Kletter-Legende Kurt Albert: Biografie über den Freidenker aus dem Frankenjura

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Albert freut sich über den Rotpunkt in der "Sackwand" am Roten Felsen im Pegnitztal. Foto: Martin Schepers
Albert freut sich über den Rotpunkt in der "Sackwand" am Roten Felsen im Pegnitztal. Foto: Martin Schepers
Ein Denkmal bei der Muschelquelle in Streitberg erinnert an Kurt Albert. Foto: Barbara Herbst
Ein Denkmal bei der Muschelquelle in Streitberg erinnert an Kurt Albert. Foto: Barbara Herbst
 
Die gebundene Ausgabe von "Kurt Albert: Frei denken - frei klettern - frei sein" von Tom Dauer ist am 1. September 2020 im Tyrolia Verlag erschienen. Die Biografie kostet 29,95 Euro im Buch- oder Versandhandel.
Die gebundene Ausgabe von "Kurt Albert: Frei denken - frei klettern - frei sein" von Tom Dauer ist am 1. September 2020 im Tyrolia Verlag erschienen. Die Biografie kostet 29,95 Euro im Buch- oder Versandhandel.
 
Kurt Albert genießt die Traumverschneidung in der Ostwand des Polar Bear Spire. Foto: Gerhard Heidorn
Kurt Albert genießt die Traumverschneidung in der Ostwand des Polar Bear Spire. Foto: Gerhard Heidorn
 
Trango-Tower-Expedition: Die Stimmung schwankt zwischen Euphorie und Resignation: Der Song " Eternal Flame" von "The Bangles" gibt sie passend wieder. Foto: Christof Stiegler
Trango-Tower-Expedition: Die Stimmung schwankt zwischen Euphorie und Resignation: Der Song " Eternal Flame" von "The Bangles" gibt sie passend wieder. Foto: Christof Stiegler
 

Autor Tom Dauer zeichnet ein lebendiges Bild des verstorbenen Sportkletterers: Wie Kurt Albert aus der Fränkischen Schweiz heraus die Welt des Kletterns für immer verändert hat. Die Biografie beschreibt einfühlsam einen fast tragischen Helden.

Hoch oben an einem Felsen im Wiesenttal, mitten in der Nacht und beleuchtet vom Scheinwerferlicht, stimmt Kurt Albert ein Reinhard May-Lied an. Begleitet von Gitarrenklängen singt er über den Dächern von Streitberg. Beim Lesen solcher Szenen scheint der 2010 verstorbene Kletter-Pionier mit dem Schnauzbart, der wilden Mähne, dem gestählten Körper und der sanften, schelmischen Art sehr nahe.

Die Biografie "Kurt Albert: Frei denken - frei klettern - frei sein" dokumentiert nicht nur die beeindruckenden Höchstleistungen des Sportkletterers aus der Fränkischen Schweiz. Der Autor Tom Dauer zeigt auch die Höhen und Tiefen der Lebensgeschichte des freiheitsliebenden Kletter-Pioniers Kurt Albert. Ein Leben wie eine Reise, die durch einen tragischen Absturz unvollendet blieb.

Kletterrebellen aus Franken

In Nürnberg 1954 geboren, wächst Albert im Süden der Großstadt auf. Als kleiner Junge lernt er die Berge und Felsen der Fränkischen Schweiz kennen und lieben. Nachdem ein Jesuitenpater ihn einen Sommer lang jeden Sonntag auf Ausflüge ins Trubachtal mitnimmt, ist Alberts Begeisterung für risikoreiches Klettern geweckt.

Ab Ende der 1960er lässt der Ruf nach Felsen-Abenteuern im Frankenjura Kurt Albert und seinen Bruder Horst nicht mehr los. Schon bald gehen die "jungen Kletterrebellen" rund um Kurt Albert und Wolfgang Güllich aber ihre eigenen Wege; im sächsischen Elbsandsteingebirge entdecken sie das Freiklettern, das Felsenklettern nur mit Händen und Füßen die Wand hinauf.

Im Frühjahr 1975 malt Albert am Einstieg des Adolf-Rott-Gedächtnisweges am Streitberger Schild einen roten Punkt - und markiert einen Wendepunkt in der Klettergeschichte: Wer Routen in dieser Freiklettertechnik in einem Zug durchsteigt, gilt als Erstbezwinger. Noch heute werden Routen aufgrund der Erfindung Alberts bestiegen und verglichen. Güllich, Albert und Weggefährten ziehen in das "Hotel Frankenjura" in Oberschöllenbach, das zum Nabel des westdeutschen Sportkletterns wird.

