbild

Wie diese Namensfindung funktionieren könnte? Wie beim Klassentreffen, meinte Kirschstein: "Eines passiert bei jedem Klassentreffen - der Blick zurück: Weißt du noch...?" Der OB rief er die Gäste in der Kaiserpfalz auf, sich im kommenden Jahr an diesem Sinnbild zu orientieren: "Denken Sie immer an den Beginn des Klassentreffens: Reden Sie mit allen Menschen. Auch mit denen, die eine andere Meinung haben. So gelingt unser Zusammenleben. Davon lebt unsere Stadtgesellschaft."

Wie mühsam der Weg zum Miteinander aber sein kann, verdeutlichte dann Professor Joachim Hornegger, der Präsident der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg "Abseits des Elfenbeinturms - Universität und öffentliche Kulturarbeit", so hatte der Hauptredner des Neujahrsempfangs seinen Vortrag überschrieben.

Hornegger erinnerte daran, dass die Universität Erlangen nach ihrer Gründung im Jahr 1743 rund 200 Jahre lang an vielem Interesse hatte, nur nicht am Austausch mit der Öffentlichkeit. Im Gegenteil: Die Universität war eine in sich geschlossene Gesellschaft mit eigener Kleiderordnung und sogar eigener Gerichtsbarkeit. "Da passte noch die Bezeichnung Elfenbeinturm", betonte Hornegger.

Radikal geändert habe sich das erst nach dem Zweiten Weltkrieg - auch unter dem Druck der Besatzungsmacht. Da begann die Universität "Verantwortung für das humane Zusammenleben" zu übernehmen.

Mittlerweile sei der Brückenschlag von der Universität in das öffentliche Leben auf vielfältige Weise gelungen: durch Bibliotheken, die jedermann zugänglich sind, durch Ausstellungen, Studienangebote - oder durch Veranstaltungen wie die "Lange Nacht der Wissenschaften", die regelmäßig 30 000 Menschen in ihren Bann zieht.

Die Friedrich-Alexander-Universität sei ein "Kulturträger" geworden, resümierte Professor Joachim Hornegger, der die "nicht-akademische Bevölkerung" von den Früchten ihrer Arbeit profitieren lasse.

Kommentar von Ekkehard Roepert: Unbehaglicher Wohlfühl-Ausblick

"Sich zuhören, statt sich zu verurteilen - dieser Appell klingt nach einem Allgemeinplatz. Dennoch gut und hörenswert, wie OB Uwe Kirschstein (SPD) dem Appell in seinem politischen Ausblick Raum gab. Denn die Bereitschaft der Stadträte "miteinander im Gespräch zu bleiben", ist seit langem beklagenswert.

Wie leicht ein falscher Zungenschlag entstehen kann, das musste der Oberbürgermeister bei seinen beiden Neujahrsansprachen am eigenen Leib erfahren. Am Sonntag schien es, als stünde er noch unter dem Eindruck seiner Vorjahresrede. Als könnte er die bewusste Provokation von 2018 durch einen Wohlfühl-Ausblick auf 2019 korrigieren. Aber so angenehm es war, dass Kirschstein auf harte Worte verzichtete, ein paar harte Fakten hätten es schon sein dürfen. Immerhin hat die Stadt Forchheim einen Kulturentwicklungsplan initiiert. Und sie steht dank eines mehrheitlich drängenden Stadtrates kurz vor dem Umbau des Kolpinghauses in ein Kulturzentrum - und damit kulturpolitisch vor einer der weitreichendsten Entscheidungen der Stadtgeschichte.

Dass dann ein Oberbürgermeister beim Neujahrsempfang, der sich dem Thema "Kulturarbeit" widmet, diese Themen einfach liegen lässt, weckt Unbehagen. Uwe Kirschsteins Ausblick auf 2019 war irritierend unkonkret. Schon in wenigen Tagen werden die Fraktionen die Finanzpolitik für 2019 festlegen. Dabei werden sich die Stadträte hoffentlich zwar nicht gegenseitig verurteilen; aber sie werden streiten müssen. Keinesfalls werden sie sich so begegnen können, wie es Uwe Kirschstein am Sonntag im Bild vom Klassentreffen entworfen hat. Weißt Du noch? Mit dieser zentralen Frage eines Klassentreffens wird sich keines der politisch brennenden Themen des Jahres 2019 lösen lassen."