Gewalt gegen Rettungskräfte: Wie ist die Situation im Landkreis Forchheim?

2 Min
Im Bild behindern Männer in Bremervörde (Niedersachsen) nach einem tödlichen Unfall die Arbeit der Rettungskräfte. Auch in Forchheim herrscht zum Teil Unverständnis für die Einsätze und die Brutalität nimmt zu. Meist handelt es sich jedoch (nur) um verbale Attacken. Foto: Theo Bick, dpa
Im Bild behindern Männer in Bremervörde (Niedersachsen) nach einem tödlichen Unfall die Arbeit der Rettungskräfte. Auch in Forchheim herrscht zum Teil Unverständnis für die Einsätze und die Brutalität nimmt zu. Meist handelt es sich jedoch (nur) um verbale Attacken.  Foto: Theo Bick, dpa

Sie werden beleidigt, bedroht, geschlagen - und das, obwohl sie Leben retten wollen. Auch im Landkreis Forchheim werden Rettungskräfte zunehmend mit Gewalt konfrontiert.

Erst vergangene Woche musste sich ein Mann vor dem Amtsgericht Forchheim verantworten, weil er absichtlich mit seinem Auto einen Rettungswagen den Weg versperrt hatte. Darüber können BRK-Chefärztin Elisabeth Dewald und Klaus Knauer, Notfallsanitäter beim Rettungsdienst Forchheim, nur den Kopf schütteln. Bei etwa der Hälfte der Bürger herrsche Unverständnis und Wut, wenn der Krankenwagen vor dem Haus des Patienten steht, sagt Knauer: "Da wird sich immer unendlich aufgeregt, wenn wir auf der Straße parken. Wir können aber nicht jede Parklücke suchen, Geld einwerfen und erst einen Fußmarsch von 100 Metern hinlegen." Der Notfallsanitäter geht entspannt mit den Beschwerden um, "weil ich mich auf den Patienten konzentriere und nicht auf den Verkehr".

Vorwiegend verbale Gewalt

"Bei uns gibt es vorwiegend verbale Gewalt", erzählt die BRK-Chefärztin. "Ich möchte die Ausdrücke nicht wiederholen", sagt Knauer. Diese seien "unterste Schublade". Anzeige zu erstatten, dafür fehle die Zeit und die Aufmerksamkeit. Stattdessen versuchen sie, mit dem nötigen Fingerspitzengefühl die Situation zu deeskalieren. Dewald sucht immer das Gespräch: "Sicherlich stehen viele Leute terminlich unter Druck, aber Menschenleben geht vor. Da muss ich dann um Verständnis bitten." Oft funktioniert es, aber nicht immer. Manchmal helfen nur direkte Worte. Auf dem Annafest müssen sich die Notärzte beispielsweise durch die Menschenmasse kämpfen, weil nicht einmal Platz gemacht wird. Da geht es dann etwas rauer zu. Opfer von tätlichen Angriffen sind beide bisher nicht geworden - aber es war jedoch schon oft "kurz vor knapp", so Knauer.

Eigenschutz als oberstes Gebot

Es kommt auch vor, dass sie zu Einsätzen gerufen werden, wo die Gefahrenlage nicht klar ist oder die Polizeibeamten den Ort noch nicht sichern konnten. Zum Beispiel, wenn ein Opfer Stichwunden hat und sich der Täter möglicherweise noch im Gebäude aufhält und zur Gefahr werden könnte. "Ich werde dann den Teufel tun und aussteigen und nach dem Rechten sehen", sagt Knauer. "Im Ballungsgebiet kann es schon sein, dass gleich Verstärkung da ist, aber im ländlichen Raum wartet man schon zehn bis fünfzehn Minuten." Außerdem sei dem Opfer auch nicht geholfen, wenn die Rettungskraft am Ende selbst am Boden liegt.

Brenzlige Situationen entstehen auch bei Einsätzen mit mehreren Menschen, denn die Gruppendynamik dürfe nicht unterschätzt werden, erzählt die BRK-Chefärztin. Sie erinnert sich an eine Schlägerei vor einer Diskothek. Beim Eintreffen haben die Randalierer das Fahrzeugs sofort attackiert und sogar das Funkgerät zerstört. "Da habe ich mich ins Auto eingesperrt und auf die Polizei gewartet", sagt sie. "Eigenschutz ist unser absoluter Grundsatz." Knauer bestätigt: "Deine Augen müssen überall sein. Wenn mir eine Sache nicht geheuer ist, merke ich mir den Rückweg und passe auf, dass der nicht von Personen blockiert wird."

Eigenschutz gilt für sie immer, denn Attacken "haben wir auch hier in der Klinik, nicht nur draußen". In den Notaufnahmen gibt es Sicherheitspersonal, da manche Patienten die Notärzte angreifen.

Kein Großstadtphänomen

"Die Brutalität hat zugenommen", sagt Knauer. Früher haben Täter ein Opfer geschlagen, bis es zu Boden ging. Heute würden die Täter einfach weitermachen. Die steigende Aggressivität "ist schon auf dem Land angekommen", sagt der Notfallsanitäter. Nicht nur die Brutalität, sagt Dewald, sondern auch die Gleichgültigkeit gegenüber verletzten Personen sei erschreckend.

Wieso die Brutalität steigt? "Da schaukeln sich mehrere Faktoren hoch", mutmaßt sie. Die Attacken auf Rettungskräfte erfolgen "meistens in Kombination mit Alkohol und Drogen". Die Personen hätten dann eine sehr niedrige oder gar keine Hemmschwelle. Dass die Gewalttaten häufig in Verbindung mit Alkohol- und Drogeneinfluss stehen, wurde auch 2016 in einer BRK-Studie belegt.

Gewalttaten als Ausnahmefall

Beide vermuten, dass die Gewaltbereitschaft weiter steigen wird. "Ich glaube, dass es im ländlichen Raum auch schutz- und stichfeste Westen für Rettungskräfte geben wird. Das ist nur eine Frage der Zeit", sagt der Notfallsanitäter. Vom Beruf abraten würden sie aber keineswegs. Dewald erklärt: "Das Umfeld macht die Berufsausübung schwieriger, aber das Helfen und der Beruf an sich haben sich nicht verändert." Zudem betont sie: "Das sind ja nur Ausnahmesituationen, das ist nicht Gang und gäbe." Ganz im Gegenteil: "Das meiste, was uns entgegengebracht wird, sind Dankbarkeit und Wertschätzung." Und das motiviert umso mehr, über einzelne Situationen hinwegzusehen.

Immer mehr Gewalt gegen Rettungskräfte: Feuerwehr-Gewerkschaft fordert Polizeischutz