In Forchheim boomt der Bildungsmarkt

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Mira (18) nimmt seit Eintritt ins Gymnasium Mathematik-Nachhilfe beim Studienkreis. Foto: Andreas Oswald
Mira (18) nimmt seit Eintritt ins Gymnasium Mathematik-Nachhilfe beim Studienkreis.  Foto: Andreas Oswald

Einer Studie zufolge werden bundesweit jährlich mindestens 940 Millionen Euro für Nachhilfeunterricht ausgegeben. Auch in Forchheim heißt es immer mehr: nach der Penne zum Privatpauker.

Mira ist nicht alleine beim Nachhilfeunterricht. Die Gymnasiastin aus Forchheim befindet sich in Gesellschaft von geschätzten eineinhalb Millionen Schülern in Deutschland, die fürs zusätzliche Pauken bezahlen. Die 18-Jährige macht nächstes Jahr im Mai ihr Abitur am Ehrenbürg-Gymnasium Forchheim. "Schon in der fünften Klasse hatte mich meine Mama zur Nachhilfe angemeldet", sagt sie unverblümt.

Bis heute stuckt Mira beim Studienkreis Mathe - einmal die Woche, 90 Minuten im Gruppenunterricht. In der achten Klasse habe sie auch den Intensivierungsunterricht in der Schule besucht. Aber die Nachhilfe sei effektiver. "Hier wird besser auf einen eingegangen - da sitzen nicht 30 Schüler in der Klasse sondern nur drei", erklärt das Mädchen den Unterschied zur Schule. Dort gehe es im Mathe-Stoff "total schnell" voran. So, dass man kaum mitkomme. "Bei der Nachhilfe kann ich so oft fragen wie ich will - ohne, dass ich mir blöd vorkomme", betont Mira.

Als in der sechsten Klasse Französisch dazu gekommen sei, habe sie auch darin Nachhilfe benötigt. Aber nicht lange. "Das waren nur Anfangsschwierigkeiten mit der neuen Fremdsprache", erklärt sie. Die Nachhilfe hat gefruchtet: "Ich hab' mich dadurch ziemlich verbessert", betont Mira nicht ohne Stolz: "Von einer Fünf hab' ichs zur Drei gebracht - und die Note bis jetzt gehalten". Ganz ohne Nachhilfe nimmt sie jetzt Französisch weiter in der Oberstufe!

In Mathematik benötige sie aber weiterhin Unterstützung, gibt Mira zu. Jedenfalls sei die Nachhilfe nicht nutzlos: "Ich halte die Note oder verbessere mich." Mira ist zufrieden. Freizeitstress habe sie wegen dem Nachhilfeunterricht nicht - im Gegenteil: "Dabei erledige ich meine Hausaufgaben und hab' hinterher noch genügend Zeit für meine Hobbys".

Stagnation auf hohem Niveau

Mira besucht den Studienkreis, den Arnd Feistel als Filiale eines bundesweit tätigen Franchise-Unternehmens bereits 1999 in Forchheim gründete. "Da haben wir hier noch eine Marktlücke besetzt", erklärt Feistel. Inzwischen gibt es in Forchheim vier weitere Institute, die Nachhilfeunterricht anbieten. Jedes mit einem eigenen Konzept.

Schon in den ersten Monaten nach der Gründung des Studienkreises sei die Zahl der Nachhilfeschüler auf 50 angewachsen und habe sich in den Hochphasen, vor den Prüfungen im April und Mai, auf 200 gesteigert. Allerdings seien schon jetzt die geburtenschwächeren Jahrgänge zu spüren, erklärt Feistel. Die Zahl der Nachhilfeschüler stagniere zwar - "aber auf hohem Niveau". Der Leiter des Studienkreises betont jedoch: "Die Institute teilen sich nur 20 Prozent des Marktes." Der Löwenanteil der Nachhilfe laufe im "Graubereich": mit Lehrern und Lehrerinnen in Elternzeit, pensionierten Pädagogen oder Studenten, die sich etwas dazuverdienen wollen.

Mathe ist das Nachhilfefach Nr. 1

Die meisten Eltern seien sich im Klaren über die Leistungsschwächen ihrer Kinder und suchten eine gezielte Förderung in einem oder zwei Fächern - wobei Mathematik in der Rangliste der Nachhilfefächer an erster Stelle stehe, erklärt Arnd Feistel. Die "krassen Fälle", in denen Eltern ihr Kind durch die Schule drücken wollten, obwohl es nur so Fünfer und Sechser hagele, seien selten. "Das ist auch nicht in unserem Interesse", betont der Studienkreis-Leiter. Da helfe auch Nachhilfe nicht weiter, sondern ein offenes Gespräch mit den Eltern. In aussichtslosen Fällen habe man auch schon zum Schulwechsel geraten. "Wir zeigen dann die Durchlässigkeit des bayerischen Schulsystems auf." Es gebe viele Wege, um ans Ziel zu kommen.

Feistel stellt fest, dass sich das Klientel beim Nachhilfeunterricht in den letzten 15 Jahren stark verändert habe. Während früher die Verteilung zwischen Hauptschülern, Realschülern und Gymnasiasten relativ gleich gewesen sei, liege jetzt der Schwerpunkt bei den Realschülern und Gymnasiasten. In letzterem Falle spiele das "G8" den Nachhilfeinstituten die Kundschaft zu. "In der auf acht Jahre verkürzten Gymnasialzeit fallen die Übungsphasen immer mehr unter den Tisch - und die Schüler kommen dann zu uns", berichtet der Studienkreis-Leiter.