Albert bezwingt unzählige Felsen in der Fränkischen Schweiz und den Alpen, bricht Rekorde an Deutschlands schwierigsten Routen, klettert auch ohne Absicherung. Zum Beispiel im August 1986: Da klettert er ohne Seil, im Alleingang, seine Route "Fight Gravity" am Richard-Wagner-Fels in Obertrubach. Albert und seine Kletterpartner meistern zudem Erstbegehungen von Berggipfeln in Südasien und Patagonien.

Ein Leben für die Felsen

Das Klettern bestimmt ebenso abseits der beeindruckenden sportlichen Leistungen das Leben Kurt Alberts. So löst sich die Oberschöllenbacher WG nach dem Tod Wolfgang Güllichs, der 1992 bei einem Autounfall ums Leben kommt, auf. Albert zieht daraufhin zu seinem Bruder Horst nach Streitberg. Während Kurt Albert im Wiesenttal heimisch zu werden scheint, drücken sich bald die Größen der internationalen Kletterszene im beschaulichen Streitberg die Klinke in die Hand.

Der Biograf Dauer beschreibt ebenfalls die Brüche und Lücken in Alberts Leben: Sein Bruder Horst stellt im letzten Drittel des Buches fest: "Kurt tat mir leid. Er lebte am Existenzminimum, ohne Absicherung." Der Freikletter-Pionier Kurt Albert bleibt zeitlebens ungebunden und unangepasst. Während viele seiner Weggefährten sesshaft werden, bleibt er ein Alleingänger. Mit dem Alter zeigt sein durch rigoroses Training gestählter Körper erste Schwächen, Albert kämpft mitunter gegen Schmerzen in der Wirbelsäule. Auch der Selbstmord einer engen Freundin scheint Albert nie überwunden zu haben, deutet Dauer an.

Das Rebellische im Leben der fränkischen Kletter-Legende bleibt besonders durch die fast romanhaft erzählten Alltags-Szenen im Landkreis Forchheim in Erinnerung: Da haben Albert und seine Kumpels beim Klettern schon einmal die Gitarre im Gepäck dabei. Oder wenn es Kurt Albert mit den Regeln in der Forchheimer Kletterhalle "Magnesia" nicht so genau nimmt, sich einen Rüffel holt und beim nächsten Mal ein T-Shirt trägt, auf dem steht: "Ich bin kein Vorbild."

Szenen, die einfühlsam sind wie im Roman

Die Stärke des Autors Tom Dauer liegt darin, dass der Münchner es schafft, die Persönlichkeit Kurt Alberts lebendig werden zu lassen. Gleichzeitig macht der Alpinist Dauer, der Kurt Albert persönlich kannte, aus seiner Faszination für den fränkischen Freikletterer aber keinen Hehl. Das merkt der Leser der Biografie durchaus an. Nichtsdestotrotz besticht das Buch gerade durch einzelne biografische Szenen, die so einfühlsam und nahbar erzählt sind wie ein guter Roman.

Am 26. September 2010 stürzt Albert, der Kletter-Profi und Fotograf, während einer Führung am Höhenglücksteig. Sein Sicherungsseil löst sich wohl unglücklich, als er eine Aufnahme machen will. Zwei Tage später erliegt er seinen Verletzungen im Uniklinikum Erlangen. "Heimzukommen, wann, wie und zu wem auch immer, ist ihm nicht vergönnt", schreibt Tom Dauer, der Alberts Leben mit einer klassischen, aber unvollendet gebliebenen "Heldenreise" vergleicht.

Die Biografie "Kurt Albert: Frei denken - frei klettern - frei sein"

Ausgabe Die gebundene Ausgabe von "Kurt Albert: Frei denken - frei klettern - frei sein" von Tom Dauer ist am 1. September 2020 im Tyrolia Verlag erschienen. Die Biografie kostet 29,95 Euro im Buch- oder Versandhandel.

Autor Tom Dauer ist 1969 geboren. Der Literatur- und Politikwissenschaftler ist Absolvent der Deutschen Journalistenschule und schrieb u.a. ein Buch über Reinhard Karl. Für sein Standardwerk "Cerro Torre - Mythos Patagonien" lebte er über ein Jahr ebendort und teilte mit Kurt Albert wochenlang eine Holzhütte im Basislager des Fitz Roy.