Ein FT-Leser kritisiert, dass zu viele leere oder kaum besetzte Busse durch den Landkreis Forchheim rollen. Was ist dran? Ein Experte verrät, warum der Schein trügt.
Wenn er aus dem Fenster seiner Wohnung in der Forchheimer Innenstadt blickt, beobachte er regelmäßig, wie sich Autos, Busse und auch Lkws in der Bamberger Straße stauen. Als Reaktion auf unsere ÖPNV-Serie in der Zeitung ist dem FT-Leser negativ aufgefallen, dass die öffentlichen Busse zu wenig ausgelastet seien.
Regelmäßig nur drei Fahrgäste im Bus
Meistens würden gerade bis zu drei Personen in den Linienbussen mitfahren. Lediglich zum Schul- und Arbeitsbeginn seien die Busse "wirklich gut besetzt". "Von Wirtschaftlichkeit kann nicht gesprochen werden, doch die Umwelt wird verschmutzt und Rohstoffe werden sinnlos verbraucht", kritisiert der Forchheimer, der nicht namentlich genannt werden möchte. Der Innenstadtbewohner greift damit die Diskussion um vermeintliche "Geisterbusse" im öffentlichen Personennahverkehr auf.
Der Fränkische Tag hat nachgehakt. "Die Wahrnehmung leerer Busse kann mehrere Gründe haben. Oft trügt der Schein", entgegnet Manfred Rupp vom Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN). Einen Grund beschreiben Verkehrsexperten mit dem Fachbegriff "Lastrichtung". Ein anschauliches Beispiel sei der Schulverkehr: Ein Bus, der zur Schule oder zum Bahnhof fährt, ist morgens gut oder voll besetzt. Das ist die Lastrichtung.
Fährt der Bus in der Gegenrichtung wieder zurück, gibt es bei dieser Tour meist keine Nachfrage. Wer das Fahrzeug nur in diesem Moment sehe, nehme den Bus vermeintlich als einen "Geisterbus" wahr, meint Rupp. Mittags und am Nachmittag wechselt die Lastrichtung. Dann sind die Fahrten zum Bahnhof oder zur Schule schwach besetzt.
Ein anderer Grund: Die Besetzung der Busse wechselt auf verschiedenen Streckenabschnitten. Entlang der Strecke füllt und leert sich der Bus. Das kann zudem stark fluktuieren. An den Haltestellen in Forchheim beispielsweise, die am Beginn einer Strecke liegen, ist das Fahrzeug oft leer, im weiteren Verlauf steigen allerdings Fahrgäste hinzu. "Ein leerer Bus kann nach fünf Kilometern aber voll besetzt sein und umgekehrt. Das nimmt der Beobachter dann aber nicht wahr", sagt der VGN-Sprecher. "Entscheidend ist aber die Qualität des Verkehrsangebots. Sonst in der ÖPNV keine Alternative zum Auto."
Ein Ziel: Fahrpläne ohne zu große Lücken
Damit das Busangebot attraktiv wird, sollten Taktfahrpläne oder zumindest Fahrpläne ohne große Lücken das Ziel sein. "Müsste man zwei oder mehr Stunden warten, ist das Fahrtenangebot nicht attraktiv genug und wird überhaupt nicht wahrgenommen", wirbt Rupp für ein durchgehendes Busangebot.
In der Nahverkehrsplanung gebe es Leitlinien, mit denen das Fahrtenangebot definiert wird. Dabei spielen verschiedene Kriterien eine Rolle: die Erreichbarkeit verschiedener Ziele, wie Gemeindehauptort, Mittel und Oberzentrum, die Bevölkerungsdichte und somit auch die Nachfrage. Aber auch die Wirtschaftlichkeit wird betrachtet. An diesen Leitlinien orientiert sich auch der Nahverkehrsplan des Landkreises Forchheim.
Kleinere Busse oftmals keine Option
Wie sieht es mit Alternativen zu vermeintlichen Geisterbussen aus? Im Landkreis Forchheim fährt das Anrufsammeltaxis (AST) zum Beispiel abends und am Wochenende nach Ende des jeweiligen Busfahrtangebotes einer Buslinie. Anrufsammeltaxis seien Grenzen gesetzt, gibt der VGN-Sprecher zu bedenken.
Auch Kleinbusse seien oft keine Option. "Man kann nicht mehrmals am Tag das Fahrzeug wechseln. Das macht betrieblich keinen Sinn", meint Rupp. Das Verkehrsunternehmen müsste doppelt so viele Fahrzeuge vorhalten, was unwirtschaftlich wäre. Deshalb sei es wirtschaftlich und sinnvoll, wenn zwischendurch Busse im Landkreis auch schwach besetzt unterwegs seien.
Der FT-Leser ist der Meinung, Corona habe nicht Schuld an den vielen leeren Bussen in der Forchheimer Innenstadt. Im Verkehrsverbund Großraum Nürnberg liege allerdings die Nachfrage wegen der Corona-Pandemie, gerade im Regionalverkehr, "noch weit unter dem üblichen Niveau", verrät Rupp. Schwach besetzte Busse seien nur eine Momentaufnahme, hofft der VGN-Pressesprecher. Das Fahrtenangebot nun deshalb zurückzufahren, hält er für das falsche Signal. "Damit würde man den Nahverkehr aushöhlen und unattraktiv machen. Wer die Fahrgäste wieder zurück vom Auto auf den ÖPNV bringen möchte, muss weiterhin einen attraktiven Nahverkehr bieten."
FT-Kommentar: Raus aus der Komfortzone
von Stephan Großmann
Es droht ein Teufelskreis: Die Verkehrsplaner registrieren verhaltene Fahrgastzahlen und reagieren entsprechend. Die Kunden indes stört das ausgedünnt wirkende Angebot dermaßen, dass sie gleich aufs Auto (oder im selteneren, aber besseren Fall) auf Fahrrad und Fußwege setzen. Eine Lösung der Quadratur des Kreises scheint mit der coronabedingten Abkehr vom ÖPNV entfernter denn je. Was also tun?
Viele Nutzer wären bereit, die Ausfahrt aus ihrer Komfortzone des Individualverkehrs zu nehmen. Aber unbequemer, weil unflexibler, von A nach B zu kommen und gleichzeitig noch teils enorme Ticket-Kosten zahlen zu müssen, stellt den ÖPNV als echte Alternative aufs Abstellgleis.
Im entscheidenden Schritt müssen die Behörden - und hier in erster Linie Freistaat und Bund - endlich für bezahlbare, eigentlich sogar kostenlose Öffentliche sorgen. Doch vorher haben es die Bürger in der Hand, den ÖPNV unentbehrlich werden zu lassen. Meckern reicht nicht. Wirklich helfen würde: Einsteigen, so oft es geht.