In Forchheim gibt es Schattenmotive in Grass' Werken zu entdecken

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Radierungen von Günter Grass sind im Pfalzmuseum zu sehen Fotos: Pauline Lindner
Radierungen von Günter Grass sind im Pfalzmuseum zu sehen Fotos: Pauline Lindner
Fotos: Pauline Lindner
Fotos: Pauline Lindner
 
Die Zeichnung finden sich teils auch in einem neuen dreibändigen Werk wieder. Fotos: Pauline Lindner
Die Zeichnung finden sich teils auch in einem neuen dreibändigen Werk wieder. Fotos: Pauline Lindner
 
Ingo Cesaro setzt sich mit Grass' Werken auseinander
Ingo Cesaro setzt sich mit Grass' Werken auseinander
 
 

Der Kronacher Autor Ingo Cesaro ordnet die Radierungen des Nobelpreisträgers Günter Grass ein, die derzeit im Pfalzmuseum Forchheim ausgestellt sind. Politische Dimensionen tun sich auf.

Frankfurter Bucmesse 2011. Zwei Männer begegnen sich: Günter Grass und Ingo Cesaro. Der Kronacher Autor und Buchkünstler ist ein langjähriger Bekannter des Nobelpreisträgers. Grass fragt ihn: "Zittere ich? Das kann Cesaro verneinen. Damit war Grass‘ Entscheidung gefallen, wieder Radierungen anzufertigen, die derzeit im Plazmuseum Forchheim zu sehen sind.

Seit 1993 hat Grass sich auf Radierungen beschränkt, wegen eines Problems mit den Händen.
So berichtet Cesaro im Pfalzmuseum, wie es zu den Bebilderungen - ein Grass'scher Ausdruck - zur Neuauflage dessen Romans "Hundejahre" gekommen ist. Neben den Vorlagen für diese dreibändige Ausgabe mit 130 Radierungen im Steidl-Verlag hat Grass eine Reihe von Probedrucken gefertigt, meist mehrere Motive auf einem Blatt. Alles Künstlerausgaben, wie sie normalerweise nicht in den Kunsthandel gelangen.

Grass - Schriftsteller; Grass - Autor der Blechtrommel. Das dürften die gängigsten Assoziationen zu dem in Danzig Geborenen sein. Dabei begann er seine künstlerische Tätigkeit als Bildhauer, mit Lehre als Steinmetz und Kunststudium in Düsseldorf und Berlin. In seiner Einführung zur Ausstellung rückte Cesaro dieses Bild in mehrfacher Hinsicht zurecht.


Die Danziger Trilogie


Für ihn ist die Danziger Trilogie mit den Einzelromanen "Blechtrommel", "Hund und Katz" sowie eben den "Hundejahren" ein komplexer Weltentwurf. Das 50 Jahre nach seiner Entstehung nun neuaufgelegte Werk ist für Cesaro das wichtigste, "ein größeres Abenteuer als die Blechtrommel", "ein feines Gespinst aus Fantasie, Aggression und Episodischem".

Die dreiteilige, bebilderte Version spricht ihn besonders an. Durchaus in Anlehnung an Grass'sche Sprachbilder sagt Cesaro: "Die Weichsel fließt breit durch die 20er Jahre." Im ersten Band schreibt ein Kaliberg werksbesitzer seine Frühschichten. Der zweite Teil sind die Liebesbriefe Harry Liebenaus an seine Cousine Tulla; dahinein gehört der Schäferhund Prinz, der dem Führer zum Geschenk gemacht wird. Mit diesem Tier zieht Walter Matern im dritten Teil, den Materniaden, durch die Lande und fordert Sühne.

Cesaro kommt auf die enge Verbindung zwischen bildnerischem Schaffen und schriftstellerischer Tätigkeit zu sprechen. Neben dem Schreibpult mit einer mechanischen Schreibmaschine befinden sich in Grass‘ Atelier mehrere Arbeitstische zum Malen und Bildhauern. Für Grass, so Cesaro, ist der Medienwechsel notwendig und befruchtet sich gegenseitig. "Schreiber und Zeichner, das ist jemand, der die Tinte nicht wechselt", zitiert Cesaro Grass selber.

Ein Beispiel: Der Untergang der Wilhelm Gustloff war das Thema in "Im Krebsgang", unmittelbar danach hat Grass tanzende Paare geschaffen. Sie wiederum waren der Anstoß zu seinem Gedichtband: "Letzte Tänze". "Grass empfindet sich als Lyriker; die epischen Roman haben ihre Impulse aus den Gedichten", stellt Cesaro klar. Obwohl zum Zwecke der Illustration entstanden, erzählen die Blätter durch die Zusammenstellung ihre eigenen Geschichten. Oder Geschichte? Mehrfach taucht das Motiv einer Hand auf, deren Haltung als Schattenspiel einen Hund ergibt, nochmals hinterlegt mit einer detailreichen Schäferhundsilhouette. Sieht man das danebenhängende Blatt, wie der Hund Prinz auf ein heruntergerissenes Bild von Adolf Hitler zuspringt, bekommt das Schattenmotiv eine zusätzliche Dimension, als drohender politischer Schatten an der Wand, als Menetekel, auf das die 20er Jahre zulaufen.

Der Ausstellung kann man sich auf zwei Wegen nähern: Einmal losgelöst vom Werk, zu dem sie entstanden sind, sich mit den Bildgestaltungen auseinandersetzen. Der zweite Weg ist zeitaufwändiger: die Korrespondenz zwischen der radierten Szene und dem Roman suchen. Hilfreich dabei ist die zum Lesen bereitliegende Neuauflage.