Michael Pietrucha stellt europäisches Potpourri in Forchheim zusammen

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Michael Pietrucha bei seinem literarischen Streifzug in Forchheim Foto: Pauline Lindner
Michael Pietrucha  bei seinem literarischen Streifzug in Forchheim Foto: Pauline Lindner

2018 ist das Jahr des europäischen Kulturerbes. Die Stadtbücherei hat aus diesem Anlass Michael Pietrucha zu einem literarischen Streifzug eingeladen.

Der junge Schriftsteller las vor allem aus seinen Tagebuchnotizen, die er auf Reisen quer durch Europa geschrieben hat. Manche Impression hat er in ein Gedicht verwandelt, andere bildeten den Grundstock für eine Erzählung.

Pietrucha ist ein überzeugter Europäer, er ist aber auch in seiner Person ein Stück des europäischen Kulturerbes, man könnte auch sagen: ein charakteristischer Europäer. Das kann man schon daran festmachen, dass er zweisprachig - deutsch und polnisch - aufgewachsen ist. Denn Zwei- oder gar Mehrsprachigkeit ist für viele Regionen Europas Alltagsstandard. Pietrucha hat es in Wilna (Litauen) sehr eindringlich beobachtet. In einem Café servierte ihm die Bedienung seine Bestellung in einem leicht antiquierten Polnisch. Später hörte er sie akzentfrei russisch telefonieren und mit den anderen Gästen sprach sie litauisch.


Sprachwechsel

Diese Selbstverständlichkeit des Sprachwechsels je nach Gegenüber ist für einen Deutschen im ersten Moment befremdlich, sprechen ja um ihn herum fast 100 Millionen Menschen deutsch - in all seinen Dialekten und Varianten. Viele europäische Sprachen werden von sehr viel weniger Menschen als tägliches Verständigungsmittel benutzt und in nicht wenigen Ländern sind zwei oder mehr Sprachen sogar die offiziellen Staatssprachen.

Sprachvielfalt ist ein wesentliches Element des europäischen Kulturerbes. Wenn man wie Pietrucha gerne mit der Bahn oder in Bussen reist, weil man so mit den Menschen in Kontakt kommt und sich in mehreren Sprachen unterhält oder zumindest zu verständigen versucht, tradiert man ein Stück dieses Erbes.


Verflechtung mit der Baukunst

Ein anderer Teil ist die Verflechtung in der Kunst, speziell der Baukunst. Pietrucha war verblüfft, als ihm die Fremdenführerin Galina Wladimirnowna Gruschkina in Wladimir, einer der "russischsten" Städte, erklärte, dass italienische Renaissancebaumeister an der Maria-Entschlafens-Kathedral mitgewirkt hätten. In dem Text, der aus dieser Begegnung erwuchs, spielt er genüsslich mit der komplexen russischen Namensgebung, bei der auch heute noch der Vatersname zur Unterscheidung dient. Und es ist ein köstlicher Sprachspaß, fast schon ein Schnellsprechvers, wenn er alle Vornamen der zwölf Kinder des Großfürsten Wsewolod runterrattert.

"Mir missfällt die Einteilung in Europa und der Osten", erklärte Pietrucha, weshalb er ganz bewusst im Osten sein europäisches Potpourri startete. Enden ließ er den bebilderten literarischen Streifzug in Italien, genauer: in Verona im Jahr 2014, 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs, in dem man "sich gegenseitig zerfleischte".

Bei der Anreise mit dem Zug war ihm aufgefallen, dass die typische italienische Vegetation erst weit südlich des Brenners beginnt. Da fragte er sich: "Warum mussten 650.000 Soldaten fallen, wegen der paar Kilometer Grenzverschiebung?" Das ist der schmerzhafte Teil des europäischen Geschichts- und Kulturerbes.