Immer mehr Legastheniker

Jede der Forchheimer Nachhilfe-Einrichtungen schwört auf ein eigenes Konzept. So setzt das Leibniz-Bildungsinstitut ausschließlich auf Einzelunterricht: "Weil die 1:1-Lern-Lehr-Situation den Goldstandard in der Pädagogik darstellt", erklärt Geschäftsführer Gerhard Hanesch. Seit 2005 betreibt er sein Institut und legt Wert darauf, "dass es sich nicht um ein Franchise-Unternehmen handelt". Es habe damals schon jede Menge Nachhilfeeinrichtungen gegeben - "wir haben unser Institut aus Überzeugung gegründet, nicht aus Marktüberlegungen", betont Hanesch, der zuvor als Lehrer an den beiden Forchheimer Gymnasien unterrichtet hatte. Dabei habe er die Erkenntnis gewonnen, dass bei Kindern immer mehr Legasthenie (Lese-/Rechtschreibstörung) und Dyskakulie (Rechenstörung) diagnostiziert werde. "Daraufhin habe ich eine Fortbildung zum zertifizierten Legasthenie- und Dyskalkulie-Therapeuten absolviert", berichtet Hanesch.

Wenn ein Kind solche Fehlleistungsstörungen habe, heiße das nicht, dass es "dumm" sei, betont der Institutsleiter. Deshalb könne man auch nicht mit der klassischen Nachhilfe an die Probleme herangehen sondern man müsse mit speziellen therapeutischen Maßnahmen helfen. "Diese Fälle nehmen zu", betont Gerhard Hanesch.

Bei der klassischen Nachhilfe habe das Klientel aus der Oberstufe deutlich zugelegt, stellt auch er fest.
Haben die Eltern überzogene Leistungsansprüche? "Die Eltern sind informierter", erklärt Hanesch. Sicherlich sei es deren Wunsch, dass ihre Kinder einen höheren Bildungsabschluss oder zumindest die mittlere Reife erzielen. Die Schule komme ihrem Lehrauftrag zwar nach, meint der Instituts-Leiter. Der Erfolg stehe und falle allerdings mit guten Lehrern. Die gebe es zwar - "aber ich würde mir wünschen, dass es mehr werden", betont Gerhard Hanesch.

Bildung wird groß geschrieben

Das Thema Bildung werde groß geschrieben bei den Eltern, betont Kornelia Hubatsch, die Leiterin der Schülerhilfe. Die Verantwortung eines professionellen Institutes sei es die Erwartungen der Eltern und die Fähigkeiten und Eignung der Kinder zu klären. Die Schule sei nicht überfordert den Lehrstoff zu vermitteln, "sie kann aber nicht den Lehrstoff auf die einzelnen Schüler zuschneidern", betont Kornelia Hubatsch. Dies geschehe in der Schülerhilfe durch individuelle Nachhilfe in der Kleingruppe. Das Besondere: Auch Azubis werden auf den Abschluss vorbereitet.

Gesellschaftliche Ursachen

Der Leiter des Instituts Abacus sieht hinter dem unverminderten Trend zur Nachhilfe auch gesamtgesellschaftliche Ursachen: "Die Leistungsanforderungen sind schon alleine durch die Wirtschaft hoch geschraubt worden", stellt Peter Ernst fest. Die Eltern wollten natürlich die beste Ausbildung für ihr Kind - die Krux sei eben, dass nicht jeder fürs Gymnasium geeignet sei. Viele würden die Anforderungen unterschätzen. "Ich erlebe oft die Aufregung der Eltern und zeige ihnen die Wege zum Ziel auf. Manchmal sei es besser einen Gang herunter zu schalten um erfolgreich weiter zu kommen. Das Konzept von Abacus: "Wir machen nur Einzelunterricht und der findet daheim beim Kind statt", betont Peter Ernst.

Mit Schulcoaching zum Erfolg

Ein ähnliches Konzept bietet Ingo Losch mit seinem Weiterbildungsinstitut "Train fresh". Er spricht von einer Nischen-Einrichtung - "weil wir mobil sind". Die vier Lehrkräfte, die für "Train fresh" arbeiten, kommen nach Hause zum Schüler. "Nachhilfe ist personenbezogen - der richtige Draht zum Lehrer ist wichtig", erklärt Ingo Losch.Es gehe bei erfolgreichem Lernen nicht primär um reine Wissensvermittlung sondern vielmehr um ein "Schul-Coaching" . Das heißt, es werden mit dem Lehrer Probleme besprochen sowie Lerntechniken und Zeitmanagement vermittelt. Die Gründe für den Nachhilfe-Boom sieht Ingo Losch nicht im "G8" an sich, sondern zum einen speziell an der Abiturpflicht in Mathematik zum anderen aber auch schlicht darin, dass Nachhilfe kein Tabuthema mehr sei: "Es ist gesellschaftsfähig - aber auch einkommensabhängig". Die Kehrseite!

Wird dem Bildungs- und Lehrauftrag an den Schulen nicht mehr in vollem Umfang nachgekommen - gibt es zu wenig Förderung? Über diese Fragen ist der Direktor des Ehrenbürg-Gymnasiums "not amused". "Wir haben die Förderung ausgebaut", betont Oberstudiendirektor Karl Fuchs und verweist auf das "Flexi-Jahr". Dadurch hätten Schüler, die das Klassenziel nur knapp bestanden haben, die Möglichkeit zur Wiederholung in reduziertem Stundenumfang, ohne als "Sitzenbleiber" zu gelten.

Die andere Möglichkeit zur Intensivierung seien die Förderkurse. Dies sei ein modular aufgebautes Nachhilfe-System. Fuchs muss allerdings zugeben, dass sich dies alles auf die Mittelstufe konzentriert. "Ich halte ein zusätzliches Angebot für den Abiturjahrgang für wichtig", betont Fuchs. Er muss jedoch zugeben: "Es ist dafür einfach noch zu wenig Personal da".